Germaniten ziehen nach Rinteln

Die "Botschaft Germanitien" macht offenbar in Rinteln ihren Fantasiestaat wieder auf: Die rechtsextremen Reichsbürger von der "Justizopferhilfe NRW" aus Löhne haben zwei Wochen nach der Zwangsversteigerung des Gebäudekomplexes im Zentrum von Löhne offenbar in Niedersachsen eine neue Bleibe gefunden. Das haben gemeinsame Recherchen der Neuen Westfälischen und der Schaumburger Zeitung ergeben. Vor einem ehemaligen Bauernhof im Rintelner Stadtteil Goldbeck hängen seit kurzem Zettel mit entsprechenden Hinweisen.Auf dem Briefkasten vor der Tür prangen die Namen bekannter Rechtsextremisten, die zuletzt in Löhne zu Hause waren: Axel Thiesmeier und Jürgen Niemeyer sind jetzt zumindest postalisch in Rinteln erreichbar.In der vergangenen Woche soll an der neuen Adresse in der Alten Dorfstraße 7 zudem der Gerichtsvollzieher mit Polizeiunterstützung vor der Tür gestanden haben, heißt es aus dem Dorf. Angeblich sollten Firmenautos gepfändet werden.»Unser Staatsschutz hat da bereits ein Auge drauf«In dem Haus wohnt offenbar der Geschäftsmann Jörg P., der bereits bei der Zwangsversteigerung der Löhner Immobilie Ende September in Fernsehinterviews als Sprecher der rechtsextremen "Justizopferhilfe NRW" aufgetreten war. Auf der Internetseite, auf der die Löhner regelmäßig Neuigkeiten aus Germanitien verkünden, wird P. großspurig als "Vorsteher" des "Kooperationsbüros Rinteln" und "JOH-Ermittlungsbeamter" genannt.Ende Oktober steht die Immobilie in Goldbeck zur Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht Rinteln an. Es ist bereits der zweite Termin für das im Jahr 1900 gebaute Haus mit 1.958 Quadratmetern Grundstück. Der Verkehrswert wird mit 28.500 Euro angegeben.Zum angeblichen Pfändungstermin mit Gerichtsvollzieher in der vergangenen Woche waren Autos mit Kennzeichen aus dem Kreis Herford vor dem Haus aufgetaucht. Womöglich ein Hinweis auf Unterstützung durch die Löhner Rechtsextremisten?Die Gerüchte um die Pfändung kann die zuständige Polizeisprecherin Gabriela Mielke am Freitag nicht bestätigen. Allerdings hat die niedersächsische Polizei offenbar längst mitbekommen, dass an dieser Adresse eine "Botschaft Germanitien" aufgemacht hat. "Unser Staatsschutz hat da bereits ein Auge drauf", sagte die Polizeisprecherin.Die "Reichsbürger" aus Löhne haben sich viele Namen gegeben. Sie nennen sich "Selbstverwalter" oder "Justizopferhilfe NRW" oder jüngst "Freikirche Volksgruppe Germanitien". Dahinter stecken Rechtsextremisten, die an den Fortbestand des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 glauben und die Bundesrepublik für eine Firma halten.Ihre Anhänger lehnen es deshalb in der Regel ab Steuern, KfZ-Gebühren oder Knöllchen zu bezahlen. Sie basteln sich eigene Ausweise und Führerscheine und veröffentlichen ihre rechte Gesinnung in meterlangen Faxen oder E-Mails an Polizeibehörden, Gerichte und Stadtverwaltungen.Das krude Weltbild der "Reichsbürger" führt zu vielen Konflikten, die meist vor Gericht enden. Die Löhner "Justizopferhilfe NRW" hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Sie hat vermeintlichen Justizopfern Hilfe gegen Geld angeboten. Ihre Unterstützung hat die Lage der Klienten jedoch verschlimmert. «Der Eigentümer des Löhner Gebäudes, in dem die "Justizopferhilfe NRW" bislang ein Büro unterhielt, Ralf W., verbrachte als säumiger Steuerschuldner seinen 50. Geburtstag in Erzwingungshaft und verlor Hab und Gut. Bei der Zwangsversteigerung seiner Immobilie vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen erklärte Ralf W. öffentlich seine Trennung von den alten Weggefährten: Die "Justizopferhilfe NRW" habe ihn ausnehmen wollen und manipuliert, behauptete er.

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