Spenge

Die Sprache der Pferde verstehen

Gertrud Pysall betreibt in Spenge tierische Verhaltensforschung / Ergebnisse sind jetzt als Buch veröffentlicht

Gertrud Pysall und ihr Hengst Mark (oben) verstehen sich auch ohne Worte. Pysall betrachtet Tiere als gleichwertige Partner. |

27.10.2012 | 27.10.2012, 00:00

Spenge. Ganz ruhig steht Legolas in der Ecke der Reithalle. Aufmerksam beobachtet der Quarterhorse-Hengst seine Besitzerin. Diana Quest beginnt zu laufen. Legolas folgt und passt seine Schritte denen der 32-Jährigen an - eine Geste der Zuneigung. Die Reiterin versteht die Pferdesprache. Sie hat zuhause von klein auf gelernt, mit Tieren zu kommunizieren. Ihre Mutter, Gertrud Pysall, hat das Motiva-Training erfunden und die Ergebnisse ihrer mehr als zwei Jahrzehnte umfassenden Forschung in einem Buch zusammengefasst.

Pysall will herauszufinden, "was Pferde wollen". Das hat sie sich zur Lebensaufgabe gemacht und so hat sie ihr erstes Buch genannt. Auf 200 Seiten erklärt Pysall ihre Grundregeln für "einen artspezifischen und intelligenten Umgang mit dem Pferd".

Seit 20 Jahren beobachtet die passionierte Reiterin die Tiere und entwickelt ihr "Motiva-Training". Eine Unterscheidung ist ihr dabei sehr wichtig: "Ich betone immer wieder ausdrücklich, dass ich keine Pferdeflüsterin bin", sagt Pysall. Sie wolle die Sprache der Pferde verstehen und auf derselben Kommunikationsebene antworten. Pferdeflüsterer dagegen würden menschliche Gesten verwenden - vorwiegend mit den Händen, die Pferde aber nicht besitzen. Wenn Pysall in den Dialog mit dem Pferd tritt, schnaubt sie, wälzt sich auf dem Boden oder nutzt Kopfhaltung und Körpersprache - genauso, wie es die Tiere untereinander tun. Es entwickelt sich eine respektvolle Kommunikation.

Insgesamt 70 Pferde und Ponys leben mit der Autorin und ihrem Mann auf dem Hof am Fichtenweg in Spenge-Lenzinghausen. Vor 18 Jahren erwarb sie Ställe, Reithalle und Weiden. Mit der eigenen Reitschule konnte die Mutter dreier Töchter und eines Sohns ihre Forschungen intensivieren. "Vor allem eine ganze Herde gibt Aufschlüsse darüber, wie Pferde kommunizieren." Motivation für Pysalls Forschungen sind ihre eigenen Erfahrungen, die sie in verschiedenen Reitställen gesammelt hat - nicht immer waren diese positiv. "Meine erste Reitstunde mit 18 war definitiv nicht der Himmel auf Erden", erinnert sich Pysall. Der harsche Umgang mit den Pferden und die viel zu hohen Erwartungen an Reiter und Tier schreckten sie ab. Dass es auch anders geht, lernte sie erst im Reiterurlaub kennen, auf einem Hof auf dem die Tiere im Fokus standen, nicht die Menschen.

Mit ihrem zweiten Ehemann, einem Reitlehrer, machte die gelernte Krankenschwester und ehemalige Pflegedirektorin dann ihr Hobby zum Beruf. "Wir wollten beide eine Reitschule aufbauen, in der Menschen und Tiere gleichermaßen respektiert werden", sagt Pysall. "Für uns gilt: Wir wollen Reiten lehren, nicht Pferde knechten."

Schon als Kind hatte Pysall begonnen, sich für Verhaltensforschung zu interessieren. Mit dem eigenen Hof begann sie ihre Kenntnisse in die Praxis zu übertragen. "Ich habe mich stundenlang auf die Weide gesetzt und die Pferde beobachtet", sagt Pysall. "Viele Gesten waren für mich so schnell kaum erkennbar, also habe ich die Herde gefilmt und mir die Aufnahmen in Zeitlupe angeguckt." Schnell bemerkte Pysall, dass es Gesten gibt, die jedes Pferd zu jedem Zeitpunkt benutzt. "Da wusste ich, ich kann mit Pferden reden", erinnert sich Pysall. Die Beobachtungen waren die Grundlage für ihr "Motiva-Training".

Eines der Hauptmerkmale der Lehre ist das Kämpfen um Ranghöhen. "Pferde sind territorial", erklärt Pysall. Dieses Ausloten der Rollenverteilung beginnt schon vor der eigentlichen Reitstunde. "Pferde wollen verstanden werden. Bereits beim Satteln passieren viele Fehler - Gesten die dem Tier signalisieren, dass es der Chef ist", sagt Pysall. "Kein Wunder, wenn das Pferd dann nicht gehorcht."

Pysalls Überzeugung lässt sich in einem Zitat zusammenfassen, welches auch die erste Seite ihres Buches ziert: "Wenn wir dem Wesen der Pferde gerecht werden wollen, müssen wir sie lassen, wie sie sind und ihnen geben, was sie brauchen."

Gertrud Pysall: Was Pferde wollen, Narayana-Verlag, Kandern 2012, 200 Seiten. Mehr unter: www.narayana-verlag.de