Kreis Höxter. Der 3. Oktober 1990 geht als Tag der Deutschen Einheit in die Geschichtsbücher ein. Als Symbol der Wiedervereinigung und Freundschaft gingen auch die Städte im Kreis Höxter Partnerschaften im Osten Deutschlands ein. Aber was ist vom städtischen Zusammenhalt noch übrig geblieben? Die Neue Westfälischen fragte nach.
BAD DRIBURG
"Nach dem Mauerfall gab es eine Initiative im Kreis, der alle Städte und Gemeinden dazu aufgefordert hatte, Kontakt zu Städten im Osten aufzunehmen. Das ist damals auch von uns so aufgegriffen worden", erinnert sich Uwe Schwager, Hauptamtsleiter der Stadt Bad Driburg. Seit dem 9. Juli 1990 hätte man daher die Gemeinde Uebigau-Wahrenbrück im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg unterstützt. Laut Schwager zeichnete sich die Partnerschaft zunächst durch den Aufbau einer Verwaltung aus. Mit der Zeit hätte man die Freundschaft aber "gelebt". Vor allem die beiden Bürgermeister der Städte hätten den Kontakt jahrelang gepflegt. "Auf Dauer ist das natürlich etwas weniger geworden, aber nie ganz eingeschlafen. Das ist den vielen Jahren geschuldet", erklärt Schwager.Warburg
In Warburg ist das anders: Mit gleich zwei Partnerstädten besteht nach Angaben von Jörn Becker von der Stadt noch reger Kontakt. Delegationen aus Falkenberg und Luckau würden regelmäßig nach Warburg reisen. "Zur Oktoberwoche schickt Falkenberg jetzt eine sechsköpfige Truppe her. Luckau schafft es dieses Jahr leider nicht", so Becker. Die Gemeinschaft werde sowohl politisch als auch freundschaftlich gepflegt. Die Feuerwehren beider Städte träfen sich jedes Jahr mindestens ein Mal. "Das ist eine über Jahrzehnte gewachsene Freundschaft, um Erfahrungen auszutauschen", sagt Becker. Letztendlich würden beide Ortschaften vom gemeinsamen Gedankenaustausch profitieren. Für das kommende Jahr organisiert die Stadt Warburg bereits eine Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft: "Da besuchen wir Falkenberg. Aber auch die Falkenberger Tanzmäuse kommen nach Warburg zum Kälkenfest. Da tanzen drei Generationen. Das sind immerhin 50 Personen, die kommen."BOFFZEN
"Villers-sur-Mer in Frankreich ist unsere Partnerstadt. Nachterstedt war es um die Wende herum. Das existiert schon lange nicht mehr", erzählt Martina Völker, Verwaltungsvertreterin der Gemeinde Boffzen. Zuletzt sei 2006 eine Abordnung Nachterstedts zur 1.150-Jahr-Feier nach Boffzen gekommen. Seitdem gebe es keine Verbindung mehr. "Damals kam eine kleine Delegation", erklärt Völker. Lediglich die Feuerwehr Meinbrexen habe den Kontakt zum Ortsteil der Stadt Seeland in Sachsen-Anhalt gehalten.Marienmünster
Auch die Städtepartnerschaft zwischen Marienmünster und Schönewalde war darauf ausgerichtete gewesen, dass Aufbau- und Verwaltungshilfe geleistet wird, erklärt Josef Suermann, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters von Marienmünster. Die Kleinstadt im heutigen Landkreis Elbe-Elster im Süden Brandenburgs sei Marienmünster 1991 zugeordnet worden. "Aber heute stehen die auf eigenen Füßen. Nur in den ersten Jahren gab es regelmäßige Treffen. Da haben wir zum Beispiel Haushaltspläne aufgestellt", erinnert sich Surmann. Im Laufe der Jahre sei die Städtepartnerschaft eingeschlafen und habe sich vorwiegend in den nicht öffentlichen Bereich verlagert. "Es bestehen noch Freundschaften zwischen den Feuerwehren und den Schützen. Aber offizielle Treffen auf politischer Ebene gibt es nicht mehr."BRAKEL
