Herforder Initiative hilft Betroffenen aus ganz OWL nach Genitalverstümmelung

Herford. Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als 230 Millionen Mädchen und Frauen von Genitalbeschneidung betroffen, mehr als vier Millionen gelten als bedroht. Vor allem in Afrika, im Nahen Osten und Asien sind die brutalen und lebensbedrohlichen Praktiken bis heute üblich. Dabei gilt weibliche Genitalverstümmelung hierzulande als Asylgrund. Trotzdem ist sie ein großes Tabuthema. Manchmal ist es Unwissenheit, manchmal die Angst, mit alten Traditionen zu brechen oder als &bdquo;unrein“ zu gelten: Immer wieder gibt es Berichte über Mädchen, die sich in Deutschland in Sicherheit wiegen, aber von ihren Familien in die alte Heimat gebracht und gezwungen werden, an Sammelbeschneidungen teilzunehmen. &bdquo;Die Frauen und Mädchen sind oft traumatisiert. Sie haben Angst – auch vor der eigenen Familie“, sagt Anna Douti von der Beratungsstelle &bdquo;YUNA“. Häufig gehe der Druck für die Beschneidung von den Müttern, Schwieger- oder Großmüttern aus erklärt sie. Hierzulande sind laut der Dunkelzifferschätzung der Organisation Terre des Femmes aus dem Jahre 2022 bis zu 104.000 Frauen betroffen; bis zu 17.700 Mädchen gelten als gefährdet. Mehr zum Thema: Tausenden Mädchen in Deutschland droht Genitalverstümmelung Genitalverstümmelung birgt lebenslange Folgen Allein in NRW leben laut dieser Statistik 15.200 Frauen, die in ihrer Kindheit und Jugend beschnitten worden sind. Eine massiv brutale &bdquo;Tradition“: Mit stumpfen Rasierklingen oder Glasscherben werden die Genitalien der jungen Mädchen ohne Betäubung verstümmelt, die &bdquo;Geräte“ werden nicht desinfiziert und immer wieder verwendet. Die Vulva wird häufig mit Dornen zugenäht – es bleibt bisweilen nur eine erbsengroße Öffnung. Frauen, die die brutale Prozedur überleben und nicht an einer schweren Infektion sterben, haben ihr Leben lang mit den Folgen zu kämpfen. Dennoch spricht nur ein Teil der Frauen überhaupt über ihr Leid und Leiden. &bdquo;Oft wird die Genitalbeschneidung nur in einem Nebensatz gegenüber den Mitarbeitern in der Flüchtlingsunterkunft oder Asylberatung erwähnt. Dadurch werden die Betroffenen dann an uns weitervermittelt“, berichtet Janne Grotehusmann. Sie arbeitet wie Anna Douti und Corinna Dammeyer in der Beratungsstelle mit Sitz in Herford, die vor einem Jahr eröffnet wurde. Hier werden Frauen aus ganz Westfalen-Lippe beraten, die von FGM/C (die internationale Abkürzung von &bdquo;female genital mutilation/cutting“) betroffen sind oder denen die illegale Beschneidung droht. Selbst Mediziner sind bei beschnittenen Frauen verunsichert Die Mitarbeiterinnen kümmern sich um Prävention und Nachsorge, aber auch um Aufklärung. Denn viele würden nicht einmal den Zusammenhang zwischen dem, was ihnen im Kindesalter angetan wurde, und ihren aktuellen gesundheitlichen Problemen kennen: &bdquo;Sie wissen nicht, wie eine nicht beschnittene Vulva aussieht.“ Anna Douti berichtet von einem jungen Paar, das sich nicht erklären konnte, warum die beschnittene Frau beim Sex keine Gefühle entwickeln konnte. Oder von der Mutter, die meinte, ihre nicht beschnittene Tochter habe ein anormales Geschlechtsteil. In Workshops fängt das &bdquo;YUNA“-Team bei den Basics an, erklärt zum Beispiel anhand von Modellen die Anatomie der weiblichen Genitalien. Lesen Sie auch: Expertin wünscht sich, dass kein Mädchen beschnitten wird Verunsicherung im Umgang mit beschnittenen Frauen gebe es auch in den Ämtern, Migrantenberatungen und Flüchtlingsunterkünften, sogar unter Medizinern. Auch ihnen steht das Trio zur Seite und bietet Einzel- und Gruppenberatung an. Zudem vermittelt &bdquo;YUNA“ von FGM/C betroffene Frauen an Rechtsanwälte, die im Asylverfahren helfen, sowie an erfahrene Hebammen und Ärzte – und unterstützt in dem Wunsch der Rekonstruktion, für die es spezialisierte Ärzte und Ärztinnen gibt. Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung In Deutschland wurde 2021 ein Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung eingeführt. Darin wird ausführlich über die Strafbarkeit eines solchen Eingriffs aufgeklärt. Der Schutzbrief soll im Ernstfall den Verwandten vorgelegt werden. Denn neben den jungen Mädchen seien auch bereits beschnittene Frauen bedroht, die in manchen Regionen im späteren Alter weitere Prozeduren über sich ergehen lassen müssten. Kann der Schutzbrief wirklich nützen? Janne Grotehusmann und Anna Douti halten ihn zumindest für hilfreich, um darüber aufzuklären, dass die Genitalverstümmelung im In- und Ausland in Deutschland unter Strafe steht und mit einer langjährigen Haftstrafe sowie dem Verlust des Aufenthaltstitels bestraft werden kann. Lesen Sie auch: Gewalt gegen Frauen - EU stimmt für schärfere Regeln Ganz verhindern werde das amtliche Dokument, das die Frauen immer bei sich führen sollten, die Beschneidungen jedoch nicht. Gerade deshalb sei Aufklärung so wichtig. &bdquo;FGM hat keinen religiösen Hintergrund“, betont Janne Grotehusmann. Sie werde weder im Koran noch in der Bibel irgendwo erwähnt, und sie komme in allen Religionen vor, eine zum Teil Jahrtausende alte Tradition, die es schon im alten Ägypten gab. Herforder Beratungsstelle &bdquo;YUNA“ Sogar in dem bei Deutschen überaus beliebten Urlaubsland am Nil rangiert die Verbreitungsrate mit 87 Prozent sehr weit oben – ebenso wie im Sudan (ebenfalls 87%) In Somalia (99%), Guinea (95%) und Dschibuti (90%), Mali (89%), Eritrea und Sierra Leone (je 83%), ist der prozentuale Anteil ebenfalls sehr hoch. Die Beratungsstelle &bdquo;YUNA“ in Herford ist im November 2023 an den Start gegangen. Sie ist nach Köln die zweite Anlaufstelle in NRW und die erste in Trägerschaft der Ev. Frauenhilfe in Westfalen. Das Ministerium für Gleichstellung NRW bezuschusst die Arbeit mit insgesamt 400.000 Euro im Jahr. &bdquo;YUNA“ ist an der Bielefelder Straße zu finden, in unmittelbarer Nähe der Anlaufstelle für Opfer und Betroffene von Menschenhandel (Nadeschda) und der Prostituierten- und Ausstiegsberatung (Theodora). ein Zufall, denn das gemeinsame Netzwerken sei wichtiger Bestandteil der Arbeit, wie Janne Grotehusmann betont. Kontakt: Tel. 05221 1225535; E-Mail: info@yuna-westfalen-lippe.de

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