Löhne. Anton Cetverikov ist einmalig. Zumindest in Löhne und Umgebung. "Im ersten Berufsschuljahr war ich ganz allein, inzwischen gibt es noch einen Bielefelder Kollegen", sagt der Auszubildende im zweiten Lehrjahr. Der 18-Jährige verkauft allein unter Frauen das, was überwiegend Männer nachts zubereiten und was am Samstag in erster Linie Männer holen: Brötchen.
Um kurz vor 8 Uhr betritt der 18-Jährige die Mennighüffener Filiale von Karlchens Backstube und zieht sich das weiße Hemd über, das eigentlich eine Bluse ist. "Unsere Kleidung ist auf Frauen ausgerichtet. Es gibt kaum Bäckerei-Fachverkäufer", sagt Chefin Simone Böhne.
"Am Anfang musste man sich viel merken", sagt Cetverikov und dreht sich Richtung Regal. Bis zu 25 Brotsorten buhlen mit 30 Brötchensorten um die Gunst des Käufers. Doch Fachwissen ist nicht alles. Extrem wichtig ist das Zwischenmenschliche. Selbst die laut Klischee frauentypische Eigenschaft des "Small-Talks" liegt Cetverikov: "Einige Kunden haben erstaunt geschaut, aber niemand hat einen blöden Kommentar abgegeben", sagt er.
Derzeit gibt es in Karlchens Backstube 21 Auszubildende in den Bereichen Bäcker, Konditor und Bäckereifachverkäufer. Für Anton Cetverikov stand der Job in der Bäckereifiliale nicht oben auf der Wunschliste. "Ich suchte zwar eine Ausbildung zum Verkäufer, hatte aber nicht an eine Bäckerei gedacht", sagt der A-Junioren-Fußballer.
Eine ähnliche exklusive Stellung im Berufsalltag genießt Christoph Danielmeier. Der 23-Jährige ist einer von zwei Erziehern, die im offenen Ganztagsangebot der Grundschulen arbeiten. Absolute Leere herrscht hingegen in den 18 Kitas, deren Stellen ausschließlich von Frauen besetzt sind. "Ich hoffe, dass mehr Männer den Beruf des Erziehers lernen und die Gesellschaft mehr Akzeptanz zeigt", wünscht sich der Danielmeier, der in der OGS Mullewapp an der Grundschule Mennighüffen-West arbeitet. Während seiner Berufsschulzeit in Herford gab es immerhin fünf Jungs.
"Viele Kinder werden heute nicht mehr in der Wunschfamilie mit Mutter und Vater groß", sagt der gebürtige Löhner. Kinder bräuchten jedoch beide Geschlechterrollen für ihre Entwicklung, daher sei eine Einrichtung mit Erzieherinnen und Erziehern eine familiärer Idealbildersatz. "Mein Freundeskreis gibt mir Rückendeckung", sagt der 23-Jährige. Er weiß aber, dass er mit dem Gehalt eines Erziehers kaum die klassische Männerrolle des Familienernährers ausfüllen kann.
Derzeit betreut er 26 Kinder, mit denen er am liebsten auf dem Außengelände tobt. "Bastelarbeiten liegen mir weniger. Ich habe da zwei linke Hände", sagt Danielmeier ehrlich.
Die Nase vorn haben die Männer nach wie vor bei den Handwerksberufen. Aber selbst hier gibt es einige Ausnahmen. "Neben 833 Frisörinnen in Ausbildung gibt es in OWL nur 83 Frisöre", sagt Ulrike Wittenbrink, Pressesprecherin der Handwerkskammer. Ähnlich überlegen sind die Frauen bei den Augenoptikern (130:22), Zahntechnikern (109:61), Konditoren (82:28) und Hörgeräteakustikern (54:24).
Auch im Bereich der Industrie- und Handelskammer gibt es frauenlastige Ausbildungsberufe. "Wir haben 464 angehende Industriekauffrauen, aber nur 295 Industriekaufmänner", sagt ein Sprecher. Auch im Bankgewerbe liegen die Frauen vorne (177:133), noch deutlicher bei den Hotelfachleuten (104:33).
Die absoluten Exoten sind die Medizinischen Fachangestellten (Arzthelferin). "Unter 4.797 Auszubildenden in ganz Westfalen-Lippe sind nur 31 Männer", sagt Silke Spiekermann von der Pressestelle der Ärztekammer Westfalen-Lippe.