Defizite und Insolvenzen: Löhner Expertin zur finanziellen Lage der Pflegedienste

Löhne. Die Diakonie Deutschland schlägt Alarm. &bdquo;Die wirtschaftliche Lage der ambulanten Pflegedienste in Deutschland spitzt sich immer weiter zu“, bringt die Diakonie das Ergebnis einer Umfrage auf den Punkt, die die Einrichtung bei ihren ambulanten Pflegediensten und Diakoniestationen durchgeführt hat. Dass zahlreiche Pflegedienste unter Druck stehen, bestätigt auch Britta Lehman, Inhaberin der Häuslichen Kranken- und Altenpflege mit Standorten in Löhne und Herford. Laut der Umfrage bewerten 72,7 Prozent der befragten ambulanten Pflegedienste der Diakonie ihre finanzielle Lage als kritisch. 54 Prozent hätten bereits im Jahr 2022 ein Jahresdefizit verzeichnet. Für das Jahr 2023 rechnen 62 Prozent mit einem negativen Ergebnis, so die Diakonie Deutschland. Insolvente Pflegedienste &bdquo;Viele ambulante Pflegedienste in Deutschland haben schon Insolvenz angemeldet. Dabei sind sie eine wichtige Stütze des Systems“, sagt Britta Lehmann. Die Pflegedienste würden durch ihre Arbeit eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass pflegebedürftige Menschen deutlich länger in ihrem Zuhause bleiben können. &bdquo;So entlasten wir mit unseren Dienstleistungen das Gesundheitssystem. Die Kosten der Heimbetreuung liegen deutlich höher“, sagt sie. Die wirtschaftliche Schieflage vieler Pflegedienste ist für Lehmann keine Überraschung. &bdquo;Für jeden Arbeitsschritt, den wir machen, ist ein Preis hinterlegt“, sagt Lehmann. Das Waschen des ganzen Körpers kostet zum Beispiel 25,21 Euro. Das mundgerechte Vorbereiten der Nahrung und das Eingießen von Getränken darf mit 6,15 Euro berechnet werden. Die Bezahlung stimmt nicht Jeder Kunde wird individuell mit einem für sie oder ihn zugeschnittenen Leistungskatalog betreut. Dabei müssen die Zeiten für Waschen oder Essenmachen genau eingehalten werden. Dauert es länger, wird das nicht von der Pflegekasse bezahlt. Dazu komme es immer wieder, weil mehr Leistungen erbracht werden müssen, als abgerechnet werden können. &bdquo;Wir haben zum Beispiel Patienten mit stark schwankenden Blutzuckerwerten. Da bekommen wir eine Leistung bezahlt, obwohl wir drei erbringen müssen“, sagt sie. Die Folge: Die Bezahlung steht oft nicht im Verhältnis zum Aufwand. Mitarbeiter belastet Die größte Herausforderung sei die Tourenplanung mit dem Ziel, jedem Kunden gerecht zu werden. &bdquo;Wenn es nicht zu Ausfällen kommt, dann funktioniert das, auch wenn unsere Mitarbeiter an der Kapazitätsgrenze arbeiten.“ Eine Belastung sei für das Pflegepersonal die Dienstleistung im Minutentakt. &bdquo;Sie haben oft Gewissensbisse, weil sie weiter müssen. Auch wenn klar ist, dass ein paar Minuten mehr Zuwendung gerade sehr wichtig wären.“ Ein großes Problem der ambulanten Pflegedienste, das finanziell zu Buche schlägt, sind die kurzfristigen Absagen. &bdquo;In unseren Geschäftsbedingungen steht, dass die Kunden 24 Stunden vorher absagen dürfen. Dann können wir die Touren entsprechend planen“, sagt Lehmann. Es komme allerdings häufig vor, dass die Absagen erst am Vorabend für die Morgentour kommen. Das Problem der Absagen Diesem Problem stehen die Pflegedienste machtlos gegenüber. &bdquo;Wir haben täglich fünf bis sechs kurzfristige Ausfälle. Unsere Mitarbeiter haben dann Leerlauf. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir sie dann nicht bezahlen. Kompensiert werden diese Ausfälle durch die Pflegekasse nicht. Wir tragen das alleinige unternehmerische Risiko“, sagt Lehmann. Theoretisch müsse jede Tour mit zwei Kunden mehr, als eigentlich geschafft werden können, überplant werden. &bdquo;Das ist natürlich absolut unseriös und völlig undenkbar.“ Man sei ja keine Fluggesellschaft oder ein Hotel, die mit Überbuchungen mögliche Ausfälle kompensieren könnten. Markt krempelt sich um Für die rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchte sie gute Arbeitsbedinungen und eine angemessene Bezahlung bieten. Das falle aber auch durch die hohe Inflation der letzten Jahre ihr und den meisten Unternehmen in der Branche immer schwerer. &bdquo;Wir sind immer an der Kante unterwegs“, sagt Britta Lehmann. Die Expertin geht von massiven Umbrüchen aus. &bdquo;Der Markt wird sich in den nächsten Jahren vollkommen umkrempeln“, sagt sie. Darunter leiden würden die Kunden, die in abgelegenen Ortsteilen wohnen. &bdquo;Wer vom Radius abweicht, wird nicht mehr versorgt“, beschreibt sie die drastischen Folgen des zunehmenden Kostendrucks. Konzentrationsprozess Lehmann erwartet, dass es zu einem Konzentrationsprozess bei den ambulanten Pflegediensten kommen wird. &bdquo;Bei den großen Diensten sind die Verwaltungskosten bezogen auf den einzelnen Kunden natürlich viel niedriger“, nennt sie ein Beispiel. Auch die Auslastung der Fahrzeugflotten sie deutlich höher. Entsprechend niedriger seien auch in diesem Bereich die Kosten. Die kleinen Pflegedienste würden es in Zukunft deutlich schwerer haben. &bdquo;Für uns wird es Nischen geben, da will ich dabei sein.“ Dass es private Pflegedienste auch in Zukunft dazu gehören, davon ist sie überzeugt. &bdquo;Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat zwar gesagt, dass die private Pflege ein Fehler im System ist. Das stimmt nicht. Was meinen Sie, was los wäre, wenn es die privaten Pflegedienste nicht geben würde?“

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