Vlotho. Am alten Kornspeicher wird gerade kräftig gewerkelt - Jürgen Meier, Ex-Chef von Fernseh-Meier und längst im (Un-)Ruhestand, hat das Objekt ins Herz geschlossen und will für eine glanzvolle Zukunft sorgen.
Über den Leerstand hatte sich der ehemalige Geschäftsmann seit Monaten geärgert, zumal die Fassade mit Graffiti "verziert" worden war. "Mein Anliegen ist es, das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf zu holen", sagte er. Demnächst wird hier Uwe Schmidt mit seinem Weinhandel einziehen, mit weiteren potenziellen Mietern ist Meier im Gespräch. Doch wie sieht es mit der Geschichte dieses Hauses aus?
Das ist eine Frage, mit der sich Günter Schölzel intensiv auseinandersetzt. Er betreibt seine Internetseite über die Geschichte Vlothos neuerdings unter der Adresse www.geschichtevlotho.de und informiert auch über das Haus Wehage. Zunächst stand an dieser Stelle nämlich ein großes Fachwerkhaus, dessen Erbauungszeit zwischen 1695 und 1705 gelegen haben muss. Fest stehe, so Schölzel, dass es der zweite Sitz der Vlothoer Sparkasse war. Leiter des Geldinstituts in diesem Hause war der Kaufmann Heinrich Heitmann, der auch seine Wohnung dort hatte. Als die Sparkasse das Gebäude 1910 verließ und an die Weserstraße 16 zog, blieb Heitmanns Wohnsitz hier erhalten. Heitmann wohnte noch bis 1929/30 in dem Fachwerkhaus, bis es durch einen Brand, der tagsüber tobte, vernichtet wurde.
"Wegen der hohen Brandgefahr der Nachbarhäuser mussten die Bürger in ihre Häuser verlassen. Kinder wurden zur Sicherheit in die Klinik gebracht", berichtete der Vlothoer Mediziner Dr. Ulrich Malz.
Etwa sechs Jahre nach dem Brand erwarb der Kaufmann Karl Wehage das Grundstück. Seine Frau Ilse bekam drei Kinder: Sigrid, Ruth und Gisela. Schölzel: "Tochter Sigrid dürfte wohl für die Vlothoer Bürger die bekannteste sein, denn sie heiratete später den Arzt Siegfried Scheidewig. "
Fest steht: 1936 errichtete Karl Wehage auf dem Grundstück Lange Straße Nummer 144 ein großes Lagerhaus für Getreide und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse. Über die ausgesprochen solide Bauweise freut sich der neue Besitzer heute außerordentlich: "Die Räume sind noch in einem sehr guten Zustand. Die oberen Ebenen wurden in den vergangenen Jahren nicht mehr genutzt und sind regelrecht konserviert."
Wehage war ein ehrgeiziger Geschäftsmann und steigerte von Jahr zu Jahr seine Umsätze. In der besten Zeit beschäftigte er sechs Arbeiter und erhielt sogar einen Gleisanschluss der Herforder Kleinbahn. Nach dem Zweiten Weltkrieg und während der Besatzungszeit musste die Familie ihr Wohnhaus an der Burgstraße 31 für die britischen Besatzer räumen. In dieser Zeit war das Getreidelager auch Wohnung für die ganze Familie. Als die Briten das Haus wieder freigaben, zog zunächst das Rote Kreuz ein. Erst später konnte Familie Wehage zurückkehren.