BEVERUNGEN

Das Ende eines Atomkraftwerks

Ein Besuch in Würgassen

22.04.2011 | 22.04.2011, 00:50
Norman Rueß (r.) verlädt mit einem Kran ein 200-Liter-Fass mit Atommüll. Armin Müller (l.) nimmt eine Wischprobe. - © FOTO: CHRISTIAN WEISCHE
Norman Rueß (r.) verlädt mit einem Kran ein 200-Liter-Fass mit Atommüll. Armin Müller (l.) nimmt eine Wischprobe. | © FOTO: CHRISTIAN WEISCHE

Beverungen. Die Computerstimme ist laut und eindringlich: "Kontamination. Bitte wenden Sie sich an den Strahlenschutz." Dem Besucher gefriert das Blut in den Adern. Ist er bei der Besichtigung des Atomkraftwerks Würgassen verstrahlt worden? Nein, beruhigt Kraftwerkssprecher Peter Klimmek ihn. Seine Haare hätten sich unter dem Helm nur statisch aufgeladen, das habe den Messcomputer verwirrt. Klimmek wirft den Helm in eine Box. Die Maschine misst erneut. "Keine Kontamination", sagt die Stimme. Der Besucher atmet auf.

Das Atomkraftwerk (AKW) in Würgassen, einem Ortsteil von Beverungen (Kreis Höxter), wird seit etwas mehr als 14 Jahren zurückgebaut. Der Betreiber Preußen Elektra (heute Eon Kernkraft) hatte bei Überprüfungsarbeiten 1994 Risse im Kernmantel entdeckt. Pläne, den Reaktor auszutauschen, wurden als zu kostspielig verworfen. 1996 wurden die letzten bestrahlten Brennelemente mit Castoren abtransportiert und die Kühltürme abgerissen, am 14. April 1997 der Rückbau offiziell genehmigt. Im Jahr 2014 soll er so weit abgeschlossen sein, dass Bauunternehmen die Gebäude einreißen dürfen.

Klimmek zeigt Besuchern und Journalisten gelegentlich das Kernkraftwerk. Ein erster Höhepunkt dieser Tour: ein Besuch im Leitstand, von dem aus früher die ganze Anlage betrieben wurde. Heute hat der Raum aber viel von seiner ehemaligen Bedeutung eingebüßt. Eine Handvoll Techniker überwacht von hier aus nur noch vergleichsweise unwichtige Systeme wie die Abwasseraufbereitung. Bei der Einrichtung scheint die Zeit stehengeblieben zu sein: Die Holz-schreibtische sind altmodisch und braun, einige der Aufzeichnungsgeräte an der Wand des Raumes mit Fotos vom Rückbau überklebt.

Dabei gab es im Verlauf der vergangenen 14 Jahre tatsächlich einiges zu fotografieren: Der Rückbau des AKW Würgassen ist laut Kraftwerkssprecher Klimmek der erste Rückbau eines kommerziellen Atommeilers in Europa. Was die Bauarbeiten dabei so kompliziert und langwierig macht, ist nicht nur die enorme Masse von rund 255.000 Tonnen Baumaterial.

Das größte Problem ist dabei, dass jedes einzelne Teil auf Radioaktivität untersucht werden muss. Elemente, die nur an der Oberfläche belastet sind, können mit Stahlkiesstrahlen oder mit Säuren gereinigt werden. Stärker kontaminierte Teile müssen ferngesteuert unter Wasser zerlegt werden. Ziel ist es dabei, so wenig Atommüll wie möglich anfallen zu lassen. In Würgassen sollen es rund 5.000 Tonnen sein.