Containment-Scouts: Sie bringen die Nachricht der Corona-Infektion

Warburg/Bad Driburg/Kreis Höxter. Wenn sie erstmals anrief, dann bedeutete das meist nichts Gutes: Beate Beck war eine der Personen, die erste Information über eine Coronavirus-Infektion überbrachten, die Infizierten in Quarantäne schickten und ihre Kontaktpersonen ermittelten – um auch die dann in die Isolation zu schicken. Seit Oktober und bis ins Frühjahr hat die junge Bad Driburgerin fürs Kreisgesundheitsamt als sogenannte Containment Scout gearbeitet und dabei die Hoch-Phase mitgemacht, als das Virus zum Jahresbeginn im Kreis heftig wütete, die Anzahl der aktiv Infizierten auf mehr als 600 und der Sieben-Tage-Inzidenzwert auf mehr als 260 hinaufschoss. Später war sie für die Gesundheitsaufsicht in Sachen Corona zuständig – immer dann aktiv, wenn irgendwo Ausbrüche in Altenheime oder Krankenhäusern waren und Maßnahmen notwendig wurden. Eine Zeit, die sie geprägt hat, sagt die junge Frau, die mittlerweile beim Kreis im Bereich Unterhaltsrecht arbeitet – aber immer noch auf Stand-by ist für den Fall, dass die Coronazahlen wieder steigen. &bdquo;Ich bin stärker geworden, seit ich mit der Krise konfrontiert wurde. Und pessimistischer, weil die Krise die soziale Ungleichheit noch verstärkt hat", sagt sie rückblickend. Einige der Fälle, die sie von Beginn der Corona-Erkrankung und Quarantäne begleitete, alle zwei, drei Tage zum Gesundheitszustand anrief, sind ihr in Erinnerung geblieben. Es macht sie wütend, wenn Corona-Leugner und Querdenker die Gefahr nicht wahrhaben wollen. Spontan war sie Ende Mai bei einer Veranstaltung des Bündnisses für Demokratie und Toleranz auf dem Gebrüder-Warburg-Platz in Warburg ans Mikrofon getreten hatte bewegend von einem Corona-Schicksal berichtet und unter viel Beifall wütend ihren Appell für Solidarität und Zusammenhalt in Richtung zeitgleicher AfD-Veranstaltung geschickt. &bdquo;Das musste mal raus", sagt sie heute. &bdquo;Damit die Menschen wissen, was wir überhaupt machen. Was Menschen in der Corona-Krise abverlangt wird." Würde – auch und gerade in solchen Extremsituationen Beate Beck geht es um das Wohl der Menschen. Um ihre Würde, sagt die junge Frau, die den Pflegenden in dieser Zeit mehr als nur das anerkennende Klatschen in die Hände wünscht. Würde – auch und gerade in solchen Extremsituationen. In denen sie am Telefon beim Gegenüber Reaktionen von Enttäuschung über Verzweiflung bis Wut miterleben musste. In denen sie sich Sorgen machte, wie die Menschen reagieren, wenn sie sie plötzlich nicht mehr erreichte. Sind sie depressiv? Suizidgefährdet? Wie reagieren die Eltern eines Schulkindes, das schon zum dritten Mal in Quarantäne muss? Menschen, die sich Sorgen machen, wer denn jetzt den Hund ausführen soll. Wer den Einkauf erledigen kann. Wer die Tiere auf dem Hof versorgt. Wer die plötzliche Einsamkeit lindert. Das Telefon ist einziger Kontakt nach draußen. Und Beate Beck ist die, die regelmäßig anruft, fast so etwas wie eine Beziehung aufbaut, sagt sie selbst und benutzt das Wort &bdquo;Kummerkasten". Und das Wort &bdquo;Verantwortung", der sie sich stets bewusst gewesen sei: &bdquo;Quarantäne ist ein enormer Eingriff ins Leben. Die spricht man nicht leichtfertig aus." Nicht jeder sei der Typ für den Job Containment Scout, weiß die 30-Jährige, die 2020 den Bachelor of Laws im Wirtschaftsrecht in Bielefeld gemacht hat. &bdquo;Eigentlich war der Job nur als Überbrückung gedacht. Bis ich das Ergebnis meiner Bachelor-Arbeit in den Händen habe, wollte ich mich einsetzen und versuchen, die Pandemie mit allen Mitten zu bekämpfen": Das war ihre Motivation, als sie sich beim Kreis bewarb. Schon die Woche drauf kam die Zusage, dann ein Tag Einführung ins Kreis-eigene System Cooper, die jeweils gültigen Corona-Regeln und die Wortwahl. Dann ging’s los. &bdquo;Man muss spontan sein und ruhig bleiben können, auch wenn es manchmal schwer fällt", sagt sie. Täglich habe es Besprechungen im Team gegeben, wöchentlich die große Runde. Dazu die Möglichkeit, sich schlimme Gespräche von der Seele zu reden. &bdquo;Ich war anfangs sehr aufgeregt. Es bewegt mich ja selbst, weinende Menschen am Telefon zu haben. Es stecken Menschen dahinter, die Familie und Freunde haben, die jemanden verloren haben durch das Virus." Ein Spagat zwischen Mitgefühl und Professionalität im Job: &bdquo;Einfühlsam sein und doch nicht zu emotional reagieren am Telefon." Dampf ablassen ging, wenn der Hörer aufgelegt war. Im Kreise der &bdquo;tollen Kollegen", die in der gleichen Situation waren, dort anriefen, wo gerade Angehörige an oder mit dem Virus gestorben waren. &bdquo;Das verbindet", sagt sie. Spaziergänge oder True-Crime-Podcasts Sie fand Ausgleich bei Spaziergängen oder bei True-Crime-Podcasts. &bdquo;Zuhause konnte ich nach Feierabend nichts mehr von Corona hören. Keine Nachrichten, kein Social Media." Auch jetzt ist sie trotz Lockerungen sehr vorsichtig, was Kontakte betrifft, freut sich über die kleinen Dinge im Leben wie den nächsten Kino-Besuch. Inklusive einem Eimer voll Popcorn. &bdquo;Ich liebe Filme und Serien." Und dann muss sie rückblickend schmunzeln, wenn sie an die Zeit als Containment Scout denkt: An den Fall, den sie mit der für ihn positiven Nachricht aus der Quarantäne entlassen konnte und der zwei Tage später bei ihr anrief und sich erkundigte: &bdquo;Wie geht’s Ihnen?" Sie lacht: &bdquo;Da habe ich gedacht: Ja, vielleicht bewirke ich doch was Gutes. Das fand ich richtig gut. Das werde ich nicht vergessen."

Meistgelesen