Kreis Höxter: Diskussion um Verpackungssteuer

Kreis Höxter. Klingt eigentlich prima: Mit einer Verpackungssteuer könnten Städte im Kreis Höxter einerseits Imbissmüll reduzieren und andererseits die klammen Stadtkassen auffüllen. Jüngst hat das Bundesverfassungsgericht die Abgabe auf Kaffeebecher, Pizzakartons und Plastikbesteck höchstrichterlich genehmigt. Kommt die neue Steuer auch im Kreis Höxter? Entscheiden müssten darüber die Stadträte jeder einzelnen Kommune. Während laut einer Umfrage der Deutschen Umwelthilfe bereits rund 120 Städte Interesse an der Verpackungssteuer signalisiert haben, ist das Meinungsbild im Kreis Höxter durchaus sehr differenziert. Und das, obwohl sich der Kreis Höxter im vergangenen Herbst einstimmig auf den Weg zur Zero-Waste-Region gemacht hat und damit Musterschüler in Sachen Müllvermeidung werden will. Verwaltungen im Kreis fürchten den hohen Aufwand Doch so einfach lässt sich wohl doch nicht aus Müll noch etwas Geld machen. Denn abwartend reagiert beispielsweise Nieheims Bürgermeister Johannes Schlütz, der bekanntlich auf eine besonders leere Stadtkasse blickt und sich über jede Einnahme freut. Aber Schlütz fürchtet einen hohen Verwaltungsaufwand, denn es müsste alles rechtssicher erfasst und auch kontrolliert werden. Möglicherweise könnten die Kosten dann höher sein als die Steuereinnahmen. Deshalb hofft Nieheims Bürgermeister auf eine bundeseinheitliche Regelung oder wenigstens ein abgestimmtes Vorgehen in Nordrhein-Westfalen. Dann müsste nicht jede Kommune einzeln planen – und es gäbe auch keine Konkurrenz zwischen den Städten. Denn führt die eine Stadt die Steuer ein, die Nachbarkommune aber nicht, könnten dort die Fast-Food-Speisen möglicherweise billiger angeboten werden. Die Verantwortung der Konsumenten bei Verpackungsmüll Doch eben eine bundeseinheitliche Regelung lehnt der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Haase, der die Interessen des Kreises Höxter in Berlin vertritt, vehement ab. Er verweist darauf, dass das Abfallmanagement ausdrücklich in kommunaler Zuständigkeit liege. Haase, zugleich Kreisvorsitzender der CDU erklärt: &bdquo;Ich möchte, dass die kommunale Selbstverwaltung gestärkt wird und nicht von oben herab bei solchen Themen reinregiert wird.“ Blick um Nachbarn: Verpackungssteuer - Paderborn winken Einnahmen bis 1 Million Euro Aber auch grundsätzlich kann er sich mit der Idee einer Verpackungssteuer nicht anfreunden. &bdquo;Die Verpackungsmüllsteuer ist meiner Ansicht nach eher ein Thema für den großstädtischen Bereich.“ Hase sprach sich dafür aus, dass die Gastrobetriebe, als die &bdquo; Inverkehrbringer von Verpackungen“ ihre Kundschaft über Mehrwegoptionen informieren und diese anbieten. &bdquo;Am Ende glaube ich immer noch an die Eigenverantwortung jedes Konsumenten und lehne eine weitere Steuer für die Menschen ab – auch wenn diese verfassungsmäßig ist.“ In der Kreisstadt Höxter ist man da deutlich aufgeschlossener als der CDU-Kreisvorsitzende. &bdquo;Die Stadt Höxter sieht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verpackungssteuer als wegweisend an“, erklärt Bürgermeister Daniel Hartmann auf &bdquo;NW“-Anfrage. Eine solche Steuer könne auch in Höxter einen Beitrag leisten, die Müllmengen im öffentlichen Raum zu reduzieren und gleichzeitig den Einsatz von Mehrwegverpackungen zu fördern“, ist sich der Bürgermeister sicher. Höxter sieht noch viele Fragen bei Verpackungssteuer ungeklärt Wie sein Nieheimer Amtskollege hat er aber durchaus noch offene Fragen, denn es seien &bdquo;die potenziellen Auswirkungen auf lokale Betriebe sowie der damit verbundene Verwaltungsaufwand genau abzuwägen.“ Letztlich, so Hartmann, müsse der Rat der Stadt Höxter über eine solche Maßnahme entscheiden. &bdquo;Aktuell werden die Entwicklungen und Empfehlungen, insbesondere des Städte- und Gemeindebundes NRW, aufmerksam verfolgt“, so Hartmann. Das tut man auch in Bad Driburg, auch wenn es aktuell noch keine konkreten Planungen für eine Verpackungssteuer gibt, wie Baudezernent Florian Greger erklärt. Er reagiert eher abwartend und verweist auf kürzlich eingeführte Vorgaben: &bdquo;Mit dem Einwegkunststofffondsgesetz ist zu Jahresbeginn 2024 eine Regelung in Kraft getreten, die Hersteller abhängig von der Art und Masse der von ihnen in Verkehr gebrachten Einwegkunststoffprodukte verpflichtet eine Abgabe zahlen müssen. Abzuwarten ist zunächst, ob dieser Anreiz, die Abfallmenge zu reduzieren, den gewünschten Effekt bringt“, so Greger. Abwägungsprozess zu Verpackungssteuer bei den Grünen Die Grünen im Kreis Höxter, die sich schon qua Name dem Schutz von Natur und Umwelt verschrieben haben, sehen die neue Steuermöglichkeit sehr differenziert und wollen sich noch nicht festlegen. Der Grüne Kreisgeschäftsführer Ludger Roters beschreibt den Abwägungsprozess so: &bdquo;Es ist ganz einfach: Jeder Haushalt hat Mülltonnen für die verschiedenen Abfall- beziehungsweise Wertstoffarten. Dorthin gehören die Einwegverpackungen für Essen. Es gibt keinen Grund, dass sie in der Landschaft oder in unseren Straßen weggeworfen werden. Insofern ist eine kommunale Besteuerung dieses Verpackungsmülls nicht notwendig.