KREIS HÖXTER

"Es gibt eine spürbare Unzufriedenheit in der Partei"

NW-SOMMERINTERVIEW: Der CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Jürgen Herrmann fordert eine Rückbesinnung auf konservative Werte

13.08.2011 | 14.08.2011, 12:03
Jürgen Herrmann. - © FOTO: RHO
Jürgen Herrmann. | © FOTO: RHO

Kreis Höxter. Bei der CDU ist in den vergangenen Wochen eine große Diskussion um die politische Ausrichtung und die Werte entbrannt. Zugleich kämpft der christdemokratische Landesverband mit erheblichen Schulden. Wie im ganzen Land muss die Partei auch im Kreis Höxter sinkende Mitgliederzahlen hinnehmen. Über die Situation der Partei sprach David Schellenberg mit dem CDU-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Jürgen Herrmann.

Herr Herrmann, macht es angesichts der aktuellen Diskussionen in der Partei noch Spaß, CDU-Mitglied zu sein?
HERRMANN: Sicher macht es noch Spaß, sonst müsste ich mein Parteibuch zurückgeben. Es gibt immer ein Auf und Ab in den Parteien, die sich an Gefühlen und Stimmungen festmacht.

Ist die Debatte in der Partei eine Sommerloch-Diskussion oder braucht die CDU tatsächlich eine neue Ausrichtung?
HERRMANN: Fakt ist, es gibt eine spürbare Unzufriedenheit in der Partei.

Woran liegt das?
HERRMANN: Die Partei ist nicht mehr so wertegebunden, wie sie sein sollte. Ein wichtiges Beispiel ist aus meiner Sicht die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik. Bei dieser Debatte ging es um menschliches Leben. Aus meiner Sicht kann es dabei kein "Entweder-Oder" geben. Auch mir hat diese Entscheidung nicht geschmeckt. Ein anderes Beispiel ist der Ausstieg aus der Atom-Energie, den ich für einen richtigen Schritt halte, der aber vor allem konservativen Parteimitgliedern schwer zu vermitteln war. Das verstärkt die Unzufriedenheit.

Aber behebt sie noch nicht.
HERRMANN: Als aktives Parteimitglied habe ich natürlich auch die Aufgabe, mich einzubringen. Deshalb habe ich den Parteimitgliedern, die meinen Newsletter bekommen, geschrieben, dass sie ihren Unmut nicht nur mir, sondern auch der Kanzlerin schreiben sollen. Und ich habe darum gebeten, mir eine Kopie der Briefe zu geben. Daraufhin habe ich ganze zwei Rückmeldungen bekommen. So groß kann also die tatsächliche Unzufriedenheit nicht sein.

Vielleicht treten die Mitglieder einfach aus, statt zu schreiben. Immerhin hat die CDU auf allen Ebenen, auch im Kreis Höxter, mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen.
HERRMANN: Da sprechen sie einen großen Schwachpunkt an, den die SPD allerdings auch hat. Dass die Partei Mitglieder verliert, liegt meiner Ansicht nach aber weniger an der Unzufriedenheit, sondern an der Altersstruktur. Auch junge Menschen interessieren und engagieren sich für gesellschaftliche und politische Themen, wie der Streit um den Bahnhof in Stuttgart zeigt. Aber sie lassen sich nicht mehr in festen parteipolitischen Strukturen organisieren.

Die Lösung?
HERRMANN: Wir müssen Politik transparent gestalten, die Themen besser vermitteln. Dann wird sich der ein oder andere vielleicht auch der Partei anschließen. Denn eines ist klar: Eine Zeit lang kann eine Partei eine solche Entwicklung aushalten, aber wir brauchen junge Menschen, die irgendwann auch Führungsverantwortung übernehmen.

Sie sagten, die Partei ist nicht mehr so wertegebunden. Auf welche Werte sollte die CDU aus ihrer Sicht in Zukunft setzen?
HERRMANN: Ich glaube die CDU ist gut beraten, neben neuen Themen, gerade die Themen anzusprechen die die konservativen Mitglieder anspricht. Das Thema Sicherheit und Recht, also Law and Order, muss hervorgehoben werden. Ich glaube dass die Menschen – wie auch ich – beispielsweise wenig Verständnis für die Entschädigungsregelung für den Mörder des getöteten Bankierssohn haben. Das Thema soziale Sicherheit, also verlässliche Renten- und Sozialpolitik muss vernünftig dargestellt werden. Das Thema Familie darf nicht nur an neuen Lebensmodellen ausgerichtet werden, sondern muss auch christlichen Werten entsprechen. Ich bin übrigens auch der festen Überzeugung, dass die Menschen verstehen, wenn der Staat zum Sparen aufruft, damit die nachfolgenden Generationen nicht noch weiter belastet werden.

Gibt es nach dem Schulfrieden in NRW überhaupt noch Themen, die die CDU anpacken kann?
HERRMANN: Die Themen werden uns gewiss nicht ausgehen. Es gibt sehr viel zu tun. Zumal die rot-grüne Landesregierung mit ihrer Verschuldungspolitik noch nicht gemerkt hat, dass es auch in NRW fünf nach zwölf ist. Beim Schulkompromiss haben wir viele CDU-Positionen durchsetzen und die Einheitsschule verhindern können. Jetzt gilt es aber, das auf Ebene der Kommunen in konkrete Politik umzusetzen. Da haben wir noch genug Arbeit. Auf Bundesebene beschäftigen uns beispielsweise die Energiewende, die Internetsicherheit und die Bundeswehrreform, die ja auch die Menschen im Kreis Höxter berührt. Als Mitglied des Haushaltausschusses hat für mich die Euro-Rettung natürlich besondere Bedeutung. Die hat zurzeit oberste Priorität. Die Kakophonie, die wir dabei in den vergangenen Tagen beispielsweise mit der Äußerung des EU-Kommissionspräsidenten Barroso erlebt haben, war nicht sehr hilfreich.