Herford

Mittwochrätsel: Die Häuser sind verschwunden

Ein Blick in die Frühherrenstraße vor der Stadtsanierung

Heute ein Parkplatz: Hier verlief früher die Frühherrenstraße | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Frank-Michael Kiel-Steinkamp
17.06.2015 | 17.06.2015, 10:50
Altes Kopfsteinpflaster: 1958 entstand das Foto, das sich im Bestand desKommunalarchivs befindet. Im Rücken des Fotografen ragt die Johanniskirche auf. - © Helmut Schrader
Altes Kopfsteinpflaster: 1958 entstand das Foto, das sich im Bestand desKommunalarchivs befindet. Im Rücken des Fotografen ragt die Johanniskirche auf. | © Helmut Schrader

Das Foto vom vergangenen Mittwoch zeigte einen Blick in die Frühherrenstraße im Jahr 1958. Stadtarchivar Christoph Laue hat es von Helmut Schrader, Inhaber des früheren Eisenwarengeschäftes Schrader und Matthes, Lübberstraße 13 (neben der heutigen Geschäftsstelle der Neuen Westfälischen), bekommen.

Helmut Schrader muss mit seiner Kamera ungefähr dort gestanden haben, wo heute die Früherrenstraße in den Parkplatz im Hinterhof des Viertels Berliner Straße/Lübberstraße/Petersilienstraße übergeht. Frühherrenhaus und Johanniskirche hatte er also im Rücken.

Information
Gewinne werden zugeschickt

Drei Mal gab es beim Rätselbild ein Fotopuzzle mit einem alten Bild zu gewinnen. Sie werden ausnahmsweise erst in rund einer Woche zugeschickt, da das Fotolabor einen Fehler gemacht hat. Die Gewinner sind Hilde Esselmann, Reinhard Taßis und Gisela Stille.

Wolfgang Baesen hat die Straße erkannt und weiß mehr: „Der Mercedes 180 gehörte dem damaligen Schwiegersohn des ,Tapeten- und Farbenhauses Klein’, Alfred Mißner, ansässig in der Lübberstraße. Hier steht heute der NW-Bau. Mit dem Vorgänger des 180er, mit dem Farben und Tapeten ausgeliefert wurden, durfte ich manchmal mitfahren. Das hat mir viel Spaß bereitet.“

Ulrich Stille schreibt: „Auf der rechten Seite befand sich die Klempnerei Mellentin, deren Firmenbulli dort zu sehen ist. Weiter hinten konnte man rechts zu Schrader & Mattes (Haus- und Gartenbedarf) sowie zu Siehl (Eisenwaren und Märklinbahnen) kommen. Für mich war aber das Frühherrenhaus viel interessanter, das auf dem Foto nicht mehr zu sehen ist. Hier trafen sich die Teilnehmer unserer Schule am Schülerbibelkreis BK, der dort zu Pastor Gaffrons Zeiten sein Domizil hatte. Nach einer kleinen Bibelstunde machten wir Spiele und schulterten auch oft unsere langen Bambusspeere, an denen sich vorn ein dicker Korkpfropfen befand. So ging es zur Wiese am Langenberg. In zwei Parteien eingeteilt „kämpften“ wir dort mit den Speeren, mit sportlichem Eifer und mit christlicher Nächstenliebe gegeneinander. Die Bilanz waren allenfalls blaue Flecken von den harten Korkpfropfen, sonst war alles gut.

„Das ist noch wie gestern für mich“, sagt Fleischermeister Heinrich Deppe (92), dessen Fleischerei im denkmalgeschützten Haus an den Lübberstraße den Hinterausgang zur Frühherrenstraße hatte. Deppes Pferdewagen von früher steht inzwischen im Freilichtmuseum Detmold. In dem ebenfalls denkmalgeschützten Laden ist heute der chinesische Imbiss. „Auf der auf dem Foto linken Seite hatten wir unseren Gemüsegarten. Da zogen wir alles, was wir brauchten. Ganz im Hintergrund ist Blass und Co zu erkennen. Da querte die Hollandstraße. Die Frühherrenstraße war vom Holland her Einbahnstraße. Hinter der Mauer rechts war der Garten der Hartensteins, die eine Kartonagefabrik hatten.“ Heinrich Deppe kann sich auch noch daran erinnern, dass er als Kind in der Kleinen Werre gebadet hat. Sie verlief im Bereich des heutigen Parkplatzes, war aber zur Zeit des alten Fotos schon zehn Jahre zugeschüttet.

