Vinsebeck. Thomas Schlechtriem hat keine Angst. Seelenruhig ordnet er die schweren Werkzeuge, überprüft ein zweites Mal Sicherungsgurte und Karabinerhaken, testet das Mikrofon in seinem weißen Helm, der viel zu groß wirkt, klatscht sich mit seinem Piloten Christian Tyrok ab und macht es sich auf seiner Arbeitsplattform bequem. Dann beginnen sich die Rotoren zu drehen und unter ohrenbetäubendem Lärm hebt der Hubschrauber ab. Schlechtriems Füße baumeln in der Luft.
Thomas Schlechtriem hat einen Auftrag. Er installiert vom Hubschrauber aus 181 Vogelschutzarmaturen auf der Hochspannungsleitung zwischen Steinheim und Horn. In 25 Meter Höhe. Und so hilft er mit, Vögel zu schützen. "Sicher ist es wichtig, die Vögel am Leben zu halten", sagt er nachher mit festem Boden unter den Füßen. "Aber in erster Linie ist das mein Beruf - und den will ich so gut wie möglich machen." Ein ornithologisches Gutachten legte die vogelflugrelevanten Leitungsabschnitte fest, die mit Vogelmarkern ausgestattet werden sollen.
Die zehn Kilometer zwischen Steinheim und Horn gehören dazu. Die Vogelmarker erinnern ein bisschen an Zebrastreifen. Sie sind 50 Zentimeter lang und 30 Zentimeter breit. Ähnlich wie ein Windspiel flattern sie im Wind. "So entsteht eine Art Blinkeffekt, der sehr gut und früh wahrnehmbar ist für Vögel", erklärt Projektleiter Wolfgang Dee, der auf rund "30 bis 40 Jahre Lebensdauer" der Warnbaken verweist. Feldstudien über das Flugverhalten der Vögel, die sich im Anflug auf Freileitungen befinden, hätten eindeutig gezeigt, dass Vögel die Freileitungen nahezu ausnahmslos überfliegen, wenn sie diese rechtzeitig erkennen, sagt Wolfgang Dee.
110.000 Volt fließen durch die zehn Kilometer lange Leitung, die vom Umspannwerk Steinheim bis nach Horn führt. Gebaut wurde die Leitung nach 14 Jahren Diskussion im vorigen Jahr. Abgeschaltet wird sie während der Arbeit nicht - schließlich sind Schlechtriem und sein Kollege nicht geerdet. "Ich habe kein mulmiges Gefühl, wenn ich das mache. Klar - Respekt muss man haben, sonst könnte es gefährlich werden. Aber man muss wissen, was man macht und man muss wissen, wann es genug ist und man aufhören muss", sagt Thomas Schlechtriem. Der 30-jährige ausgebildete Energie-Anlagen-Elektroniker versteht sich blind mit seinem Piloten Christian Tyrok. Ein Handzeichen, ein Blick - und die beiden wissen sofort, was zu tun ist. "Böiger Wind beispielsweise - das geht gar nicht. Dann gehen wir erst gar nicht hoch. Oder wir brechen sofort ab, wenn wir oben sind und der Wind zu stark ist", sagt Thomas Schlechtriem.
"Das ist eine anstrengende Arbeit. Wenn einer von uns sagt: Es geht nicht mehr, ich kann mich nicht mehr konzentrieren - dann ist sofort Schluss und wir gehen runter", bekräftigt Pilot Christian Tyrok.
Die beiden sind auf Montage. Schlechtriem kommt aus Lennestadt im Sauerland und Tyrok aus dem hessischen Bad Homburg. Bis Freitag wollen und sollen sie fertig sein. Etwa 80 bis 100 solcher Vogelschutzarmaturen schaffen die beiden pro Tag - wenn alles optimal läuft. 181 müssen sie anbringen. Alle 25 Meter eine. "Die Arbeiten werden voraussichtlich am Ende der Woche abgeschlossen sein", erklärt Eon-Sprecherin Michaela Fiedler.