Beverungen

Großprediger gegen den Kapitalismus

Volker Pispers erklärt 950 politisch interessierten Stadthallenbesuchern den Fehler im System

Der Kabarettist Volker Pispers machte sich in der Beverunger Stadthalle seine ganz eigenen Gedanken zum Jahrestag des Mauerfalls, der bald ansteht. | © FOTO: BURKHARD BATTRAN

01.11.2014 | 01.11.2014, 12:30

Beverungen. Nach den geringen Wahlbeteiligungen in diesem Jahr wurde viel über Politikverdrossenheit diskutiert. Von Politikverdrossenheit war am Mittwochabend in der ausverkauften Beverunger Stadthalle nichts zu spüren. 950 politisch interessierte Menschen waren zur Kulturgemeinschaft gepilgert, um den Großprediger des politischen Kabaretts zu erleben.

"Da haben die Menschen ihr Leben riskiert, um frei wählen zu können und jetzt gehen sie nicht mal mehr hin", konstatierte Kabarettist Volker Pispers (56) die geringe Beteiligung bei den Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen. Aber der Düsseldorfer Politsatiriker kannte die Antwort. "Eine Wahl bedeutet, aus mehreren Alternativen auswählen zu können, aber CDU, SPD, Grüne, Linke FDP und AfD stehen alle für dieselbe Wirtschaftspolitik. Das ist unterm Strich nicht mehr Demokratie als zur Zeit der SED", so Pispers. Kein gutes Haar ließ Pispers in diesem Jahr an den Grünen. "Wozu brauchen wir die FDP, jetzt besetzen die Grünen die alten neoliberalen Positionen" und setzte noch einen drauf: "Was ist der Unterschied zwischen Cem Özdemir und Philipp Rösler? - Zwanzig Zentimeter."

In diesen Tagen erinnert man sich an den Mauerfall vor 25 Jahren. Auch Pispers hat sich dazu seine ganz eigenen Gedanken gemacht. "Die Mauer war eine perfekte Membran. Sie ließ die Billigimporte aus dem Osten durch, gleichzeitig mussten wir das Elend auf der anderen Seite nicht mit ansehen. Die DDR war früher unser Niedriglohnsektor", stellte Pispers fest. Heute werden neue Mauern errichtet. "Wir errichten gerade die Festung Europa. Die Mauerschützen von damals werden umgeschult, um in die andere Richtung zu schießen."

Volker Pispers ist keiner, der sich an den albernen Unzulänglichkeiten des politischen Tagesgeschäfts aufreiben müsste. Das überlässt er Oliver Welke und den Kollegen der Heute Show. Pispers hat keinen Unterhaltungs- sondern einen Bildungsauftrag. Er will das Volk aufklären, über den Fehler im System. Das System ist die kapitalistische Marktwirtschaft und der Mechanismus, wie Politik und Medien das System stützen, damit die Reichen auf Kosten der Armen immer reicher werden. "Wenn Sie wissen wollen, wo das hinführt, dann schauen sie nach Amerika. Dort haben wir Kapitalismus im Endstadium. Verglichen mit den dortigen sozialen Verwerfungen sieht die sogenannte sozialistische Misswirtschaft gar nicht so schlecht aus." Ein Kabarettabend mit Volker Pispers ist keine fröhliche Lustveranstaltung und schon gar nicht immer nur zum Lachen. Drei Stunden steht er auf der Bühne. Gänzlich uneitel. Mit seinem grauen Bart und dem bequemen schwarzen Kragenpullover wirkt er wie ein harmloser Berufsschullehrer. Doch der Düsseldorfer ist die schärfste Zunge der Republik. Er braucht keine Requisiten. Ihm genügt das Wort. Selbst der Stehtisch als einziges Mobiliar einer ansonsten vollständig leeren Bühne, dient nur dazu, ein Wasserglas zu tragen, das Pispers am Ende des Auftritts mit einem Schluck austrinkt, um dem Publikum zu sagen: "So Leute, jetzt ist es aber genug."