Briefmarken: Leidenschaft statt Geldanlage

Löhne. Es stand immer im Regal, das braune Sammelalbum mit dem grauen Rahmen. Viele Jahrzehnte hat der liebe Onkel es hervorgeholt, um die sauber ausgeschnittenen Briefmarken hineingeschoben. Fasziniert habe ich daneben gesessen und zugeschaut. Er sagte: &bdquo;Das vererbe ich dir mal. Davon kannst du dir was gönnen." Mit diesen Worten im Kopf stehe ich nun vor der Tür von Rainer Schwerin. Der Schatzmeister und der Vorsitzende Wolfgang Blöbaum vom Briefmarken- und Münzensammlerverein Löhne und Umgebung kennen sich mit dem Thema aus. Leute wie mich treffen sie häufig bei ihren Tauschtagen. &bdquo;Vor allem in den vergangenen Jahren", sagt Blöbaum und vermutet, dass es daran liegen könnte, dass eine Sammlergeneration sterbe. &bdquo;Ende der 1960er und noch Anfang der 1970er Jahre war die Hochzeit der Briefmarken. Sie wurden als Kapitalanlage verkauft und vermarktet", sagt Schwerin. &bdquo;Aktie des kleinen Mannes", das habe auch ich schon einmal gehört und wähne mich im Geldrausch. Deutschland vor gut 100 Jahren - Aber alt ist nicht gleich wertvoll Doch die Stimme von Blöbaum holt mich ein. &bdquo;Das ist nicht mehr so. So wirklich war es auch nie so", erklärt der 59-Jährige, und Schwerin ergänzt: &bdquo;Es gibt schon einzelne Briefmarken auf der Welt, die richtig was wert sind." Die blaue Mauritius gehört dazu. Ihr Wert wird auf rund 600.000 Euro geschätzt. Noch wertvoller ist der Mauritiusbrief – 1,2 Millionen Euro. Nun schlagen die beiden mein Album auf. &bdquo;Deutschland 1872 bis 1939" steht mit dem Füller geschrieben im Deckel. Aber alt ist nicht gleich wertvoll. Jüngere Marken sind zum Beispiel dann wertvoll, wenn es, wie zum Beispiel nach dem Krieg, kein Geld zum sammeln gab", sagt Blöbaum und zieht mit der Pinzette eine Marke aus dem Album: &bdquo;Oh, das ist Altdeutschland um die Jahrhundertwende", sagt der Vorsitzende. Ich wähne mich im Glück, denn von dieser Marke habe ich einige. &bdquo;Geringe Auflagen sind wertvoll. Je öfter ich eine Marke habe, desto höher war die Auflage und desto weniger wertvoll ist sie", erklärt Schwerin und ich ahne so langsam, dass ich mir vom Erlös des kleinen Buches, in dem teilweise 20 Mal die selbe Marke steckt, nicht viel gönnen kann. Abgebrochene Zähnchen machen die Marke wertlos Er blättert über &bdquo;ein bisschen Berlin" und viele andere Länder und Zeiten. Immer mal wieder kommentieren die Männer das Gesehene, ziehen hier und da eine Marke hervor und erklären mir, dass abgebrochene Zähnchen, auf der Rückseite klebende Fusseln oder eingerissene Marken meist ganz wertlos sind. Eine Marke, auf der Katharina von Bora zu sehen ist, nehmen die beiden Experten zum Anlass, mir das System mit dem Stempel zu erläutern. &bdquo;Es ist gut, wenn er vollständig auf der Marke steht", sagt Blöbaum und ich frage, ob es daran liege, dass man dann nachvollziehen könne, wo die Marke abgesandt wurde. &bdquo;Nein. Wo, das spielt nur bei Sonderstempeln oder Postämtern eine Rolle, die nur einen kurzen Zeitpunkt in Betrieb waren", sagt Schwerin und nennt ein Feldpostamt als Beispiel. Nun ist die letzte Seite erreicht und das Urteil ist ehrlich: &bdquo;Hier wurde nie mit richtigem Interesse gesammelt. Es ist von allem etwas dabei, das nennen wir Schülersammlungen. Dafür bekommt man eigentlich kein Geld." Für eine Versteigerung gegen Spielgeld eignet sich die Marken noch Das heißt noch lange nicht, dass ich keine Optionen habe, sagen mir die Sammler. &bdquo;Man kann sie spenden, zum Beispiel an die Jugendabteilung der Briefmarkengilde Herford. Die versteigern die Marken dann gegen Spielgeld in einer Spaßaktion für den Nachwuchs", sagt der Schatzmeister und erzählt, dass man bei wertigeren Sammlungen Händler ansprechen oder diese zu richtigen Auktionen bringen könnte. &bdquo;Online-Auktionen sind für Laien schwierig. Denn ich muss genau wissen, welche Marke ich beschreibe." &bdquo;Oder Sie bauen sich daraus eine Sammlung aus. Jeder hat ein Hobby, dass sich mit der Briefmarkensammlung verbinden lässt. Denn über jedes Thema gibt es Marken", sagt Blöbaum und verspricht, dass ich im Verein Hilfe erhalte. Er verweist auch auf die Tauschtage an jedem ersten Sonntag im Monat im VHS-Forum der Werretalhalle. &bdquo;Dort lassen sich die ersten kleineren Sammlungen zusammenstellen. Das ist ein guter Rahmen, um in das Briefmarkensammeln hinein zu wachsen." Diese Sammlung fortzusetzen macht keinen Sinn, sagen die Beiden. Briefmarken, das ist mir klar geworden, sind meist keine Wertanlage. &bdquo;Bei uns im Verein betreibt es jeder als Hobby. Es macht Spaß und Blasen an den Fingern", scherzt Schatzmeister Rainer Schwerin. Ich verabschiede mich und gehe mit dem braunen Sammelalbum mit dem grauen Streifen nach Hause und schiebe es vorsichtig ins Regal. Vielleicht werde ich wirklich Sammlerin.

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