Herford

Die Synagoge der Gemeinde Herford-Detmold wurde feierlich eröffnet

Hava nagila: "Lasst uns glücklich sein"

15.03.2010 | 15.03.2010, 08:24
Neue Synagoge feierlich eröffnet - © HERFORD
Neue Synagoge feierlich eröffnet | © HERFORD

Herford. Gestern war der "Lätare", der Sonntag, der nach der evangelischen und katholischen Liturgie "Freue dich" heißt. Einen historischen Grund zur Freude hat die jüdische Gemeinde Herford-Detmold: Die neue Synagoge an der Komturstraße wurde festlich eingeweiht.

In Stein gemeißelt ist die Zahl des Jahres, in dem das Gotteshaus ursprünglich hätte eingeweiht werden sollen: 2009 für die Christen, 5770 für die Juden.

Am 14. März 2010, dem Tag der Einweihung, waren so viele Ehrengäste versammelt wie selten in der Herforder Geschichte. Mit dem Anschrauben der "Mesusa", das heißt Türpfosten, deren Inhalt aus dem Glaubensbekenntnis "Schma Jisrael" besteht, begann die Feierstunde. Grundstein jüdischen Glaubens ist die Thora. Vier Rabbiner trugen die fünf Bücher Mose in vier prunkvoll verzierten Behältnissen in den Betsaal und "hoben" die Rollen in den Schrein "ein", begleitet vom voluminösen Gesang des Kantors Jakow Zelewitsch: "Wie schön sind deine Zelte, Jakow, deine Wohnstätten Jisrael". Rabbiner Shimon Großberg entzündete das ewige Licht, "Ner Tamid". Ein ewiges Licht brennt auch in der katholischen Kirche St. Johannes-Baptist gegenüber.

Standfestigkeit, Selbstbewusstsein und neue Verwurzelung in der Stadt

Die Musik in der Synagoge unterscheidet sich hörbar. Der 30. Psalm erscholl freudig-rhythmisch bis deklamatorisch-klagend.Einen strengen und doch warmen Akzent setzten der Bratschist Mikhail Mouller und der Pianist Matitjahu Kellig. Die Professoren an der Musikhochschule Detmold spielten "Processional und Affirmation" aus der Suite Hebräique von Ernst Bloch.

Angeführt von Ruben Heinemann, Harry Rothe und dem Rabbiner Julian Chaim Soussan (v.r.) ziehen die Gäste durch die neue Synagoge. Ganz rechts schließt sich der Pianist Professor Matitjahu Kellig an. - © FOTO: FRANK-MICHAEL KIEL-STEINKAMP
Angeführt von Ruben Heinemann, Harry Rothe und dem Rabbiner Julian Chaim Soussan (v.r.) ziehen die Gäste durch die neue Synagoge. Ganz rechts schließt sich der Pianist Professor Matitjahu Kellig an. | © FOTO: FRANK-MICHAEL KIEL-STEINKAMP

"Ein zukunftsweisendes Zeichen des Vertrauens in die deutsche Demokratie, ein weithin sichtbares Zeichen des Fortbestandes des Judentums in Deutschland" nannte Harry Rothe , der Vorsitzende der jüdische Gemeinde, die neue Synagoge. Das Gotteshaus stehe buchstäblich für Standfestigkeit, Selbstbewusstsein und für eine neue Verwurzelung in der Stadt. Sein Willkommen gilt auch den Einwanderern, "die ihr neues Judentum suchen". Für alle Menschen in Herford und Umgebung soll die Synagoge ein Ort der Begegnung werden. Erste Führungen sind für den April vorgesehen.

Dr. Charlotte Knobloch, die scheidende Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, setzte sich mit der historisierenden Architektur des Hauses auseinander. Sie sei steingewordene Erinnerung an die alte jüdische Gemeinde. Der Zivilisationsbruch vom 9. November 1938 sei nicht aufgenommen worden. Das "persönliche Kompliment" an die Architekten Paul-Gerhard Dahlmeier sowie Rolf und Marc Recksiek galt dem Sternenhimmel an der gewölbten Decke. Dort leuchtet es 248 mal, die Zahl der Gebote im Judentum. Im Gesamtbild ist es der Himmel über Jerusalem zum Neujahrsfest (19. September 2009).Der Wunsch der Vorsitzenden: "Mögen die Sterne allzeit günstig stehen."

Ministerpräsident Dr.Jürgern Rüttgers gab der wachsenden Gemeinde eine Verheißung aus dem Buch des Propheten Jeremia auf den Weg: "Sie werden wie ein bewässerter Garten sein und nie mehr verschmachten." Damit gab er seinem Wunsch Ausdruck, dass jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen nicht allein reduziert werde auf das Vertrauen in dieses Land und seine Menschen, sondern, dass es "Früchte trägt, dass es verändert, bewegt und belebt."

Seit 40 Jahren eine Gemeinde

Einen Mikrokosmos nannte Rabbiner Julian Chaim Soussan (Düsseldorf) die Synagoge: "Es ist nicht allein der Ort, der heilig ist, das Tun muss es sein." Dem Gemeindeleben wünschte der Geistliche eine "lebendige Herzlichkeit".

Das Prophetenwort "Suchet der Stadt Bestes" stellte Herfords Bürgermeister Bruno Wollbrink in das Zentrum seines Grußwortes. Dieser Tag habe fürwahr eine historische Dimension. In seinem Aufruf zur Toleranz sagte Wollbrink: "Eine funktionierende Demokratie setzt Achtung der Minderheit voraus."

1970 hatten sich die Gemeinden Herford und Detmold zusammen geschlossen. "Jetzt haben wir endlich eine Erinnerungskultur", sagte Detmolds Bürgermeister Rainer Heller, nachdem er bekannt hatte, dass seine Stadt lange gebraucht habe, sich seiner antisemitischen Geschichte zu stellen.

Einen Rückblick auf die jüdische Geschichte in Herford, die im Jahr 1306 mit einer ersten urkundlichen Erwähnung begann, gab Hanna Sperling, die Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Westfalen-Lippe. Vier kleine Gemeinden gibt es in dieser Region, und die Herforder Synagoge ist der fünfte Neubau in Nordrhein-Westfalen seit Mitte der 1990er Jahre. Auch das ein Grund zur Freude. Sie fand ihren bewegenden Ausdruck im dem Lied Hava nagila, "Lasst uns glücklich sein".Rabbiner und Gäste sangen es tanzend. Und dann erscholl der Ruf Masal tow, "Viel Glück!"