HERFORD

Nach dem Schwur in den Kampf

Der Herforder Jude Rolf Weinberg starb im Alter von 92 Jahren in London

Die Familie Weinberg. | © FOTO: PRIVAT

15.07.2011 | 15.07.2011, 11:30

Herford. "Die Welt und die jüdische Gemeinschaft haben einen außergewöhnlichen Menschen verloren." So schreibt es Walter E. Goddard (91), Weggefährte von Rolf Weinberg, in seinem Nachruf auf den gebürtigen Herforder, der im Alter von 92 Jahren gestorben ist.

Er ist der Letzte aus der Schokoladenfabrikanten-Familie Weinberg. Die Erfahrungen als jüdischer Schüler des Friedrichs-Gymnasiums sei entscheidend für seine Zukunft gewesen. "Er und seine Schwester Erika wurden 1933 angepöbelt und in der Turnhalle angegriffen. Die Lehrer sahen grinsend zu."

Weinberg verließ die Schule vorzeitig, absolvierte eine Lehre in einer Strickwarenfabrik in Stuttgart und erwarb schließlich in Reutlingen das Ingenieur-Diplom für Textiltechnik.

Als er 1938 vor einer bevorstehenden Deportation gewarnt worden war, gelang es dem damals 19-Jährigen, sich in Hamburg ein Visum für Uruguay zu beschaffen. "Als das Schiff auf dem Weg nach Montevideo das deutsche Hoheitsgebiet verlassen hatte, schwor er, die Hand auf der Bibel, sein Leben lang Judenhass und Nazismus zu bekämpfen", schreibt Goddard.

Bei Kriegsausbruch stellte Weinberg sich der britischen und der französischen Vertretung zur Verfügung.Bei der Selbstversenkung der "Graf Spee" soll er eine Rolle gespielt haben.Nach einer Schlacht lag der Panzerkreuzer im Hafen von Montevideo, um repariert zu werden. Weinberg mischte sich unter die Mannschaften, um das Gerücht zu verbreiten, britische Kriegsschiffe hätten sich vor der La-Plata-Mündung versammelt, um die Graf Spee anzugreifen. Daraufhin versenkten die Deutschen ihr Schiff.

1941 wurde Weinberg in die Freie Französische Armee von General de Gaulle aufgenommen. Von da an nannte er sich Henri Rovey. Im Libanon verhörte er gefangene deutsche Offiziere des Afrika-Corps. In den folgenden Jahre kämpfte er unter General Koenig mit Montgomerys 8. Armee in Nordafrika.

Erbeutete Waffen brachte er für die paramilitärische Untergrund-Organisation Haganah nach Palästina. Bei dieser Gelegenheit lernte er Moshe Dayan kennen.

Im Juli 1943 wurde Rolf Weinberg zum Major befördert. Er kämpfte in mehreren Schlachten an vorderster Front und wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit der Médaille Militaire, was dem Victoria Cross der Britischen Armee entspricht.

Nach dem Krieg arbeitete Weinberg vier Jahre lang als Ingenieur in Deutschland. In Spanier führte er mit seiner Frau Sara ein Herren-Konfektionsgeschäft - und entging zweimal knapp einem palästinensischen Anschlag. Nachdem seine Frau 1990 gestorben war, zog er nach London und lebte dort bis zu seinem Tode mit Ruth, seiner Jugendfreundin aus Stuttgarter Tagen.