Herford

Von Asseln und Abschlepp-Ösen

Herbert Willms erforscht Jugendsprache/ Ausdrücke dienen der Abgrenzung

"Jugendliche haben eine ganz eigene Sprache", sagt Herbert Willms. So könne das "Schnitzel" statt eines Stücks Fleisch eine hübsche Frau bezeichnen. Die "Netzhautpeitsche" wäre das genaue Gegenteil. | © KARRIKATUR: HSB-CARTOON

15.11.2014 | 15.11.2014, 00:00

Herford. Erst kürzlich stritten sich zwei seiner Enkel. Dabei sah Pensionär Herbert Willms, dass einer von ihnen "HDGDL" in sein Handy tippte. Die Abkürzung stand bislang für "Hab' dich ganz doll lieb". Heute aber, sagt Willms, bedeutet der Ausdruck noch etwas anderes. "Für die Kinder hieß HDGDL ,Hab dich gedisst, du Loser'." Das Verb "dissen" fügte der pensionierte Schulleiter seiner Sammlung hinzu.

Herbert Willms beschäftigt sich mit Jugendsprache. Schon zu seiner eigenen Schulzeit war er sprachlich interessiert. Als Schulleiter unterrichtete er Fremdsprachen. In den Klassenzimmern und auf den Fluren der Schule fiel ihm irgendwann auf, dass es da noch eine Sprache zu geben schien. Sie verfügte über ein ganz eigenes Vokabular und neue Grammatikregeln.

"Ich begann, Ausdrücke und Redewendungen zu sammeln und ihre Bedeutung zu recherchieren", erzählt Willms. Dabei habe er festgestellt, wie fantasie- und humorvoll Jugendsprache in vielen Bereichen sei. Und wie stark sie sich in kürzester Zeit verändere. Über seine Sprachleidenschaft hält Willms auch öffentliche Vorträge. "Für mich ist die Jugendsprache einfach ein besonders spannender Soziolekt", sagt er.

Der Begriff beschreibt eine sprachliche Varietät, die durch eine ganze bestimmte Gruppe - wie zum Beispiel Kinder und Jugendliche - hervorgebracht, benutzt und verändert wird. Auch die sogenannte Soldatensprache oder Szene-Sprachen wie der Sprayer-Jargon fallen unter diesen Begriff. Anders als andere Soziolekte leiste die Jugendsprache aber in erster Linie Protest, sagt Willms. "Jugendliche grenzen sich durch ihre eigene Ausdrucksweise ab, spielen und identifizieren sich damit."

Den Gebrauch der Jugendsprache und ihre stetigen Veränderungen beobachtet Willms überall. "Meine Informationen beziehe ich von meinen Enkeln, von Lehrern, aus dem Internet, dem Fernsehen und natürlich von Spaziergängen durch die Stadt." Aufmerksam zuhören, sagt er, sei dabei das A und O. Er schnappe häufig Redewendungen auf, die ihn amüsieren. Das kann der "Intelligenzallergiker" sein, der einen inkompetenten Mitarbeiter beschreibt, die "Abschlepp-Öse" (ein Piercing), die "Assel" (primitiver Sprücheklopfer) oder der Spruch "Boah Alder, war auf'm Poppertoaster. Voll die Hummerhaut." "Der Poppertoaster ist das Solarium, und die Hummerhaut, naja, Sie können es sich denken", sagt Willms und lächelt verschmitzt.