KREIS HÖXTER

Geblieben sind Schmerz und Trauer

Heute vor 20 Jahren wurden die Polizisten Jörg Lorkowski und Andreas Wilkending bei Boffzen erschossen

Polizeioberkommissar Karlheinz Schmereim (l.) und Erster Polizeihauptkommissar August Wilhelm Winsmann zeigen die Stelle, an der die entsetzliche Bluttat geschah. | © FOTO: HOFFMANN-WITTENBURG

12.10.2011 | 12.10.2011, 00:00
"Guden Tach, Meier mein Name...". Von dieser Notrufsäule aus lockte Dietmar J. die beiden Polizeiobermeister heimtückisch in die tödliche Falle. Im Hintergrund ist der Tatort zu sehen. - © FOTO: HOFFMANN-WITTENBURG
"Guden Tach, Meier mein Name...". Von dieser Notrufsäule aus lockte Dietmar J. die beiden Polizeiobermeister heimtückisch in die tödliche Falle. Im Hintergrund ist der Tatort zu sehen. | © FOTO: HOFFMANN-WITTENBURG

So schlimm und belastend es in diesem Moment für sie auch war, so gut hat es ihr letztlich getan. "Bis dahin hatte ich fürchterliche Angst- und Panikattacken. Damit war es dann vorbei." Sehr geholfen habe ihr auch, dass sie weiterhin unter Menschen gegangen sei. "Die Lüchtringer waren ganz großartig", sagt sie.

Seit 20 Jahren geht sie fast jeden Tag zum Grab ihres Sohnes. Vor vier Jahren hat auch ihr Mann auf dem Lüchtringer Friedhof die letzte Ruhestätte gefunden. "Er war immer gesund, durch und durch Sportler. Dann ist er plötzlich an Leukämie erkrankt."

Mit seinem Partner Andreas Wilkending war Jörg Lorkowski nicht nur gemeinsam auf Streife, sondern auch gut befreundet. "Beide waren absolut familienbewusste Menschen", erzählt August-Wilhelm Winsmann, Erster Polizeihauptkommissar im Polizeikommissariat Holzminden. "Andreas Wilkending war ständig am Werkeln." Als nebenan das Edeka-Gebäude abgerissen wurde, habe Wilkending aus den Dachbalken in seinem Haus selbst eine Treppe gebaut. "Und Jörg Lorkowski hat ihm geholfen." Auch Winsmann war mit beiden Kollegen eng verbunden.

"Andreas Wilkending und ich haben 1974 gemeinsam angefangen und uns auf der Polizeiakademie in Hannoversch Münden kennengelernt." Dritter im Bunde war Polizeioberkommissar Karlheinz Schmereim, der Wilkending besonders nahe stand. "Ich rede nicht gern darüber, aber denke oft daran", sagt Schmereim. "Seit wir 17 waren, haben wir alles zusammen gemacht. Andreas wurde nur 34 Jahre alt.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir unser halbes Leben miteinander verbracht. Unfassbar, was der Mörder diesen beiden geraubt hat. Und ihren Familien und Kindern." Diese Gedanken kämen immer wieder. "Und mir wird immer noch jedes Mal, wenn ich an dem Parkplatz vorbei komme, beklommen zu Mute."

"Wir waren alle viel mehr als Kollegen und haben auch privat viel Zeit miteinander verbracht", bemerkt Winsmann. "Die Geschehnisse vor 20 Jahren haben uns tief erschüttert und berührt." An Winsmann war in den frühen Morgenstunden des 12. Oktober 1991 um 2.30 Uhr der in Höxter vom Waldparkplatz an der Landstraße 549 eingegangene vermeintliche Notruf weitergeleitet worden. Fünf Minuten später meldeten sich Jörg Lorkowski und Andreas Wilkending per Funk nach einem Einsatz wieder zurück und übernahmen den Fall. Danach meldeten sie sich nie wieder.

INFORMATION


Der Zeitablauf

12. Oktober 1991; 2.30 Uhr, Eingang Notruf bei der Polizei. Routinefall: Unfall mit Wildschaden

2.35 Uhr, Übernahme der Polizeiobermeister Jörg Lorkowski (30) und Andreas Wilkending (34), da sie gerade von einem anderen Einsatz zurück und in der Nähe unterwegs waren.

Ab hier gibt es keine Meldungen von den Polizeiobermeistern mehr, die in einem dunkelroten Passat, einem Zivilstreifenwagen, auch "Hilde 10-35" genannt, den Einsatz übernommen haben.

4.30 Uhr, Fund von Blut und eindeutigen Spuren auf ein Verbrechen. Kollegen nicht aufzufinden.

16. Oktober 1991: Festnahme der Brüder J. in Bredenborn – Dietmar J. wurde an der Stimme erkannt.

18. Oktober 1991: Fund der ermordeten Polizisten auf dem Truppenübungsplatz in der Senne – 1 km vom ausgebrannten Auto entfernt.

9. September 1992: 1. Verhandlungstag – insgesamt 180 Verhandlungstage, Prozeßdauer: 2,5 Jahre.

Die Tat geschah mit mit einer Salve aus einem G-3-Gewehr der Bundeswehr, das bei Überfällen auf Kasernen in Augustdorf (1987) und Stadtoldendorf (1988) erbeutet wurde.

Die Suchaktion war mit über 100 Beamten, mit Hunden und Hubschraubern und auch der Wasserschutzpolizei eine der größten Suchaktionen der Kriminalgeschichte in der Region.

Strafen: Dietmar J. (30) bekam lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung im Hochsicherheitstrakt in Celle. Manfred J. (27) wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt; der jüngste Bruder (26) war nicht beteiligt – er ging straffrei aus.(rho)