Die Bilanz der Schlammlawine bei Brakel

Brakel-Erkeln. Das Datum 15. Oktober 2019 wird sich in das Gedächtnis der Erkelner einbrennen. An diesem Abend rollte eine Schlammlawine durch das Brakeler Dorf. Welche Lehren aus der Katastrophe gezogen werden müssen, diese Frage beschäftigt die Bewohner – natürlich auch Raimund Giefers. &bdquo;Ich sage im Rückblick immer: An diesem Tag sind Autos durch Erkeln geschwommen. Das hat es noch nie gegeben", sagt der Bezirksausschussvorsitzende. Wie alle hofft er, dass sich so ein Unwetter nicht wiederholt. Aber: Die Stadt Brakel und die Erkelner wollen vorbeugen. &bdquo;Es sind viele kleine Maßnahmen nötig, um die Folgen eines solchen Starkregens zu minimieren", betont der CDU-Ratsherr. Deswegen hat er schon mehrfach mit den Verantwortlichen bei der Stadt, mit Bauern und mit Vertretern der Landwirtschaftskammer zusammengesessen. Was getan werden soll Es gibt auch schon erste Ansätze: Die Landwirtschaftskammer habe angekündigt, mit jedem einzelnen Landwirt Gespräche führen zu wollen. Zum Beispiel über die Möglichkeit, Grün- oder Blühstreifen anzulegen. Dafür gibt es Förderprogramme. Denn Vegetation und die Wurzeln würden das Wasser bei einem erneuten Unwetter zwar nicht aufhalten, aber abbremsen. In den Nachbereitungsgesprächen wurde auch angesprochen, dass in der Vergangenheit viele Wiesen umgebrochen und in Ackerland verwandelt wurden – mit fatalen Folgen. Giefers kann sich als vorbeugende Maßnahme auch ein weiteres Regenrückhaltebecken im &bdquo;Rheder Tal" vorstellen. Da gebe es bei einer Scheune schon eine geeignete Senke, wo sich das ohne allzu großen Kostenaufwand realisieren lasse. Und eine städtische Freifläche neben dem Friedhof könnte eventuell genutzt werden, um eine Ableitung zu schaffen. Die Katastrophe in Zahlen Experten haben ausgerechnet, dass in der Unglücksnacht weit über 20.000 Liter Wasser pro Sekunde durchs Dorf schossen und die Erde von den frisch eingesäten Feldern ringsum mitrissen. &bdquo;Das Wasser kam von allen Seiten, das kann das Dorf einfach nicht verkraften", betont Raimund Giefers. Das Problem sei die Tallage Erkelns, wie Drohnenflüge ergeben haben. Wie in einem Trichter sammelte sich der Regen im Dorf. Das habe die Analyse der Erosions- und Fließwege gezeigt. Allein über den Vogelsang-Bach strömten in der Nacht etwa 150 Millionen Liter Wasser nach Erkeln, hat Christof Münstermann, technischer Betriebsleiter beim Brakeler Wasserwerk, ausgerechnet. An der Brakeler Kläranlage wurden an dem Abend 35 Millimeter Niederschlag gemessen. Schätzungen zufolge müssen in Erkeln zwischen 40 und 50 Liter runtergekommen sein – etwa die Hälfte davon binnen zehn Minuten. Rückhaltebecken vollgelaufen Sekundenschnell war das Rückhaltebecken vollgelaufen, der Pegel der Nethe wurde um einen halben Meter angehoben. &bdquo;Das Hochwasser war etwa doppelt so hoch wie das, was wir hier sonst maximal kennen", betont Raimund Giefers. Man geht davon aus, dass die Welle zwischen 80 Zentimetern und einen Meter hoch war. Insgesamt seien 50 Keller in Erkeln geflutet worden. &bdquo;Das ist etwa ein Viertel des gesamten Dorfes, manche Keller waren voll bis zur Decke. Fast überall waren die Heizungen kaputt", erinnert sich der Ortsvorsteher. Tausende von Euros Schaden mussten die Haushalte verkraften – die meisten haben keine Elementarschadenversicherung. Auch das Dorfgemeinschaftshaus war betroffen. Und alles war bedeckt mit einer dicken Schicht aus Schlamm. Eine Woche lang war in Erkeln Schaufeln angesagt. Einsatzkräfte am Limit Für die Brakeler Feuerwehr war es die arbeitsreichste Woche in ihrer Geschichte. Quasi im Minutentakt musste Wehrführer Sven Heinemann am 15. Oktober die Löschgruppen alarmieren – gab es doch neben Erkeln, Beller und Hembsen noch weiter Hochwasser-Einsätze in Siddessen, Gehrden und Bellersen. Allein in Erkeln waren an fünf Tagen hintereinander mehr als 470 Feuerwehrleute im Einsatz – die meisten am Tag gleich nach der Welle. Binnen einer Woche wurden weit über 4.000 Einsatzstunden geleistet. &bdquo;Das sind 80 oder 90 Prozent dessen, was die Brakeler Feuerwehr sonst im ganzen Jahr an Einsatzstunden hat", berichtet Raimund Giefers. Die Kläranlage in Hembsen wurde durch die Wassermassen schwer beschädigt. Sie lief über und wurde vom Schlamm völlig verstopft. Doch sie hat ohnehin bald ausgedient. Eine neue Leitung nach Brakel soll demnächst die Entwässerung übernehmen. Stadt handelt beherzt Was die Schlammmassen in Erkeln betrifft, handelte die Stadt Brakel beherzt und ließ pausenlos die Erde abtransportieren. 800 Kubikmeter sollen in Deponien gelandet sein. 50 Container mit zerstörtem Hausrat fielen an, sieben Spezialfahrzeuge saugten und pumpten tagelang die Keller leer. Stand Anfang Dezember war der Schlamm immer noch nicht vollständig aus der öffentlichen Kanalisation entfernt. Bis dahin waren allein 250 Stunden Spülarbeiten angefallen, hat Alexander Frewer, zuständiger Ingenieur bei der Stadt Brakel, zusammengetragen. Noch immer sieht man unter den Kanaldeckeln Schlamm, manchmal sprießt dort auch schon der Weizen, der von den Feldern gespült wurde. &bdquo;Kartoffeln sind jede Menge durchs Dorf geflossen. Die Vorräte aus den Kellern. Mal sehen, ob die nächsten Frühling irgendwo in den Gärten wachsen", kommentiert Feuerwehrmann Maximilian Kleibrink schmunzelnd. Die Kosten der Schlammlawine Die Hochwasser-Hilfe bedeutete einen immensen finanziellen Aufwand für die Stadt Brakel: &bdquo;Wir sind deutlich im sechsstelligen Bereich, was die Kosten angeht", sagt der Bezirksausschussvorsitzende. Im Rathaus geben es Überlegungen, dafür einen Fond bei der Bezirksregierung anzuzapfen. Die Vereinigte Volksbank spendete jetzt 1.000 Euro an die Erkelner. &bdquo;Wir werden das Geld für die Renovierungsarbeiten an der Gemeindehalle verwenden", so Raimund Giefers. Alle Erkelner Vereine gemeinsam planen übrigens für den 17. Mai eine große Helferfete. Ein Frühschoppen soll es werden – für die Erkelner und für die auswärtigen Helfer. &bdquo;Wir wollen uns damit bei den Leuten aus nah und fern bedanken, die hier mit angepackt haben", kündigte Giefers an.

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