
Höxter. Es ist ein langer Titel. "Höxter: Verdrängte Geschichte. Zur Geschichte des Nationalsozialismus einer ostwestfälischen Kleinstadt" heißt Ernst Würzburgers Werk. Der Wahl-Höxteraner beleuchtet darin ein schmerzhaftes Kapitel Stadtgeschichte - die Zeit des Nationalsozialismus. Das Buch, das 1990 erschien, bekommt jetzt ein neues Kapitel mit neuen Fakten und neuen Bildern von damals. Um diese Neuauflage musste der 71-Jährige rund 25 Jahre kämpfen. Die Stadt wollte ihn nicht unterstützen.
Bereits 1985 hatte Ernst Würzburger mit den Recherchen zu seinem Buch über Höxters NS-Geschichte begonnen. Ein Jahr zuvor, 1984, war der politisch engagierte junge Mann aus Berlin in den Kreis gezogen. In Höxter habe er damals in den Achtzigern eine ländlich geprägte Gesellschaft angetroffen, die die Zeit des Nationalsozialismus schnell vergessen wollte, erzählt der Rentner. "Aber an der Schützenkette wurde das Hakenkreuz noch getragen. In was für ein braunes Nest bin ich hier geraten, dachte ich damals." Weil Bürger und Stadt sich ihrer Vergangenheit noch nicht stellen wollten, stellte sich ihr der junge Zugereiste.

Würzburger recherchierte und fing bei null an. Andere Veröffentlichungen, auf die er hätte zurückgreifen können, gab es nicht. "Ich bin in Archive in ganz Deutschland gefahren und habe Material zusammengetragen." In den Archiven seien alle hilfsbereit gewesen. Die Höxteraner stellten sich quer. Man habe an seinem wissenschaftlichen Anspruch gezweifelt, sagt Ernst Würzburger. "Ich bin kein ausgebildeter Historiker." Ein Geografie-Studium habe er abgebrochen. "Die haben sich gefragt, was will der denn hier." Die Höxteraner hätten auch Angst gehabt, dass Namen genannt, Familien an den Pranger gestellt würden. "Aber darum geht es mir nicht."

Weil weder Stadt noch Unternehmer oder regionale Stiftungen die Veröffentlichung finanziell unterstützen wollten, gründete Würzburger den Verein und Eigenverlag "Villa Huxori". Das Buch ließ er 1990 in einer Auflage von 1.000 Exemplaren drucken. "Das war bald vergriffen."
Trotz des prominenten Fürsprechers Jacob Pins wollte die Stadt die Druckkosten auch 1998 nicht übernehmen. Als Ernst Würzburger wieder anklopfte, hatte sich zwar die grundsätzliche Haltung geändert: Man wolle die Hälfte der Kosten einer Neuveröffentlichung tragen. Vergangenheitsbewältigung gehörte inzwischen zum guten Ton. "Doch auch eine Hälfte war zu wenig." Würzburger legte die 284 Seiten auf den Kopierer und verkaufte sie geheftet.
2013 hat Ernst Würzburger noch einmal Anlauf genommen: die Ausgabe überarbeitet, neues Bildmaterial zusammengestellt und seit Januar 2013 auch ein neues Kapitel geschrieben. Auf etwa 15 Manuskriptseiten stünden da neue Fakten, die er seit den 90er Jahren gesammelt habe, sagt der 71-Jährige. Und diesmal habe Bürgermeister Alexander Fischer sofort Unterstützung zugesichert. Auch im Rat vertretene Parteien wollen helfen. Für Ernst Würzburger ist inzwischen seine Forschung über Höxters Vergangenheit zum Lebenswerk geworden. "Ich will keinen Dank, nur, dass meine Arbeit anerkannt wird."