Löhne

Ein Germanit fährt Reichsauto

Anhänger der rechtsextremen Justizopferhilfe ändert amtliches Nummernschild / Straßenverkehrsamt: "Das ist eine Straftat"

Verfälschtes Autokennzeichen. | © Foto: Ulf Hanke

29.10.2014 | 29.10.2014, 05:00

Löhne (ulf). Auto-Aufkleber wollen provozieren. Klassiker wie "Ich bremse auch für Igel" rollen seit Jahrzehnten auf den Heckscheiben motorisierter Tierschützer durch die Asphaltwüsten der Republik. Die meisten Kleber erreichen eine überschaubare Öffentlichkeit, weil sich andere Autofahrer darüber erregen, wenn sie selbst an der Stoßstange des Vordermanns kleben. Es gibt aber auch Aufkleber, die das Kennzeichen verändern. Das kann eine Straftat sein. Einen solchen Fall gibt´s nun in Löhne.

Vor dem Büro der rechtsextremen "Botschaft Germanitien" parkt seit Wochen ein Volkswagen Golf aus dem Kreis Viersen mit verändertem Nummernschild. Statt Europas Sternen auf blauem Grund kreist in der linken Ecke des Kennzeichens ein Adler, in den Klauen hält er Schwert und Blitze. Im Hintergrund leuchten die Farben des untergegangenen Deutschen Reichs: Schwarz, Weiß, Rot. Der Rest des Kennzeichens ist unverändert, die Plakette der letzten Hauptuntersuchung auf der Rückseite des Fahrzeugs ist gültig.

Solche Reichs-Aufkleber werden für kleines Geld im Internet verkauft, die großen Schlagzeilen gibt´s gratis dazu. Mit einer vergleichbaren Masche hatte zum Beispiel der selbst ernannte "Oberste Souverän des Königreichs Deutschland", Peter Fitzek aus Wittenberg, in Sachsen-Anhalt die Staatsgewalt provoziert. In Begleitung eines Fernsehteams kurvte er mit eigenen Königreichs-Kennzeichen im dunklen BMW so lange durch die Stadt, bis die Polizei eine Anzeige aufnahm.

Der Fall in Löhne kommt weniger marktschreierisch daher. Dennoch ist das neue Design der Europa-Ecke nach Überzeugung von Klaus-Peter Fischer laut Paragraf 22 des Straßenverkehrsgesetzes "Kennzeichenmissbrauch". Der Leiter des Straßenverkehrsamts im Kreis Herford sagt zu dem Fall aus Löhne: "Das ist eine Straftat." Veränderungen des amtlichen Kennzeichens würden mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet, zitiert Fischer das Gesetz.

Im Büro des Fantasiestaats Germanitien kennt Sprecher Axel Thiesmeier den Dauerparker mit den Reichsfarben, verneint aber jeglichen Zusammenhang mit dem Verein. Auf Anfrage der NW behauptete Thiesmeier: "Das ist nichts Strafbares." Als angeblichen Beleg faxte er ein Schreiben der Stadt Rheda-Wiedenbrück. Thiesmeier betonte, dass es sich bei dem Reichsauto um ein "privates Fahrzeug" eines Germaniten handele. Er könne nur spekulieren, warum der Halter sein Auto so gestaltet habe. Thiesmeier: "Vielleicht fand er dieses jüdische Europa nicht so toll und wollte mit dem finanziellen Judentum nichts zu tun haben." Die Frage, ob das Fahrzeug versichert sei, bejahte er: "Es werden sogar widerrechtlich Steuern bezahlt."

Thiesmeier nahm die Anfrage zum Anlass, um erneut die Legitimität der Bundesrepublik und ihrer Verfassung anzuzweifeln. Zugleich kündigte der Sprecher an, dass sein Verein Anfang nächsten Jahres eine Lebensmittelausgabe in den Räumen an der Lübbecker Straße für Bedürftige einrichten wolle. Außerdem wolle er nicht länger als Sprecher der Justizopferhilfe in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sondern als Seelsorger, Pastor oder Missionar der "Freikirche Aktive Christen".

Die Polizei hat bislang noch kein vergleichbares Reichsauto im Kreis Herford gesichtet.