Anruf genügt: Nachbarschaftshilfe erledigt Einkäufe für Corona-Risikogruppe

Hiddenhausen/Herford. Sven Gilles aus Schweicheln verfolgt die Nachrichtenlage rund um die Auswirkungen der Corona-Epidemie aufmerksam. So auch am Freitagmorgen auf dem Weg zur Arbeit. Im Radio wurde über eine junge Österreicherin berichtet. Sie erledigt in Wien Einkäufe für Menschen, die wegen ihres höheren Alters oder einer Vorerkrankung ein hohes Risiko in sich tragen, dass eine Infektion einen besonders schweren Krankheitsverlauf nach sich zieht. Ein Anstehen zwischen vielen Menschen an der Kasse ist da wenig ratsam. Wie hoch der Bedarf ist, ist noch nicht klar "Das ist etwas so Gutes, das müsste man hier auch anbieten", dachte sich der 32-Jährige. "So zwei bis drei Einkäufe am Tag könnte ich schaffen." Kaum angekommen im Büro veröffentlichte er die Idee mit seinem Smartphone im Internet in der über 11.000 Mitglieder starken Facebook-Gruppe "Herford verbindet". Er warb um Unterstützung, denn wie hoch der Bedarf tatsächlich ist, kann Sven Gilles nicht einschätzen. Es dauerte nicht lange, und sieben Leute hatten sich gefunden, die auch bereit sind, sich ehrenamtlich und kostenfrei als Einkäufer zu engagieren. Sven Gilles meint, dass die Betroffenen, wohl überwiegend ältere Leute, sich dem Risiko einer Ansteckung gar nicht erst aussetzen und zu Hause bleiben sollten. Er vermutet, dass sich mancher auch gar nicht mehr traut, hinauszugehen. Was er nicht weiß ist, wie gut die Hilfe in der Not von Familie, Freunden, Verwandten und echter Nachbarschaft schon funktioniert. Er weiß aber, dass viele erwachsene Kinder gar nicht mehr in der Nähe ihrer Eltern wohnen. Außerdem kann es vorkommen, dass sich eigentlich hilfsbereite Familienmitglieder in Quarantäne befinden. "Wir wollen den Älteren die Sorge nehmen" "Ich finde es wichtig, dass wir dieser Generation jetzt helfen, die diesen Sozialstaat mit aufgebaut und uns ein gutes Leben ermöglicht hat", sagt Gilles. "Wir wollen den Älteren die Sorge nehmen." Zielgruppe der Hilfsaktion sind aber auch jüngere Menschen, die unter Quarantäne stehen und niemanden haben, der für sie einkauft. Auf die Nachricht in der Herforder Facebook-Gruppe stieß auch der Engeraner Lutz Plöger. "Eine klasse Idee", fand er und startete einen ähnlichen Aufruf in der Gruppe "Enger-Widukind-Stadt". Die Gruppe hat 1.280 Mitglieder. Er fand sofort 20 Helfer für Enger und Spenge. Plöger wohnt in Westerenger genau auf der Grenze. "Meine Frau Susanne und ich übernehmen das Telefon", sagt er. Er hat schon eine Landkarte aufgehängt und die Adressen der freiwilligen Einkäufer markiert. Was muss jemand tun, der seinen dringenden Einkauf nicht mehr selbst erledigen kann oder sollte? Beide Gruppen haben eine Telefonnummer eingerichtet. Gerade für ältere Menschen ist das gängigste Mittel der Unterhaltung noch das Telefon. Wo man anrufen kann Menschen aus Herford und Hiddenhausen können sich unter der Nummer (05221) 6936902 melden. Für Enger und Spenge lautet die Telefonnummer (05225) 873573. Unter diesen Nummern werden Name, Adresse, Telefonnummer und Einkaufsliste notiert. Die Initiatoren freuen sich auf den Anruf von Menschen, die Hilfe brauchen, also ist Scheu nicht angebracht. Wer in Facebook unterwegs ist, kann natürlich auch hier seine Wünsche anmelden. Die Initiatoren haben jeweils Whats-App-Gruppen gegründet und kommunizieren so mit ihrem Smartphone untereinander. So werden gegebenenfalls Aufträge verteilt. Noch hat es aber keine Anfrage gegeben. Einkäufer arbeiten ehrenamtlich Die "Auftraggeber" werden angerufen und informiert, was der Einkauf kostet. Sie können dann das Geld an einem vereinbarten Ort deponieren, wo auch der Einkauf einschließlich Wechselgeld abgelegt wird. Denn ein dankbarer Händedruck und ein zu naher Kontakt wären ja in Zeiten von Corona ein weiteres vermeidbares Risiko. Trinkgeld wollen die Helfer nicht kassieren. Gibt jemand dann doch einen Euro mehr, soll das Geld für soziale Projekte gespendet werden. Zwei Frauen aus dem Helferkreis in Enger/Spenge arbeiten in Supermärkten und sind bereit, die Einkäufe schon vorab zusammen zu stellen. Vielleicht wollen sich die Helfer aus Herford und Hiddenhausen auch mit Supermärkten in dieser Weise arrangieren, wenn der Bedarf steigt. Bei den genannten Telefonnummern kann sich auch melden, wer als Einkäufer mitmachen möchte.

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