Die Kandidaten: Alina Wolf will für die Linke für Aufstiegschancen kämpfen

Kreis Höxter. Es sieht nach Regen aus: Eine dunkle Wolke dehnt sich am Horizont aus, wie ein Luftballon, der direkt an einer offenen Heliumflasche hängt. Ein Herbsttag Anfang September. Ihren Opel Corsa parkt sie auf dem Waldparkplatz Rodeneckturm. Alina Wolf, 27, hat einen Schirm und ihren Hund Lucky mitgebracht, im Gesicht trägt sie ein offenes Lächeln, dazu grauen Pullover mit Rollkragen, graue Jenas im Used-Look, Turnschuhe. Für die Bundestagskandidatin im Wahlkreis Höxter – Gütersloh III – Lippe II war sofort klar, dass sie sich irgendwo draußen treffen möchte, in der Natur. Das gefällt auch Hund Lucky offenbar ziemlich gut. Das Tier tollt über den Parkplatz, Wolf streichelt ihm zärtlich über den Kopf. Dann geht es los. 1,7 Kilometer, ziemlich steil bergauf in den Wald, Kies knarrzt zu Beginn bei jedem Schritt. &bdquo;Auf jeden Fall" sei sie oft mit ihrem Hund draußen, &bdquo;wenn es nicht gerade regnet". Lucky geht vornweg nach oben. Wolf ist Kreisvorsitzende der Partei &bdquo;Die Linke" in Paderborn, dort war sie bei der Kommunalwahl 2020 als Landratskandidatin angetreten. 2017 kandidierte sie für die Partei im Kreis Paderborn sogar schon für den Landtag. Nun Höxter. &bdquo;Ich bin auch öfter hier – und unterstütze den Kreisverband ein wenig", sagt sie – und lacht ein glockenhelles Lachen. Als es um die Direktkandidatur gegangen sei, habe sie sofort gesagt, dass sie bereitstehe – mit Kandidaturen hat die studierte Wirtschaftspädagogin mittlerweile immerhin einige Erfahrung. Für die Partei &bdquo;Die Linke" engagiert sich die heute in Bielefeld lebende Wolf, nachdem sie 2015 durch die Flüchtlingskrise politisiert worden sei. Zuwanderung ist ein großes Thema für sie, sagt sie, nachdem sie damals in einer Notunterkunft in Paderborn gearbeitet habe und Erfahrungen sammeln konnte, habe die Linke für sie das überzeugendste Konzept in Sachen Zuwanderung gehabt, betont sie. &bdquo;Ich habe das alles so live mitbekommen, wie die Umstände waren, welche Einzelschicksale es gab." Mittlerweile seien etliche Themen dazugekommen. Ihr am wichtigsten seien heute die Bildungsgerechtigkeit und der Klimaschutz. Lucky schaut aufmerksam in den Wald. An einem Schild gabelt sich der Weg. Kurzer Blick nach links und rechts. &bdquo;Es geht weiter hoch, glaube ich." Beim Thema Bildung hapere es zu häufig daran, dass der Bildungsfortschritt zu stark von der sozialen Herkunft, also vom Elternhaus, abhängig sei. Die Differenzierung nach der Grundschule hält sie für falsch, sagt sie, Lernen solle an der Schule stattfinden, findet sie – und nicht ins Elternhaus oder in Nachhilfestunden verlegt werden. Am Rodeneckturm bleibt Wolf kurz stehen, spricht über ihre Arbeit, bei der sie Schülern dabei hilft, eine Ausbildungsstelle zu bekommen und sie am Anfang der Lehre begleitet. Sie selbst stamme aus einem Elternhaus, in dem es nicht normal gewesen sei, dass eine akademische Laufbahn eingeschlagen werde, dieser soziale Aufsteig, ist sie überzeugt, werde durch die gesellschaftlichen Bedingungen erschwert. Links öffnet sich der Blick gerade ein wenig, die Bäume geben den Blick frei nach unten, auf die Stadt, die Weser und auf das Weserbergland. &bdquo;Ich bin den Weg schon zwei oder drei Mal gegangen", sagt Wolf. Hund Lucky trabt die ganze Zeit brav neben der Kandidatin her. Ausdauernd. Obwohl er ein Handicap hat. Ungefähr die Hälfte des Weges ist jetzt geschafft. Zum Autoverzicht bereit Wolf sagt, sie wolle sich für die Mobilitätswende, eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und für autofreie Innenstädte einsetzen, &bdquo;ich wäre auch bereit, aufs Auto so oft wie möglich zu verzichten. Ich nutze schon jetzt oft den Bus oder die Bahn." Aktuell sei es aber schwer umsetzbar, sich allein auf den ÖPNV zu verlassen, gerade auf dem Land. &bdquo;Ich sage nicht, dass man Autos komplett abschaffen muss, das wäre ja auch quatsch. Aber es muss mehr Alternativen geben." An ihrem Arbeitsplatz in Bielefeld klappe es schon ganz gut mit dem Verzicht aufs Auto, weil dort der Nahverkehr wesentlich besser ausgebaut sei. Die Wolken hängen, der Weg bleibt steil, jetzt kommt auch ein wenig wind dazu. Dann muss Lucky mal. Die Kandidatin holt einen Hundekotbeutel hervor, nimmt mit der Innenseite des Beutels die Hinterlassenschaften auf und lässt sie im Plastik verschwinden. Die Wolken