Krankenschwester aus Kreis Höxter erzählt: Das läuft schief im Gesundheitswesen

Kreis Höxter. &bdquo;Es gibt Dienste, da schaffe ich es nicht mal zwischendurch aus Klo“: Vanessa M. (Name von der Redaktion geändert) ist Mitte 30, wohnt im Kreis Höxter und arbeitet seit 15 Jahren im Gesundheits- und Pflegebereich im Krankenhaus – derzeit in einer Klinik in der Region. Sie erzählt von der Realität auf den Stationen zwischen chronischem Personalmangel und fehlendem Privatleben, weil sie immer öfter ungeplant einspringen und immer öfter an die Grenzen gehen muss. Und darüber hinaus. &bdquo;Erholungszeiten funktionieren nicht“, sagt sie. Private Planungen kann sie häufig vergessen – vor allem, wenn Schichtwechsel unter der Woche anstehen und man von spät (21 Uhr Schluss) auf früh (6 Uhr wieder im Dienst) wechselt und nur vier Stunden Schlaf findet. &bdquo;Viele haben Schlafstörungen, helfen mit Schlafmitteln nach.“ Mal sei so ein Wechsel ja okay, aber dauernd nicht machbar. Auch Personaluntergrenzen könnten ob fehlender Mitarbeiter nicht eingehalten werden und würden nochmals unterschritten. &bdquo;Dabei ist das eigentlich gesetzlich geregelt.“ Doch sechs Nächte am Stück im Intensivbereich für zehn Patienten zuständig zu sein – zu dritt, das gehe an die Substanz. Oder 36 Betten auf der Neurologie – betreut von drei Pflegekräften. &bdquo;Das sind hochgradig pflegebedürftige, schwerkranke Menschen, beispielsweise nach einem Schlaganfall, mit Schluckproblematiken, mit Wesensveränderungen.“ &bdquo;In Akutsituationen sind Sprachdefizite schwierig“ Mitarbeiter würden stattdessen mit komplett anderem Wissensstand beispielsweise aus der Altenpflege kurzfristig oder frisch nach dem Examen geholt und eingesetzt, hätten keine Routine oder seien nicht eingearbeitet an den Gerätschaften einer Intensivstation. Oder hätten sprachlich ein Defizit, weil sie aus dem Ausland geholt wurden, aber viel zu früh ohne die notwendigen Kenntnisse eingesetzt würden. Eingesetzt würden müssen. Und dann in die volle Kopfzahl im Stellenplan einer Station mit einfließen. Schöngerechnet. &bdquo;Ich bin dankbar, dass sie da sind. Aber ich habe keinen Kopf dafür, das während des Dienstes auch noch zu übernehmen“, sagt Vanessa M. Und wenn Begriffe in der Intensivmedizin nur Fragezeichen bei den neuen Kollegen in den Augen verursachen, &bdquo;dann finde ich das höchst bedenklich“. Denn es könne &bdquo;jederzeit aus dem Nichts“ eine lebensbedrohliche Situation entstehen. &bdquo;Und in Akutsituationen sind Sprachdefizite schwierig.“ Sie habe auch Angst, dass ihr selbst nach solchen Nächten im Dauereinsatz was passiert auf der Heimfahrt: &bdquo;Du fährst Auto und hast plötzlich die Augen zu.“ &bdquo;Beifall klatschen hilft unserem Berufsstand nicht“ Es sei ein schleichender Prozess in den vergangenen Jahren gewesen hin zu dieser frustrierenden Situation, erzählt die junge Frau, froh, dass mal jemand offene Ohren für die Probleme des Gesundheitswesens und der Menschen hat, die dieses in Deutschland aufrecht halten. Dass jemand zuhört. Denn: &bdquo;Beifall klatschen wie bei Corona, das hilft uns und unserem Berufsstand nicht“, erklärt die examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und bedauert, dass es keine Gewerkschaft oder einen anderweitigen Zusammenschluss gibt, mit dem man mit einer starken Stimme in die Öffentlichkeit gehen könne: &bdquo;Wir finden kein Gehör.“ Zugespitzt habe sich die Situation. Motto: &bdquo;Sie zahlen für Dich, also hast Du zu funktionieren“, fast sie zusammen. Vor allem in der Notaufnahme seien Kollegen mit Ende 50 fertig. &bdquo;Chronisch überlastet. Ausgebrannt.“ Andere junge Leute kämen erst gar nicht in den Beruf. Zu abschreckend das Ganze für die Generation Z. Dabei, und das betont Vanessa M. ausdrücklich, sei er sinnstiftend wie nur wenige andere Berufe. Deshalb würde sie ihn auch immer wieder wählen. Was sie motiviert? &bdquo;Da ist ein Oberarzt, der setzt sich für die Pflege ein und hilft beispielsweise mit dem schwergewichtigen Patienten am Computertomografen, obwohl er selbst Stress hat. Das ist nicht selbstverständlich. Das ist schön zu sehen.“ Und: &bdquo;Da sind die Kollegen, mit denen ich super zusammenarbeiten und auf die ich mich verlassen kann.“ Und dann sind da die Patienten und ihre Angehörigen, von denen sie im Job viel Dankbarkeit erfahre: &bdquo;Das ist schön und motiviert mich.“ Die Supervision fehlt Was sie sich wünscht für das Gesundheitswesen? &bdquo;Ein vernünftiges Sprachrohr für uns in der Öffentlichkeit, das unsere Anliegen präsent hält und deutlich macht, was uns bewegt“, antwortet Vanessa M. Dienstpläne, &bdquo;die uns Erholungszeiten gönnen“, fügt sie dann an. Dafür müssten Dienstpläne flexibler und verlässlicher werden. Sie weiß, dass das angesichts der Personaldecke schwierig ist, aber auf anderen Stationen in anderen Abteilungen funktioniere das schließlich auch. Und ganz wichtig ist der jungen Frau: die Supervision. &bdquo;Selbst bei der Freiwilligen Feuerwehr gibt es das nach Einsätzen – und das ist richtig. Aber wir haben das nicht.“ Dabei hätten sie in der Corona-Zeit auch täglich Leichensäcke aufgepackt, mit fehlendem Material und Schutzkleidung zu kämpfen gehabt. &bdquo;Gerade wenn junge Leute sterben, ist das sehr belastend. Hätte ich meine Kollegen, meine Mutter, Familie oder Freunde nicht. . . Aber Supervision gilt als zu teuer. Dabei haben wir Gesprächsbedarf.“ Menschen im Gesundheitswesen hätten einen sehr sozialen Charakter, seien sich der Verantwortung ihrer Tätigkeit bewusst und würden sich auf Leitungsstrukturen verlassen. Aber: Sie wollten mit dieser Einstellung nicht ausgenutzt werden. &bdquo;Personal wird immer weniger, Arbeitsbelastung und Krankenstand immer höher.“ Vanessa M. möchte gern mal nach Australien. Ein Lebenstraum. Den, sagt sie enttäuscht, kann sie derzeit nicht in den beruflichen Alltag integrieren. Denn dafür bräuchte sie mal drei Wochen Urlaub am Stück. Und das, sagt sie enttäuscht, ist derzeit nicht drin. &bdquo;Maximal zwei.“

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