HERFORD

Die Seele des Arbeitsgerichts

Angela Schmalhorst, 38 Jahre Verwaltungsleiterin, wechselt in den Ruhestand

Angela Schmalhorst, Geschäftsleiterin des Arbeitsgerichts Herford, übergibt vor den Augen von Gerichtsdirektor Joachim Kleveman die letzten Akten an ihre Nachfolgerin Sigrid Kerschling. Mit 64.000 Akten hatte sie in ihrer Zeit zu tun. | © FOTO: RALF BITTER

02.07.2010 | 02.07.2010, 00:00

Herford. Gerade 21 Jahre alt war Angela Schmalhorst, als sie 1972 als Rechtspflegerin und bald Verwaltungsleiterin ans Arbeitsgericht Herford kam. Seither führt sie dessen Geschäfte, half Tausenden von Ratsuchenden, begleitete fünf Direktoren und prägte den Stil des Hauses. Nach 38 Jahren stellte sie gestern ihre Nachfolgerin vor: Sigrid Kerschling.

Schmalhorsts letzte Aufgabe bestand darin, einen neuen Online-Ergebnisservice für Herford einzurichten: Seit einigen Tagen sind alle Entscheidungen der drei Gerichtskammern einschließlich Urteils-Tenor kurz nach Ende der Verhandlung im Internet abzurufen.

Die erste große Herausforderung 38 Jahre vorher war profaner: "Ich musste Schreibmaschine lernen, um in der Rechtsantragstelle ordnungsgemäß Klagen aufnehmen zu können", erinnert sie sich.
 
Die junge Herforderin hatte es nach Abitur am Königin-Mathilde-Gymnasium, Rechtspflegerexamen in Düsseldorf und kurzem Gastspiel bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft in die Arbeitsgerichtsbarkeit ihrer Heimatstadt verschlagen. Das war damals eine vierköpfige Einheit um einen Oberarbeitsgerichtsrat namens Gehrke. "Es war wie in einer Familie", erinnert Schmalhorst sich.

Diese Familie bekam bald Nachwuchs: 1975 kam Wolf Oltmanns als Direktor, bald darauf Fritz Sauerländer und 1984 Heinz-Werner Heege als zusätzliche Richter, die Oltmanns nacheinander auch als Direktoren nachfolgten.

Information

Die Nachfolgerin: Sigrid Kerschling

Sigrid Kerschling, Diplom-Rechtspflegerin aus Bielefeld (Abiturjahrgang 1978), ist seit 1982 in der Arbeitsgerichtsbarkeit tätig, mit Stationen in Bielefeld, Bochum (dort seit 1997 als Geschäftsleiterin), Minden und wieder Bochum. Frau Kerschling lebt in Bielefeld.

Sie kommt als überaus erfahrene Geschäftsleiterin mit einer halben Stelle nach Herford, bleibt aber auch in Bochum aktiv.

Dass sie nur auf einer halben Stelle in Herford arbeitet, ist die Folge von Stellenkürzungen im Bezirk des Landesarbeitsgerichts Hamm. "Wir sind froh, dass wir die die halbe Stelle bekommen haben und hoffen, dass sie irgendwann aufgestockt wird", sagt Direktor Joachim Kleveman.

Geschäftsleiterin Schmalhorst organisierte die Verwaltung, beriet in der Rechtsantragstelle Ratsuchende und steuerte die Erweiterung von einer auf drei Kammern. 1982 musste sie den Umzug vom landeseigenen Verwaltungshaus an der Elverdisser Straße ins VHS-Gebäude am Münsterkirchplatz, knapp 20 Jahre den Weg zurück an die "Elverdisser" regeln.

Umsicht, Präzision, Zuverlässigkeit, Charme, Gespür für Menschen: Ihr Umfeld ist seit langem des Lobes voll für die Arbeit der Geschäftsleiterin, die oft als "Seele des Arbeitsgerichts" beschrieben worden ist.

Tatsächlich hat Herford in der örtlichen Anwaltschaft ebenso wie in der westfälischen Arbeitsgerichts-Szenerie den Ruf einer bestens funktionierenden Einheit - was eindeutig auf sie zurück geführt wird.

"Ich hätte in vielen Fällen nicht gewusst, was ich ohne sie angefangen hätte", bekannte etwa der langjährige Direktor Fritz Sauerländer.

Ähnlich äußert sich der heutige Bielefelder Arbeitsgerichtsdirektor Heinz-Werner Heege, der bis heute von der klaren Struktur ebenso wie von der menschlich angenehmen Atmosphäre am Gerichtsstandort Herford schwärmt.

Zusätzliche Einblicke und Erfahrungen gewann Ver.di-Mitglied Schmalhorst als langjährige Personalratsvorsitzende (1991-2004) im Bezirk des Landesarbeitsgerichts Hamm. Dort drängte sie auf den Einsatz neuer Technologien und gestaltete die Umstellung von Geschäftsstellen auf Service-Einheiten mit.

Das Wissen konnte sie vor Ort unmittelbar anwenden, ebenso wie die Erfahrungen, die sie als Mitglied der Grünen und des Stadtrates (seit 1984) sowie als stellvertretende Bürgermeisterin (2004-2009) in Herford sammelte.

Mit Wirkung vom 30. Juni wurde Angela Schmalhorst in den Ruhestand versetzt. Ihre Nachfolgerin hat sie noch eingearbeitet, gestern übergab sie die letzten Akten.

"Den Abschied von Frau Schmalhorst als langjährige, erfahrene und qualifizierte Geschäftsleiterin bedauern wir sehr", bekannte der amtierende Gerichtsdirektor Joachim Kleveman - seit Januar der letzte in der Reihe der richterlichen Chefs, die sie begleitete. Zur Ruhe setzen wird Angela Schmalhorst sich nicht: Sie bleibt kommunalpolitisch aktiv und engagiert, womöglich jetzt mit mehr Muße, wie sie gestern andeutete.