
Enger/Spenge. "Damals habe ich beim Gehen geschwankt, bin oft hingefallen. Die Leute dachten schon, ich sei betrunken", erinnert sich Angelika Behnke an die Zeit, als die Multiple Sklerose bei ihr ausbrach, kurz vor der Diagnose. Sie war eine junge Mutter, oft mit dem Kinderwagen unterwegs und nachdem feststand, dass sie an der tückischen Krankheit leidet, hat sie die Leute offen angesprochen und aufgeklärt. Ein Vorgehen, das Mut erfordert. Doch den können Betroffene bei den MSlern Enger Spenge finden und stärken.
Der taumelnde Gang ist typisch, viele Erkrankte erleben die von Angelika Behnke geschilderte Situation. Doch sie dachte zunächst an etwas ganz Anderes: "Nachdem der Arzt mir den Befund mitgeteilt hatte, habe ich erst mal angefangen zu lachen", erinnert sie sich. "Ich hatte einen Hirntumor befürchtet, da war MS noch die bessere Diagnose."
"Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des Nervensystems", erklärt Thomas Behnke, Ehemann von Angelika und Vorsitzender der MSler Enger-Spenge. Obwohl selbst nicht betroffen, kennt er sich bestens aus. "Man muss sich das vorstellen wie die Verbindungsleitung bei einem elektrischen Schaltkreis. Bei einem Kurzschluss flackert das Licht oder die Sicherung springt raus", versucht er die komplexen Vorgänge zu veranschaulichen. "Die Nerven sind umschlossen von Myelinschichten, die für den Transport der elektrischen Impulse der Nerven verantwortlich sind. Bei Erkrankten bestehen Verkalkungen dieser Schichten, die den Transport erschweren oder sogar unmöglich machen." Die Folgen seien zum Beispiel häufige Spastiken in den Extremitäten oder eine Fehlstellung der Beine, da die Muskeln ein Eigenleben führten.
Doch jeder Betroffene habe mit anderen Auswirkungen zu kämpfen, denn "MS wird auch die Krankheit der 1.000 Gesichter genannt". Viele Betroffene hätten auch unter schneller Ermüdung zu leiden. In der Regel breche die nicht heilbare Krankheit bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 30 Jahren aus, Kinder seien eher selten betroffen. Sie trete häufig schubförmig auf, die Schübe würden mit Cortison behandelt und legten sich dann meist auch wieder, erklärt Thomas Behnke weiter. "Es gibt Betroffene, bei denen verläuft die Erkrankung harmlos, sie haben einen Schub und dann nie mehr einen weiteren."
Doch es könne auch schlimmer kommen, etwa, wenn die Krankheit chronisch-progredient verlaufe. "Das ist dann kein spontaner, sondern ein schleichender Prozess, bei dem bestimmte Fähigkeiten immer weiter abnehmen. Die schlimmste - eine Mischung aus beidem - ist die chronisch-progrediente Form mit aufgesetzten Schüben."
Eine gute Möglichkeit, besser mit der Krankheit umzugehen, sei eine Selbsthilfegruppe wie die der MSler Enger-Spenge. "Denn manche Dinge bespricht man am besten mit Menschen, die ebenfalls betroffen sind", meint Thomas Behnke. Seine Frau Angelika wollte erst keiner Gruppe beitreten. "Ich hatte Angst, dass es nur um die Krankheit geht", sagt sie, "mit der habe ich mich doch schon zu Hause genug beschäftigt." Doch nun sei sie froh darüber, hingegangen zu sein. Denn die MSler Enger-Spenge treffen sich nicht, um zu jammern, betont Thomas Behnke.
Die Treffen dienen nicht nur dem Austausch unter Betroffenen, sondern vor allem dazu, soziale Kontakte und das Leben in Gemeinschaft zu pflegen. "Wir sind eine lustige Truppe, machen auch regelmäßig Ausflüge", freut sich Thomas Behnke.
Seine Frau Angelika lässt sich jedenfalls nicht unterkriegen. "Manchmal denke ich, MS ist eine miese Krankheit und dass ich sie hasse", sagt sie. "Doch davon geht sie nicht weg, also muss ich damit zurechtkommen und komme auch gut damit zurecht." Dabei helfen ihr vor allem ihr Mann und ihre beiden Kinder. Und die MSler. Bei ihnen steht MS auch für "Mutig sein".