“ Lesen Sie auch: Mehrwegpflicht für die Gastronomie im Kreis Höxter: Eine Idee für den Müll? Da die Grünen aber durchaus Realisten sind, wissen sie, dass dies ein Idealbild ist. &bdquo;Die Wirklichkeit ist, dass sich von Mitnahmerestaurants aus entlang der Straßen Müllfahnen durch das Land ziehen. Lokal gibt es also Handlungsbedarf“, so Roters. Und deshalb kommt er schließlich doch zu dem Schluss: &bdquo;Eine Besteuerung von Einwegverpackungen könnte dazu beitragen, den Anteil von Mehrwegverpackungen zu steigern und damit die Müllmenge zu verringern.“ Es müsse jedoch vor Ort entschieden werden, wie groß das Problem ist und ob eine solche Steuer ein Teil der Lösung sein könne. SPD fürchtet finanzielle Benachteiligung der Familien Ein klares Nein hingegen kommt von den Sozialdemokraten im Kreis Höxter. &bdquo;Für die SPD im Kreis Höxter gilt: Verpackungsmüll vermeiden! Die Steuereinführung dazu auch“, so Helmut Lensdorf. Der Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes betont zugleich, dass Müllvermeidung wichtig und richtig sei – gerade auch im Sinne des strategischen Ziels &bdquo;Zero Waste“, also &bdquo;kein Müll“, auf das sich der Kreis Höxter geeinigt hat. Allerdings wolle die SPD die Familien nicht zusätzlich belasten. Helmut Lensdorf erläutert auf Anfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“: &bdquo;Manchmal besteht ein spontanes Familienessen aus Pizzen vom Lieferservice. Diese Pizza ist verpackt. Da könnte dann im Monat schnell eine zweistellige Summe Verpackungssteuer zusammenkommen – und das zusätzlich zu Inflation und gestiegenen Kommunalgebühren. Keine gute Idee.“ Eine differenzierte Diskussion über Vermeidungskonzepte sei aber wichtig. Lensdorf weiter: &bdquo;Müll belastet unsere Umwelt und verschandelt unsere Plätze, Wege und Straßen in den Dörfern und Städten. Das will die große Mehrheit der Menschen nicht. Sauberkeit und Naturschutz vermitteln zudem Sicherheit. Dafür setzen sich Menschen ein. Es gilt, diese Motivation zu heben, ohne die engagierten Bürgerinnen und Bürger finanziell zu belasten.“ Die SPD sei deshalb für eine Debatte zur Verpackungsvermeidung verbunden mit geeigneten, sozial verträglichen Konzepten offen. Was der Landrat des Kreises Höxter zur Diskussion sagt Und was sagt schließlich der Höxteraner Landrat Michael Stickeln dazu, der die Zero-Waste-Strategie aus Überzeugung vorantreibt? Passend dazu: Zero-Waste-Region: So will der Kreis Höxter abfallfrei werden Er will sich nicht festlegen und erklärt auch, warum: &bdquo;Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung entscheiden die Städte eigenständig, ob sie eine solche Regelung einführen möchten. Als Landrat steht es mir nicht zu, hier eine Empfehlung abzugeben – auch nicht vor dem Hintergrund unseres Zero-Waste-Konzepts, das wir mit Beteiligung vieler Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Organisationen im vergangenen Jahr erstellt haben“. Auch für ihn ist die Entscheidung eine Frage der individuellen Bewertung, ob eine Verpackungssteuer vor Ort sinnvoll und hilfreich ist. Zum Hintergrund: McDonalds will nicht zahlen Kaffeebecher, Pizzakartons, Plastikbesteck: Wer in Tübingen Speisen und Getränke verkauft, muss auf nicht wiederverwendbare Verpackungen und andere Artikel eine Verpackungssteuer zahlen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden: Die umstrittene Abgabe ist verfassungsgemäß. Damit herrscht nun Rechtssicherheit – auch für andere Städte und Gemeinden. Geklagt gegen die Steuer hatte eine Franchise-Nehmerin von McDonald’s. Der Fast-Food-Konzern bedauert die Entscheidung des obersten deutschen Gerichts und betonte, kommunal individuelle Verpackungssteuern wie in Tübingen seien vor allem für landesweit tätige Unternehmen nicht darstellbar. Sie führten zu überbordender Bürokratie und einer zusätzlichen finanziellen Belastung. Allerdings rechnet die Deutsche Umwelthilfe auch vor, dass McDonald’s als größte Fast-Food-Kette in Deutschland allein 2023 rund 49.000 Tonnen Verpackungsmüll verursacht hat. Die Verpackungssteuer gilt in Tübingen bereits seit dem 1. Januar 2022. Sie wird auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck beim Verkauf von Speisen und Getränken zum Mitnehmen oder für den sofortigen Verzehr erhoben. Dabei ist egal, aus welchem Material die Artikel sind. Der Steuerbetrag beträgt 50 Cent für Einwegverpackungen wie Kaffeebecher, 50 Cent für Einweggeschirr wie Pommesschalen und 20 Cent für Einwegbesteck und zum Beispiel Strohhalme.

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