HERFORD

Der Ton-Tüftler, der keine Musik hört

Glockenklang: Udo Klempt-Gießing baut hochwertige Anlagen für den Weltmarkt

12.10.2011 | 12.10.2011, 13:00

Herford. Eine Geschichte wie aus dem Roman: Elektronik-Tüftler trifft auf talentierten aber mittellosen Gitarristen und baut gemeinsam mit ihm einen Verstärker, den "Sommersell-Waldmeister". Was danach in den wilden Siebzigern geschieht, ist fast schon zwangsläufig.

Der in Detmold aufgewachsene Herforder Udo Klempt-Gießing (61) widmet sich ein Jahr lang der Anordnung von Schaltkreisen und dem Löten von Leiter-Platinen für nuancenreiche Bassverstärker, detailreiche Lautsprecher und effiziente Studio-Technik.

Der großgewachsene Lipper hält sich in dieser Zeit mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Mitsamt seiner Wohngemeinschaft zieht er nach Sommersell bei Barntrup und baut dort Lautsprecher. "Davon konnte ich leben - ganz bescheiden", erinnert sich Klempt-Gießing.

Kurz darauf, in der Hochphase des Krautrocks, übernimmt er bei einem befreundeten Händler aus Gütersloh die Werkstatt-Leitung. Klempt-Gießing kommt mit Deutschrock-Bands wie Epitaph oder Kathargo in Kontakt und stattet sie mit selbst entwickelten Mischpulten oder Verstärkern aus.

Auch die damals angesagte Band "Kraan" greift auf Klempt-Gießings Erfindungsreichtum beim Lautsprecherbau zurück. Ein Jahr lang geht der Tüftler mit der Formation aus dem lippischen Wintrup als Roadie (Techniker und Aufbauverantwortlicher) auf Tournee.
Nach Aufnahmen für ein neues Album bleibt Udo Klempt-Gießing im Studio des legendären Tonmeisters Conny Planck im rheinischen Wolperath hängen.

Ein weiterer Erfahrungs-Mo-saikstein für die Gründung der eigenen Firma: Glockenklang. Eine Gemeinschafts-Wortschöpfung von Klempt-Gießing und Planck. Der deutsche Name ist gewollt, an den weltweiten Verkauf seiner Produkte verschwendet der Ton-Tüftler damals kei-nen Gedanken.

Die Zeit im Studio öffnet Klempt-Gießing weitere Türen. "Damals kam auch die Band Grobschnitt auf mich zu und batmich, ihnen eine maßgeschnei-derte Übertragungs-Anlage zu bauen", erinnert sich der Self- made-Unternehmer, der seit 1995 eine Manufaktur mit jetzt vier Mitarbeitern (drei Techni-ker, ein Außendienstler) in Her-ford betreibt.

Für Grobschnitt entwickelt erein so genanntes "Noisegate" (ein Effektgerät, das leise Ab-schnitte in der Signalübertra- gung unterdrückt). Es geht in Serie, verkauft sich weltweit mehr als 1.000 mal. Für Klempt-Gie-ßing der Beginn der Serienpro-duktion, die ihm mittlerweile weltweit eine feste Fangemeinde unter Musikern eingebracht hat. Die Grobschnitt-Anlage mit ihren vielen direkt abstrahlenden Lautsprechern wird auch beim Joan-Baez-Konzert in Düsseldorf aufgebaut. Veranstalter-Urgestein Fritz Rau sieht die gewaltige Wand und flucht: "Das ist doch kein Hardrock-Konzert." Nach dem Auftritt bedankt er sich bei Klempt-Gießing für den "fantastischen Klang".

1984 wird Klempt-Gießing Vater von Sohn Helge und bleibt fortan in seiner Werkstatt. Dort entsteht ein 17.000 D-Mark teurer Verstärker für einen Bass spielenden Freund, Spitzname Bugatti. Klar, dass das Modell diesen Namen trägt. Prompt kam Post aus Italien: "Die traditionsreiche Automarke wollte einen Sitz im Glockenklang-Aufsichtsrat", lacht Klempt-Gießing. Nach einem Briefwechsel war das Ansinnen vom Tisch.

Mit "Bugatti" ist der Entwickler bis heute befreundet. "Nur er darf neu entwickelte Bass-Verstärker testen, weil er fest vorgegebene Tonfolgen spielt." So kann der Anhänger der reinen Klanglehre ungewollte Tonverfärbungen erkennen - und ausmerzen. Ist der Verstärker abgeschaltet, kehrt Stille ein in der Glockenklang-Werkstatt: "Privat höre ich eher wenig Musik", verrät der Tüftler, der auch kein Instrument beherrscht.

Eingeleitet ist bereits der Generationenwechsel: Sohn Helge übernimmt die Fertigung an der Eimterstraße, Vater Udo konzentriert sich jetzt nur auf die Entwicklung in der gemütlichen neuen Tüftler-Klause an der Fürstenaustraße.