Gutachten zu Würgassen: Kein Atommüll-Bereitstellungslager notwendig

Beverungen-Würgassen/Hannover/Kreis Höxter. Eine Logistikstudie kommt zu dem Schluss, dass das geplante Atommüll-Lager in Würgassen überflüssig ist. Das hat der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies am Donnerstagnachmittag dem Umweltausschuss im Hannoveraner Landtag mitgeteilt. Zentrales Ergebnis der Expertise, die von den Ländern NRW und Niedersachsen gemeinsam in Auftrag gegeben worden war: Das Endlager Konrad in Salzgitter kann ohne ein Bereitstellungslager betrieben werden. Die Gutachter hätten die Logistikketten mit und ohne Logistikzentrum hinsichtlich der Transportstrecken, der Strahlenbelastung und bezüglich des Zeitaufwands betrachtet. Die Studie liege aktuell erst im Entwurf vor, teilte Lies den Abgeordneten mit. Jetzt soll sie noch nachbearbeitet und Mitte Juli dann offiziell veröffentlicht werden. Erst im August könne man die Studie bewerten. Lies verkündete das vorläufige Ergebnis also vorab – in einer Sondersitzung am letzten Tag vor der Sommerpause. Damit haben die Gegner der geplanten Atommüll-Drehscheibe in Würgassen jetzt wohl ein Ass im Ärmel, das stechen könnte. Unermüdlich hatten sie kritisiert, dass die Notwendigkeit eines solchen Logistikzentrums nie wissenschaftlich nachgewiesen worden sei. Der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss für das Endlager Konrad habe ein vorgeschaltetes Bereitstellungslager auch gar nicht vorgesehen, sondern nur eine &bdquo;begrenzte Pufferlagerung am Standort“ in Salzgitter, erklärte Minister Lies im Ausschuss. Erst im Jahr 2018 sei das Bereitstellungslager ins Spiel gekommen und dann auch in den Koalitionsverträgen festgeschrieben worden. Der Faktor Zeit mitentscheidend Die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung als Bauherrin hatte stets betont, dass nur mit einem solchen Bereitstellungslager eine passgenaue &bdquo;just-in-time“ Belieferung von Schacht Konrad möglich sein. Ihr Plan: Aus den mehr als 20 in ganz Deutschland verteilten Zwischenlagern sollte der verpackte strahlende Müll zuerst nach Würgassen gebracht, wo die Gebinde dann so zusammengestellt werden sollten, dass Konrad kontinuierlich im Zwei-Schicht-Betrieb beschickt werden könne. Sprich: Es sollte durch das Bereitstellungslager wesentlich schneller gehen, den atomaren schwach- und mittelradioaktiven Abfall unter die Erde zu bekommen. Die Rede war von zehn Jahren Zeitgewinn. &bdquo;Der Bund hat sich damit positioniert und das Kriterium Betriebsdauer des Endlagers Schacht Konrad als maßgebliche Entscheidungsgrundlage herangezogen“, sagte Lies. Der Faktor Zeit war damit der alles entscheidende. Genau da setzt offenbar das Logistikgutachten an, das vom TÜV Nord erstellt worden ist. Mit der vielfach kritisierten Standortfindung für das Bereitstellungslager haben sich die Gutachter dagegen nicht beschäftigt. Es ging also nicht um die Frage, ob es richtig war, dass die Wahl auf Würgassen fiel. Es ging nur um die Frage, ob der Umweg über ein zentrales Bereitstellungslager Sinn macht. Bereits im Januar hatte der Holzmindener Landtagsabgeordnete Uwe Schünemann (CDU) ein solches Logistikgutachten eingefordert. &bdquo;Ich habe das Ergebnis erwartet“, so seine erste Reaktion. Sobald das Gutachten in Gänze vorliege, müsse die Bundesregierung die Planungen für das Bereitstellungslager in Würgassen stoppen. Es habe viel Überzeugungsarbeit gekostet, bis das Gutachten auf den Weg gebracht wurde. Auch die Kollegen auf nordrhein-westfälischer Seite hatten den Druck erhöht: &bdquo;Es ist den Abgeordneten der Region zu verdanken, dass das Gutachten von beiden Landesregierungen gemeinsam in Auftrag gegeben wurde“, betont der Bad Driburger Landtagsabgeordnete Matthias Goeken, ebenfalls CDU. Unmut in Düsseldorf über Alleingang Er sei froh über das Ergebnis. &bdquo;Das heißt aber noch nichts, die Entscheidung fällt in Berlin. Aber wir sind auf dem richtigen Weg“, dämpft der Düsseldorfer Abgeordnete die Erwartungen. Er rechnet nicht damit, dass die Bundesregierung sich vor der Niedersachsen-Wahl im Herbst zum Thema Würgassen positioniert. &bdquo;Vorher wird in Berlin keine Entscheidung fallen“, ist sich Goeken sicher. Das grün geführte Umweltministerium der Ampel hatte zuletzt betont, man wolle das Ergebnis des Logistik-Gutachtens abwarten. In Düsseldorf habe es für Unmut gesorgt, dass Lies das Ergebnis der Studie im Alleingang verkündete: &bdquo;Wir sind darüber sehr ungehalten, das hätte abgestimmt und gemeinsam erfolgen müssen“, kritisierte Goeken das Vorpreschen des niedersächsischen Ministers. Die neue nordrhein-westfälische Landesregierung sei schließlich gerade erst im Amt und habe das Papier erst am Donnerstag erhalten. &bdquo;Wir werden das in Ruhe prüfen und uns damit auseinandersetzen.“ Bei 150 Seiten dauere das seine Zeit. &bdquo;Man muss schauen, ob das Gutachten dem Auftrag entspricht oder eventuell noch nachgebessert werden muss“, sagte Goeken. Auch die Lagergegner sind bereits aus erster Hand informiert: Dirk Wilhelm war als Vertreter der Bürgerinitiative &bdquo;Atomfreies Dreiländereck“ bei der öffentlichen Sitzung des Umweltausschusses in Hannover als Zuhörer vor Ort.

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