Bünde

Von rund hundert Unternehmen blieben nur vier

"Die Zigarrenstadt heute" (9): Mit einem historischen Überblick über die Tabakindustrie an der Else geht die Serie zu Ende

20.09.2014 | 23.09.2014, 18:03

Bünde. Zum Abschluss unserer Serie "Die Zigarrenstadt heute" ein kleiner Blick zurück. Schon bevor im Jahre 1842 der damals 17-jährige Georg Meier die erste Zigarrenfabrik auf dem Gebiet der heutigen Stadt Bünde gründete, war der Tabakkonsum in der Region durchaus nicht unbekannt. Da sich dieser Genuss der exotischen Blätter jedoch auf das Rauchen in der Pfeife beschränkte, war es auch eine andere Form in der Tabak gehandelt wurde, als sogenannter Strang- oder auch Rollentabak.

Das Rohmaterial dazu kam, wie auch bei der späteren Zigarrenindustrie, vornehmlich über Bremen und die Weser in die Region, wurde dann aber vor Ort zu einem endlosen Strang "versponnen". Bereits im 18. Jahrhundert werden drei Tabakspinner in Bünde erwähnt.

Einer dieser frühen "Tabakproduzenten" war der Vater des Zigarrenpioniers Meier. Seine Fabrik an der heutigen Eschstraße sollte später (ab 1846) die Keimzelle der Bünder Produktion des legendären Töns Wellensiek und der daraus entstandenen Firma "Steinmeister & Wellensiek" werden. Wellensieks Geschichte – historisch verklärt durch seine drei Wege, die er von Bünde nach Bremen unternommen haben soll – spiegelt die Not der Menschen jener Jahre wieder.

Eigene Zigarrenproduktion aufgenommen

Nicht ohne Grund hat sich der damals blutjunge Mann, in einem Alter in dem heutige Teenager ausnahmslos das Glück haben, die Schulbank drücken zu dürfen, auf den Weg in Richtung einer ungewissen Zukunft begeben. Vermutlich wollte er, wie viele andere aus der Region auch, der herrschenden Armut und schwierigen Versorgungslage entkommen, indem er sich auf den Weg nach Amerika machte.
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Hier finden Sie alle Teile der Serie "Die Zigarrenstadt heute"

Doch bevor er Bremerhaven, von wo die Schiffe in die "Neue Welt" aufbrachen, erreichte, fand er in Bremen Lohn, Brot und seine erste Liebe. Er erlernte das Zigarrenmachen, heiratete die aus Heiligenrode stammende Rebecca Maria und wurde stolzer Vater des kleinen Fritz. Ja, selbst eine eigene Zigarrenproduktion wurde aufgenommen, deren Scheitern ihn jedoch in erneute Schwierigkeiten brachte.

Mittellos fand er wiederum Aufnahme auf dem elterlichen Hof in Muckum, wo er 1843 mit der Zigarrenproduktion begann. Den Vertrieb seiner Produkte übernahm zunächst der Besitzer der ersten Zigarrenfabrik in der Region, Theodor Rocholl in Minden. Bei ihm war wiederum, als sogenannter "Korrespondent", ein aus dem Sauerland stammender Herr mit Namen August Ferdinand Steinmeister tätig, mit dem sich Wellensiek wohl recht gut verstanden hat. Ihre freundschaftliche Beziehung bewog Steinmeister dazu, sich in die Bünder Firma einzukaufen und schließlich auch hier sesshaft zu werden.

Die Erfinder des Cigarillo

Wie bei der Familie Wellensiek, so hatten auch Steinmeisters zahlreiche Angehörige, die sich ebenfalls in der Zigarrenproduktion betätigten und eigene Firmen gründeten. Da für die Gründung einer eigenen Zigarrenmanufaktur der finanzielle Einsatz und das Risiko relativ überschaubar waren, entstand eine Firma nach der anderen. Die Söhne alteingesessener Landwirte und Handwerker wurden so zu Fabrikbesitzern, wovon Namen wie Hurlbrink, Striedieck und Bastert zeugen. Bestehende Unternehmen aus anderen Regionen, wie etwa André oder Leopold Engelhardt & Biermann, nutzten die "günstigen" Standortfaktoren wie das niedrige Lohnniveau oder die gute Verkehrsanbindung und gründeten Zweigbetriebe in Bünde.

Häufig waren es auch ehemalige Angestellte, Werkmeister und Filialleiter, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagten. So gründete der ehemalige Leiter der Stift Quernheimer Filiale (im heutigen Herrenhaus) Steinmeister & Wellensiek’s, seine eigene Firma Theodor Heinecke & Cie. in Kirchlengern. Heute gilt er zusammen mit Karl Thiele als Erfinder des Cigarillo, welches als Antwort auf die Zigarette Marktanteile für die Zigarrenproduzenten sichern sollte.

Eine Handvoll Unternehmen blieben

Doch war das Aufkommen der Zigarette nicht die einzige Krise, die die Bünder Schlüsselindustrie – die ja bis hin zu den Zulieferbetrieben wie Kistenproduktionen oder Druckhäusern von der Zigarre abhängig war – zu meistern hatte. Weltwirtschaftskrise und schlussendlich geändertes Konsumverhalten setzte den Produzenten zusehends zu. So blieben von einst rund hundert Unternehmen in der Stadt nur eine Handvoll, die den letzten Boom und die staatlich subventionierte Liquidationswelle in den 1950er Jahren überlebten. Den Sprung in unsere Tage schafften gerade einmal vier, die wir in den letzten Wochen vorgestellt haben.