
Beverungen. Kurt Schwietzke, Reinhard Horst und Werner Rüther sind sich einig, als sie ihren Lieben noch ein letztes Mal zuwinken: "Das wird ein großes Abenteuer." Die drei Freunde wollen mit dem Rad nach St. Petersburg reisen. Auf dem Europa-Radweg "R1", der im Kreis Höxter seinen Ursprung hatte, werden sie über Polen, Litauen, Lettland und Estland bis nach Russland radeln. In 29 Tage wollen sie in Russlands ehemaliger Hauptstadt ankommen. Das macht im Schnitt 100 Kilometer am Tag.
Die Idee für die Tour vom Weltkulturerbe Corvey zum Weltkulturerbe-Ballungsgebiet St. Petersburg entwickelten sie vor gut zwei Jahren. Damals hatte der Beverunger Kurt Schwietzke den westlichen Abschnitt des Europa-Radweges vom französischen Calais bis nach Höxter absolviert, als Training für seine Radtour quer durch den afrikanischen Kontinent (die NW berichtete). Kommen die Radtouristen gesund im Nordwesten von Russland an, dann hätte Schwietzke den kompletten Radweg absolviert.
Über Höxter geht es in Niedersachsen vorbei an Einbeck und Goslar weiter gen Osten. Nach der Lutherstadt Wittenberg nehmen die drei Radfahrer dann Kurs auf Berlin. Die Hauptstadt soll am Freitag durchquert werden.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten radeln die drei Männer zusammen. "Ich glaube, es hat mal mit einer Radtour an Vatertag angefangen. Dann wurde es über die Jahre immer mehr und intensiver", berichtet Werner Rüther, der lange Jahre am Gymnasium Beverungen unterrichtete und nun am Reismann Gymnasium in Paderborn tätig ist. Deswegen kann er auch nur ein Drittel der Tour bestreiten, denn dann enden für ihn die Sommerferien. Auch Schwietzke und Horst sind Lehrer, allerdings im Seniorenalter. Der eine in Altersteilzeit, der andere bereits pensioniert. Alle drei sind dem Sport verfallen, besonders dem Radfahren.
"Es ist schade, dass Werner uns nicht bis nach St. Petersburg begleiten kann", betont Schwietzke. Neben der moralischen Unterstützung spricht Rüther auch russisch. Ein Aspekt, der im Baltikum und natürlich in Russland einiges vereinfachen könnten. Aber auch so sind Reinhard Horst und Kurt Schwietzke guter Dinge, nicht nur wegen des Buchs "Russisch-Schnellkurs" im Gepäck.
Die Tour ist seit Monaten gut durchgeplant. Im Frühjahr absolvierten die beiden auch ein knapp 900 Kilometer langes Trainingsprogramm in Portugal. Zudem nahmen sie an einem Radlertreffen in Wittenberg teil, bei dem es nur um den Europa-Radweg ging. "Dort haben wir wichtige Infos erhalten und auch Tipps für interessante Nebenstrecken bekommen", sagt Reinhard Horst.
Die Etappen hat Reinhard Horst, der in Derental wohnt, nur grob geplant. Gegen Mittag werden wir jeden Tag entscheiden, wo das nächste Etappenziel liegen soll. Erst dann werden wir uns auch um das Nachtquartier kümmern", sagt Horst.
Bürokratischer Aufwand war es vor allem, das Visum für Russland zu erhalten. "Wir brauchen sogar zwei", erläutert Schwietzke. Denn nach Polen werden die Pedaleure die russische Exklave Kaliningrad passieren, ehe das Baltikum bereist werden kann.
"Wir sind sehr gespannt auf die Landschaften und die Menschen", sagen die drei unternehmungslustigen Pädagogen. "Mit dem Rad kann man perfekt andere Länder kennenlernen. Man ist schneller als beim Wandern und kann anders als beim Autofahren die Landschaft mit allen Sinnen genießen", sagt Schwietzke. Deswegen haben sie sich auch fünf Wochen für die Tour Zeit genommen, um spontan anhalten zu können, um Menschen und Orte kennenzulernen.
Fest eingeplant ist ein Abstecher zur Festung Marienburg (nahe Danzig), der größte Backsteinbau Europas, errichtet vom Deutschen Orden im 13. und 14. Jahrhundert. Auch in der lettischen Hauptstadt Riga, der Kulturhauptstadt Europas 2014, wird angehalten. Aber ein zu langes Bummeln ist nicht drin, denn der Flieger ist für den 7. September gebucht. Und etwas Zeit wollen die ehemaligen Sportlehrer noch haben, um Russlands kulturelle Perle, St. Petersburg, zu erkunden. Die komplette historische Innenstadt, mit 2.300 geschützten Gebäuden, ist Weltkulturerbe der Unesco.
In ihrem Internetblog werden die Radfahrer über ihre Erlebnisse auf der knapp 2.900 Kilometer langen Strecke berichten. kur-ontour.de