HOLZMINDEN/STAHLE

Bombe entschärft

10.000 Menschen in Holzminden evakuiert

19.43 Uhr können die Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Entwarnung geben. Der Zünder ist entfernt, die Bombe wird verladen. | © FOTO: DAVID SCHELLENBERG

18.05.2011 | 18.05.2011, 00:00

Holzminden/Stahle. Bombenfund in Holzminden: Rund 10.000 Menschen aus der Innenstadt und aus dem östlichen Randbezirk von Stahle mussten gestern Nachmittag ihre Häuser verlassen, damit der Kampfmittelbeseitigungsdienst eine Fünf-Zentner-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärfen kann.


Oltmann Harms ist entspannt. Während um den Experten vom Kampfmittelbeseitigungsdienst die größte Evakuierungsaktion Holzmindens anläuft, steht er ruhig am Baggerloch vor dem Edekamarkt an der Fürstenberger Straße und wartet. Bevor Feuerwehr und Polizei das Gebiet im Umkreis von 1.000 Metern nicht geräumt haben, wird er keinen Handschlag tun. Die Sicherheitszone reicht vom Jugendgarten im Norden bis zum Werk "Nord" der Firma Stiebel-Eltron im Süden und vom Stahler Ufer im Westen bis zum Symrise-Werk "Weser" im Osten. "Das Evangelische Krankenhaus liegt glücklicherweise ganz knapp außerhalb des Gebietes", sagt Polizeisprecher Jörn Schedlitzki.

Rund um den Fundort am Aldi- und Edeka-Parkplatz ist längst alles abgesperrt. Nur Oberkommissar Henning Steingräber und sein Kollege Axel Wistuba halten hier die Stellung. Sie passen auf, dass sich niemand nähert. Hin und wieder weisen sie einen Rentner ab, der unbedingt einkaufen will, oder erklären Schülern, was sich hinter der Polizeiabsperrung befindet.

Die schlummernde Gefahr selbst sieht auf den ersten Blick harmlos aus: Ordentlich in graue Folie gehüllt, liegt die Bombe als Päckchen geschnürt in einer zwei Meter tiefen Grube. Der Bagger steht einige Metern entfernt. "Ein Glück, dass die Baggerschaufel nicht direkt auf den Zünder getroffen ist."

Oltmann Harms wurde sofort informiert, als der Baggerfahrer am späten Montagnachmittag beim Ausbaggern einer Sickergrube auf den amerikanischen Sprengsatz gestoßen war. Er hat sich den Sprengsatz sofort angeschaut. Nicht vor Ort, sondern auf Bildern. "Es war gut zu erkennen, dass es sich um eine GP-Bombe handelt, die keinen Zeitzünder hat", sagt Harms. Deshalb habe in der Nacht auch keine Gefahr für die Bevölkerung und kein Grund zum sofortigen Handeln bestanden.

Die GP-Sprengbomben (General Purpose) wurden von Amerikanern und Briten im Zweiten Weltkrieg als Mehrzwecksprengsatz eingesetzt, der vor der Explosion in Gebäude oder den Boden eindringen kann. "Wenn sie aber auf einen Stein aufschlägt, sich deformiert aber nicht explodiert, kann die Entschärfung schwierig werden", sagt Harms. Dann lassen sich die beiden Säurezünder nicht einfach mit einer Zange herausdrehen. In einem solchen Fall gibt es nur noch eine Lösung, sagt Harms: die Sprengung vor Ort.

Die Bombe auf dem Edeka-Parkplatz ist nach einem ersten Befund des Expertenteams vom Kampfmittelbeseitigungsdienst unbeschädigt. "Eine Routinearbeit - wenn alles glatt läuft", sagt Harms. Sie soll nicht länger als 30 Minuten dauern. Gemeinsam mit seinem Kollegen wird er zuerst die Zünder herausdrehen und dann vom Detonator trennen. Erst dann werden sie Entwarnung geben, die Bombe auf einen Lkw zum Abtransport laden und die Sperrung der Innenstadt wieder aufheben.

Alles andere als Routine ist der Tag hingegen für Polizei, Feuerwehr und Stadtverwaltung. Auch Bürgermeister Jürgen Daul hatte am Montagabend, bereits im Feierabend, die Nachricht von der Fliegerbombe erhalten. "Wie kriegen wir das organisiert, war der erste Gedanke nach der Schrecksekunde", sagt Daul. Bereits am frühen Dienstagmorgen ist die erste Krisen- und Informationssitzung mit Ratsmitgliedern und Verwaltungsangestellten angesetzt.

Da hoffen alle noch, dass die Bombe ohne Entschärfung abtransportiert werden kann und Holzminden um die große Evakuierung herumkommt.

Vergebens. Um zehn Uhr meldet Oltmann Harms, dass ein Transport viel zu gefährlich ist. Am Mittag tagt der Einsatzstab von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen. Zur Unterstützung rücken gegen Mittag drei Polizei-Hundertschaften an. "Alle arbeiten eng zusammen", versichert Daul.

Er weiß um die Aufgabe, die den Rettungskräften bevor steht. "Das wird heftig", sagt Daul. "Es muss ja auch das Residenz-Seniorenheim evakuiert werden. Außerdem gilt es, den Bahn- und Busverkehr still zu legen." Am Nachmittag müssen auch alle Geschäfte in der Innenstadt schließen und zahlreiche Unternehmen evakuiert werden.

Kurz vor der Entschärfung werden die Straßen gesperrt. Harms und sein Kollege können mit ihrer Arbeit beginnen. Routine - wie er 19.43 Uhr meldet. Er wirkt entspannt.

Zeitplan der Evakuierung

Montag

17 Uhr: bei Baggerarbeiten in der Fürstenberger Straße wird eine Fliegerbombe gefunden.

Dienstag

10 Uhr: Entscheidung zur Evakuierung der Innenstadt; Krisensitzung von Rat und Stadtverwaltung.
12 Uhr: Polizei und Feuerwehr beginnen mit Lautsprecherdurchsagen.
13 Uhr: Sitzung des Krisenstabes bei der Polizei.
13.30 Uhr: Die ersten Hundertschaften zur Unterstützung treffen ein.
14.30 Uhr: Die Evakuierung beginnt. Sammelstellen sind in der Liebigstraße (Sporthalle), Schulzentrum Grimmenstein, bei den Berufsbildenden Schulen in der Liethstraße, bei der Bundeswehr in der Bodenstraße und bei Stiebel-Eltron im Lüchtringer Weg.
15 Uhr: Die Schulen werden geschlossen.
17 Uhr: Die Geschäfte in der Innenstadt schließen, die letzten Anwohner müssen die Sicherheitszone verlassen.
17.30 Uhr Die Sicherheitszone wird für den Verkehr gesperrt.
19.15 Uhr Beginn der Bombenentschärfung.