Klaus-Dieter Stork weiß: „Die Straße hat ihren Namen von den Stiftsherren des Stiftes St. Johann und Dionys, zu dem auch die Johanniskirche gehörte. Die Stiftsherren hießen im Volksmund „Frühherren“, da sie die Frühmesse zu lesen hatten. Das Frühherrenhaus gleich am Anfang der Frühherrenstraße/Ecke Petersilienstraße war Sitz des Dekans des Stiftes St. Johann und Dionys.“

Reinhard Taßis meint: „An der Einfahrt zur Frühherrenstraße befindet sich links das Otto-Weddigen-Geburtshaus. Die Mauer auf dem Foto rechts gibt es heute noch.“

Detlev Piekenbrock scherzt: „Es ist die Spätdamengasse. So jedenfalls die uralte Bezeichnung zu anderen Zeiten. Als der Einfluss der Äbtissin abnahm, konnten es die Ratsherren durchsetzen, dass sie umgetauft wurde in „Frühherrenstraße“, wie sie heute noch heißt, auch im Zeitalter der Gleichberechtigung!“

Dirk Niemeier hat erkannt: „An der Frühherrenstraße 3 steht ein Mercedes-Benz 180 vor dem Haus. (W 120 1953 – 1959 mit Stoßstangenhörnern, danach ohne, bis 1962).“

Hinterhof: Claudia Wolff sandte der NW dieses Foto vom September 1979 zu.
Hinterhof: Claudia Wolff sandte der NW dieses Foto vom September 1979 zu.

Claudia Wolff erinnert sich: „Im Haus Nummer 14 bin ich aufgewachsen. Unser Haus grenzte an die Rückfronten von der Fleischerei Deppe und der Drogerie Seifert. Gegenüber konnte ich als Kind immer gut auf den Garten des Kindergartens in der Petersilienstraße gucken und manchmal wollte ich vor dem 3. Lebensjahr mit den Kindern spielen. Wenn freitags die Glocken der Johanniskirche läuteten, rannten wir Kinder immer vor den Haupteingang, um Süßigkeiten zu fangen, die das Brautpaar in die Menge warf. Eins der Häuser aus der Reihe vor Nr. 14 ist abgebaut und im Freilichtmuseum Detmold eingelagert worden.“

Werner Kaiser schreibt: „In der Lübberstraße befanden sich verschiedene Geschäfte, die zur Frühherrenstraße ihre Lagerräume hatten. Schrader und Mattes, Dürkopp Eisenwaren usw. Blickt man weiter, so erkennt kleine Wohnhäuser. Die oben genannte Frühherrenstraße endet an der Hollandstraße. Von hier ging es nach rechts zur Lübberstraße (Firma Uhren Krüger) und nach links zum Wilhelmsplatz (Schule). Schwach erkennbar ist ein großes Wohnhaus auf der anderen Seite der Hollandstraße. Der Wilhelmsplatz vor der Schule wurde als Pausenplatz und Sportplatz benutzt. Später auch als Treffpunkt der Jugend.“

Gisela Stille schreibt: In die Frühherrenstraße verirren sich heute meist Parkplatz suchende Autofahrer, wo ich vor einigen Jahren noch zur Drogerie Seifert von hinten in den Laden kommen konnte. In dem Nachbarhaus von Schlachter Deppe ging das „Hintenherum“ für Kunden nicht. Hier wurde schon kurz vor 1900 für den Großvater von Heinz Deppe das Schlachtvieh angeliefert. Erst waren es noch ausgewählte Tiere von Bauern, später kam das Fleisch vom Schlachthof. Wie schön, dass der alte Heinz Deppe noch lange Jahre hier wohnen und die Zugänge nutzen konnte. In seinem Hinterhof hütet er Sehenswürdigkeiten, vom Parkplatz am Straßenanfang ahnt man sie kaum. Hier gibt es eine Eiskammer, gemauert aus meterdicken doppelten Wänden, mit einem Kreuzgewölbe wie in einer Kirche – eine echte Rarität, wie auch die erhaltene Räucherei, seit Jahrzehnten sauber hinterlassen. Viele Jahre karrte Frittken Blomberg mit seinem Pferdegespann Eis, im Winter vom Teich an der Mindener Straße und später Stangeneis vom Schlachthof hierher. Die Eiskammer hielt den darunter liegenden Fleischkeller so kalt, dass es ganzjährig 1A-Metzgerqualität gab. Vorn im ehemaligen Laden an der Lübberstraße, wo ich gern mal Möppkenbrot kaufte, sind noch die wertvollen Jugendstilkacheln erhalten – alles aus Zeiten, in denen an der Frühherrenstraße noch „Eiszeit“ herrschte.


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