Klischeefreie Kinderbücher: Neue Angebote in der Stadtbücherei Löhne

Löhne. Vater, Mutter, Kind. Papa arbeitet, Mama bleibt zuhause. Feen und Einhörner für Mädchen, Ritter und Piraten für die Jungs. Kraft und Technik auf der einen, Schönheit und Glitzer auf der anderen Seite. So sieht sie oft aus, die Welt der Kinder- und Jugendliteratur. Strikt geteilt in rosa und hellblau, angesiedelt in gesellschaftlichem Idyll, geprägt von stereotypen Rollenbildern. Dass es auch anders geht, zeigt ein neues Angebot der Stadtbücherei Löhne. Dort wurden jetzt rund 40 Medien angeschafft, die auf jegliche Klischees verzichten - und damit ganz nebenbei den Blick öffnen für einen Alltag ohne Vorurteile. Wenn Büchereileiterin Gertrud Robbes die vielen Jahre ihres beruflichen Schaffens Revue passieren lässt, kann sie nur den Kopf schütteln. Zwar habe es mal eine Zeit gegeben, in der auch mutige Mädchen mal die Heldenrolle in Kinderbüchern einnahmen oder Jungs von ihrer sensiblen Seite gezeigt wurden. Die Regel aber war das keineswegs. "Und in den letzten Jahren ist es eigentlich nur noch schlimmer geworden", sagt Robbes mit Blick auf zahlreiche Neuerscheinungen, die vor Geschlechterklischees geradezu strotzen. Wie Kinder in bestimmte Rollen gedrängt werden Unnötig findet die Leiterin der Stadtbücherei Löhne diese Entwicklung. Und kontraproduktiv noch dazu. "Das Problem ist, dass Kinder durch solche Darstellungen oft in bestimmte Rollen hineingedrängt werden", sagt sie. Sowohl Jungen als auch Mädchen, so ergänzt die Löhner Gleichstellungsbeauftragte Monika Lüpke, würden auf diese Weise auch limitiert. "Wenn ihnen gezeigt wird, wie Jungen und Mädchen angeblich sind oder zu sein haben - was machen dann diejenigen Kinder, die sich darin nicht wiederfinden?", fragt sie sich. Ein Abweichen von der dargestellten Norm könne so ganz schnell zu Ausschluss und Diskriminierung führen. "Zumal viele Kinder in den gängigen Geschichten gar nicht erst vorkommen." Lüpke war es auch, die den Anstoß zum Gegensteuern gab. In ihrer Funktion als Gleichstellungsbeauftragte war sie auf ein Angebot des Vereins "Klische*esc" aufmerksam geworden, der sich für die Gleichberechtigung von Menschen unabhängig ihres Geschlechts einsetzt. "Der Verein bietet unter anderem Medienkoffer zum Kauf an, in denen klischeefreie Bücher zusammen gestellt sind", sagt Lüpke. Abgestimmt sind diese auf verschiedene Altersklassen. "Wir haben uns dabei für ein Angebot für Kinder im Alter bis 6 Jahre entschieden, denn mit der frühkindlichen Erziehung fängt die Beeinflussung unter Umständen schon an." Diversität und Fingerzeig für klischeefreie Berufswahl Etwa 30 Kinder- und Bilderbücher mit dem Prädikat "klischeefrei" gehören seither zum Repertoire der Stadtbücherei. Stereotype Rollenbilder finden sich in dem Angebot tatsächlich nicht. Stattdessen dominieren Vielfalt und alternative Lebensrealitäten die Geschichten: Die Vater-Sohn-Geschichte "Roberts weltbester Kuchen" zelebriert Diversität in allen Formen, in "Wo ist Karlas Papa?" geht es um ein Mädchen, das durch eine Samenspende gezeugt wurde und "König und König" erzählt die Geschichte zweier sich liebender Männer. Wenn doch mal Vorurteile zur Sprache kommen, dann werden sie meist aufgebrochen. Wie etwa im Buch vom Prinzen, den alle für eine Prinzessin hielten. Oder in der Geschichte von der selbstbewussten Marie, die lieber ein schrecklicher Drache ist, als eine brave Königstochter. Andere Bücher, wie etwa "Buddel mit dem Baggerhuhn", verzichten bei der Darstellung von Tätigkeiten ganz bewusst auf Geschlechter, sondern setzen stattdessen auf Tiere als Protagonisten. Die Buchreihe über "Oma Edas Welt" regt derweil Kinder unabhängig vom Geschlecht zum Ausprobieren verschiedener Themengebiete an - ein Fingerzeig für eine spätere klischeefreie Berufswahl. Auch Eltern können noch was lernen Wobei sich "klischeefrei" nicht allein auf Geschlechter reduziert. Auch kulturelle Stereotypen werden im Angebot behandelt. "Kalle und Elsa" etwa beschreibt die Freundschaft zwischen einem farbigen und einem weißen Kind, "Du und ich sind wir" bringt zur Sprache, dass Freundschaften nicht an kulturellen Grenzen Halt machen müssen. Ergänzt wird der Bücherkanon durch Fachliteratur für Eltern oder Erzieher, wie etwa "Die rosa-hellblau-Falle", in der die Kommerzialisierung der Geschlechtertrennung aufgearbeitet und eine alternative Herangehensweise aufgezeigt wird. Mit den neuen Büchern hoffen Lüpke und Robbes nun, der oft ungleichen Ansprache und Behandlung von Jungen und Mädchen zumindest etwas entgegen wirken zu können. Aus eben diesem Grund werden die Medien auch nicht gebündelt an einem Ort präsentiert, sondern thematisch passend in die regulären Buchregale einsortiert. "Damit wollen wir zum einen die Normalität solcher Bücher unterstreichen und zeigen, dass sie nicht außergewöhnliches sein sollen", sagt Gertrud Robbes. Zum anderen erhofft sie sich aber auch eine niedrigere Schamgrenze beim Ausleihen klischeefreier oder sogar transgendergerechter Literatur.

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