Zwei Männer aus dem Kreis sitzen am Tisch der Entscheidungen

Kreis Herford/Berlin. Wer hier mitreden darf, gehört zu denen, die etwas zu sagen haben im politischen Berlin. Hier, das ist ein runder Verhandlungstisch in einem Konferenzraum des Reichstages. An diesem Tisch sitzen Männer und Frauen, die darüber beraten und am Ende entscheiden, wie sich Deutschland politisch in den kommenden Jahren entwickeln soll. Hier wird der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verhandelt. Es geht darum, Wahlprogramme in die Praxis zu überführen. Kann das gelingen? Ja, das kann gelingen. Davon ist Stefan Schwartze überzeugt. Der SPD-Abgeordnete, der bei der Wahl im September zum vierten Mal in Folge das Direktmandat für den Kreis Herford und die Stadt Bad Oeynhausen geholt hat, muss zwar schon allein aufgrund seines eigenen Interesses optimistisch in die Verhandlungen gehen. Aber im direkten Gespräch wird schnell klar: Das ist nicht nur eine Masche. Schwartze glaubt wirklich an den Erfolg der Verhandlungen seiner Partei mit Grünen und FDP. Eigene politische Ideen umsetzen Seit knapp zwei Wochen gibt es kaum Zeit zum Durchschnaufen. Dabei war das erst das Vorgeplänkel. Arbeitsgruppen müssen gebildet, Verhandlungsrunden vorbereitet werden. Dabei immer im Hinterkopf die zentrale Frage: Was wollen wir erreichen? Doch auch wenn die SPD weiß, was sie in einem bestimmten politischen Feld erreichen will, muss das noch lange nichts heißen. In einer Koalition hat nicht nur eine Partei das Sagen. Grüne und FDP sitzen mit am Verhandlungstisch, wollen mitreden, mitregieren und eigene Projekte umsetzen. Wie es bisher gelaufen ist? Darauf schweigt Schwartze. So haben es die Parteiführungen beschlossen. Aus den Verhandlungen soll nichts nach außen dringen. Nur so viel: "Bisher gab es einen sehr fairen Austausch mit den anderen Parteien." Was soll Schwartze auch anderes sagen? Die Geheimhaltung gilt auch für ihn. Um die Themen Kinder, Jugend, Familie und Senioren kümmert sich seine Arbeitsgruppe. Vier Mitglieder der SPD sitzen an der einen Seite des Tisches. An ihrer Seite Kollegen der Grünen und der FDP. Die Liberalen haben mit Jens Teutrine einen Neuling in die Verhandlungen und in die Arbeitsgruppe geschickt. Teutrine und Schwartze kennen sich aus dem Wahlkampf. Die Messlatte liegt hoch Beide wollten im Kreis Herford und in Bad Oeynhausen erfolgreich sein. Schwartze gewann das Direktmandat, Teutrine zog über die Landesliste der FDP ins Parlament ein. Hier sehen sich beide wieder - und müssen Kompromisse finden. Teutrine jedenfalls legt die Messlatte schon einmal ziemlich hoch an: Die "weltbeste Bildung" solle Deutschland in den kommenden Jahren bieten. Er will Politik nicht in "Legislaturperioden, sondern in Jahrzehnten" denken. Schwartze weiß um die Unterschiede zwischen den Parteien, trotzdem muss man nun Kompromisse finden. Mögen die Ziele von SPD, Grünen und FDP manchmal sogar gar nicht so weit auseinander liegen, "die Ansätze und Vorschläge der Parteien sind unterschiedlich", so Schwartze. Hier wollen die Verhandler ansetzen. Und auch Schwartzes Messlatte ist nicht weniger hoch als die seines FDP-Kollegen: "Wir wollen etwas hinkriegen, das zukunftsweisend für Deutschland ist." Die Wochenenden sind verhandlungs-frei Am Ende geht es nicht darum, jedes Detail zu planen, jede politische Nuance zu berücksichtigen. Schwartze: "Viele Einzelheiten wären einfach zu komplex, um sie auf ein paar Seiten Papier zu klären. Unsere Aufgabe ist es, die Eckpunkte festzulegen, nach denen die zukünftige Bundesregierung arbeiten wird. Eckpunkte, die für alle Koalitionspartner gelten." Der Zeitplan ist ehrgeizig. Bis Ende November soll der Vertrag unterschrieben werden. Bis dahin heißt es: Reden, verhandeln, überzeugen, Zugeständnisse machen, Vertrauen aufbauen. Vertrauen, das vier Jahre halten soll. Viel Zeit haben die Arbeitsgruppen nicht, fast täglich will man sich erst mal treffen - bis auf die Wochenenden. Und dann? Dann werden Stefan Schwartze und Jens Teutrine vermutlich noch ein wenig stolzer auf ihre Arbeit sein, als sie es aktuell schon sind. Beide begreifen es als Ehre und Privileg, für ihre Parteien an den Koalitionsverhandlungen teilzunehmen. Und steht der Vertrag erst einmal, kann die richtige Arbeit beginnen. Im Bundestag, in der neuen Bundesregierung mit einem Programm, das zwei Abgeordnete aus der Region mit geschrieben haben.

Meistgelesen