hängen noch dicht am Himmel. Wolf hofft, dass ihre Schüler alle einen Ausbildungsplatz finden, bei vielen habe sich Corona auch auf die Noten ausgewirkt, vielfach seien Lehrer an der Belastungsgrenze, sie hofft, dass die Unternehmen auch jenen eine Chance geben, die nicht perfekte Noten in jedem Fach haben. Die Rabenklippen kommen jetzt schon in Sichtweite. Oben auf 295 Metern pfeift der Wind, die Luft ist klar und der Blick geht weit in die Landschaft. Unten ist die Weser zu sehen, der Godelheimer See, offenes Land. &bdquo;Sehr schön." Bereits im Jahr 1930 wurden Flora und Fauna der Rabenklippen als schutzwürdig eingestuft. Der Ziegenberg ist Heimat für eine Reihe von seltenen Pflanzenarten, die teils einzigartig in Nordrhein-Westfalen sind. &bdquo;Ich habe ihn von einem Tierschutzverein erhalten. Er kommt aus der Türkei, hatte eine schwere Verletzung." Wolf pflegte das Tier, mittlerweile kann der Rüde wieder laufen, stößt bei allzu langen Touren allerdings an seine Grenzen – dieser Ausflug ist für ihn allerdings eher ein Spaziergang, trotz der großen Steigung auf dem Hinweg. Nach einem Blick nach unten führt der Weg zurück ins Tal. Nato ist eine Frage der Koalition Und Wolf spricht über die Linke als möglichen Koalitionspartner. &bdquo;Natürlich ist ein Sicherheitsbündnis wichtig. Aber wir sollten an einem Bündnis arbeiten, in das Russland eingebunden ist", meint sie. Die Frage nach der Koalitionsfähigkeit der Linkspartei wird immer wieder an der Frage festgemacht, ob und wie sie sich zum Verbleib der Bundesrepublik in der Nato verhalten würde. Gäbe es von der Linken ein Bekenntnis zur Nato? &bdquo;Natürlich ist ein Sicherheitsbündnis wichtig – wenngleich wir denken, dass die Nato etwas überholt ist." Die von der Linken als Ziel formulierte Entwicklung eines neuen europäischen Verteidigungsbündnisses mit Russland sei ein langfristiges Ziel, dessen Umsetzung dauerhaft angelegt sei. &bdquo;Ein unüberlegter Austritt aus der Nato ohne Alternative ist natürlich nicht das, was wir wollen." Sie sieht allerdings schon Sympathien für die SPD-Parteivorsitzenden, auch im Programm kann sie Schnittmengen erkennen – auch die Grünen kann sich Wolf als möglicher Koalitionspartner vorstellen. Während Corona sei sie Teile es Herrmannswegs gegangen, &bdquo;ich bin drei Etappen gegangen, Lucky schafft bis zu vier Stunden, dann bekommt er Probleme mit dem Bein", sagt sie, das habe ihr großen Spaß gemacht. Wolf ist Vegetarierin, und der Algorithmus bei Amazon und Co. schlägt ihr immer vor, &bdquo;ihren Hund vegan zu ernähren", sagt sie. Das wäre sicherlich gut für seine Ökobilanz, räumt sie ein, &bdquo;allerdings nicht so gut für seine Gesundheit". Die 27-Jährige macht sich oft Gedanken darüber, wie sie als Einzelne dazu beitragen kann, dass sie das Klima so wenig wie möglich beeinträchtigt. Auf das Auto könne sie aber, gerade auf dem Land im Kreis Höxter, meist nicht verzichten. Mittlerweile ist unten die Straße zu sehen, die zum Parkplatz führt. Auch das wäre eine Sache, die sie gern geändert wüsste: dass auf dem Land der öffentliche Personennahverkehr nicht wirklich eine Alternative zum Auto ist. Nicht nur, aber eben auch mit Blick auf den Klimawandel – generell nutze die 27-Jährige aber gern Bus und Bahn. Urlaub in Europa Wolf lobt die Partei &bdquo;Die Linke" dafür, dass auch junge Mitglieder sofort die Möglichkeit bekommen, mitzugestalten. &bdquo;Es ist nicht so hierarchisch, jeder kann reden, klar, es ist eine wilde Debattenkultur, aber ich mag das auch." Hund Lucky schaut in die Kamera, während der Auslöser klickt, schaut das Tier weg. Wolf lacht ihr helles Lachen. Und dann spricht sie über das geplante Atommüll-Zwischenlager in Würgassen. &bdquo;Ich kann die Kritik der Anwohner da total verstehen", sagt sie. Sie fände den Bau &bdquo;nicht unterstützenswert", und sie könne auch die Sinnhaftigkeit der Einrichtung nicht erkennen. Ein paar Schritte sind es noch nach unten. Wolf redet über ihren Urlaub, den sie am liebsten im europäischen Ausland verbringt. Dann steht sie wieder vor ihrem Opel Corsa – zuerst hopst Lucky rein. Während der gesamten Wanderung, 1,7 Kilometer rauf und 1,7 Kilometer wieder runter, ist es trocken geblieben. Kein Tropfen Regen fiel während dieser guten Stunde Marsch nach oben in die Vertikale – obwohl die Wolken weiterhin sehr dicht und tief am Himmel hängen.

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