In Brakel muss zunächst die Archivakte von Andreas Oesselke, Abteilungsleiter Organisation, herangetragen werden, um etwas über die Partnerschaft zu Zirkow auf der Insel Rügen sagen zu können. Demnach besteht die Städtepartnerschaft seit dem 1. Februar 1991. Die Stadt Brakel habe Zirkow Anfang der 90er Hilfestellung zum Aufbau von Strukturen geleistet. "Insbesondere nach der Wiedervereinigung waren wir dort tätig. Die Partnerschaft ergab sich durch Arbeitsbesuche auf Ebene der Verwaltung", erzählt Oesselke. Zwar habe es gegenseitige Besuche gegeben, diese seien über die Jahre aber weniger geworden und letztlich ganz erloschen. "Das muss um die Jahrtausendwende gewesen sein", sagt Oesselke. Mittlerweile bestehe der Kontakt nur noch formell. Die Bürgermeister beider Städte würden lediglich "eine Art Brieffreundschaft" pflegen. Dazu hätten bis etwa 1995 die Vereine und Feuerwehren regelmäßig die Partnerstädte besucht.BEVERUNGEN
Auch Beverungen ist laut Norbert Villmer, stellvertretender Leiter des Haupt- und Personalamts der Stadt Beverungen, im Zuge der Aufbauhilfe eine Städtefreundschaft mit Alsleben an der Saale eingegangen. Aber: "Den Kontakt gibt es schon lange nicht mehr. Die Aufbauhilfe war abgeschlossen, die Partnerschaft hat sich quasi aufgelöst", erzählt Villmer. Damals habe man über zwei bis drei Jahre vorwiegend mit Sachgegenständen, wie Schreibmaschinen, ausgeholfen. Dazu habe man sich gegenseitig zu festlichen Veranstaltungen besucht. Mitte der 90er Jahre sei der Kontakt dann aber vollständig abgebrochen.BORGENTREICH
Der Moienmarkt im brandenburgischen Schlieben sei jahrelang der Treffpunkt zwischen den Bürgern Ost und West gewesen, sagt Uwe Herbold, Hauptamtsleiter in Borgentreich. In den vergangenen Jahren sei aber das Interesse am Besuch geschwunden. Zwischen den Bürgermeistern und beiden Städte beständen regelmäßige Kontakte. "Nach der Wende haben die Stadtverwaltungen sehr schnell sehr gut zusammengearbeitet."Kommentar: Vertane Chance
Manchmal ist die Recherche zu einem Artikel genauso interessant wie das Ergebnis. Und ernüchternd. So wie die Nachfragen der Neuen Westfälischen bei den Städten bezüglich der Partnerschaften zu ostdeutschen Kommunen.
Beispiel Brakel: Hier konnte sich die Verwaltung gar nicht mehr daran erinnern, einer Gemeinde jenseits der Elbe besonders verbunden zu sein. Dabei wird die Partnerschaft, die 1990 in der Euphorie der Wendezeit entstand, auf der Stadthomepage gewürdigt. Doch die Beziehung ist eingeschlafen und in Vergessenheit geraten. Nicht viel anders sieht es in Beverungen und Marienmünster aus. In der kleinsten Kommune des Kreises hat der Rat im vergangenen Jahr auf Initiative von Elmar Stricker immerhin darüber geredet, die Verbindung mit Schönewalde in Brandenburg wieder aufleben zu lassen. Damals vereinbarten die Ratsvertreter, darüber nachzudenken. Offenbar ist ihnen dabei nicht viel eingefallen.
Die Städtepartnerschaften nicht zu pflegen, ist eine vertane Chance, sich besser verstehen und auch schätzen zu lernen. Denn auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung sind Mentalitätsunterschiede zu spüren – und sie werden wieder größer. Als Beispiel sei nur die um vieles größere Angst im Osten vor dem Fremden genannt. Es wird, so spüre ich das, inzwischen wieder sehr viel mehr mit dem Finger aufeinander gezeigt, als aufeinander zugegangen und miteinander geredet. Aber nur so kann man voneinander das Gute lernen. Das hat 1990 besser geklappt. Der 3. Oktober ist ein guter Tag, sich daran zu erinnern und einen neuen Schritt zu wagen.
david.schellenberg@nw.de