Anekdoten aus mehr als 100 Jahren Herforder Markthalle

Herford. Es lohnt sich immer, den Blick auch mal nach oben zu richten. Drei Figuren zieren den Teil der Markthalle, den der Betrachter aus Richtung des Münsters sehen kann. Und diese Figuren verraten, was sich hinter der historischen Fassade verbirgt. Oder besser gesagt, was der Grund ist, weshalb das Gebäude auf dem Rathausplatz steht. Bäcker, Fleischer, Fischer: Drei Händler sind mit ihren &bdquo;typischen“ Waren abgebildet und lassen sofort darauf schließen, dass dieser Ort ein Ort des Marktgeschehens ist. Seit weit mehr als 100 Jahren gibt es den Wochenmarkt an diesem Standort. Die Markthalle steht seit 1916 an diesem Platz, ein Jahr später ist das Rathaus gegenüber fertiggestellt worden. &bdquo;Das ist etwas Besonderes, dass Markthalle und Rathaus hier zeitgleich gebaut worden sind“, sagt Angelika Bielefeld. Die Stadtführerin kennt die Geschichte der Markthalle genau und gibt Führungen darüber. Die NW war jüngst dabei und hat bei der Gruppentour interessante Informationen und Anekdoten über den Ort im Herzen Herfords verraten bekommen. Wie eine Witwe für einen Baustopp der Markthalle sorgte Wie eben die Symbolik der Figuren. Aber auch ein Blick von hinten auf die Markthalle begeistert die Stadtführerin. &bdquo;Die verschiedenen Ebenen und Türme, so würde heute nicht mehr gebaut werden. Das wäre wohl viel zu teuer“, sagt Bielefeld und zeigt auf die Jahreszahl, die unter einer Vorrichtung eines Seilzuges weit oben an der Fassade auf das Eröffnungsjahr hinweist: 1916. Ein Jahr zuvor hat eine Frau für einen Baustopp gesorgt. Oder besser gesagt, das kleine Häuschen der Witwe Minna Beu. Das stand nämlich schlichtweg im Weg. &bdquo;Und zwar genau dort, wo heute die Veranstaltungshalle steht“, sagt Bielefeld und zeigt eine Aufnahme von damals. Auf dieser ist das kleine Häuschen umrahmt von einem Jägerzaun gut zu sehen. Später habe die Witwe sich wohl gebeugt und ist in die Radewig gezogen - heißt es aus den Überlieferungen. Und die Markthalle konnte fertiggestellt werden. Die Markthalle in Herford ist einzigartig in der Region und vor allem samstags schön trubelig, ein Ort des Einkaufens und Genusses, ein Treffpunkt für Menschen der Stadt und darüber hinaus. Wer einen Platz im Gastrobereich sucht, muss manchmal mehrere Runden drehen, im vorderen Bereich wächst die Schlange für die Produkte der Bäckerei Schnarre immer weiter an und an den kleinen Tischen prosten sich die ersten Besucher schon mit einem Weißwein zu. Samstags herrscht in und um die Markthalle geschäftiges Treiben Andere kaufen heimische Äpfel ein, stöbern beim Stand für Kinderkleidung und auch vor der Halle ist an den Gemüse-, Fleisch- und Fischständen samstags viel Betrieb. &bdquo;Man kann alleine hierher kommen, ist aber nicht alleine“, sagt die Stadtführerin mit einem Lächeln. Sie habe hier schon viele inspirierende Erlebnisse gehabt, ist mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch gekommen. &bdquo;Wenn Menschen aus anderen Städten hier an einer Führung teilnehmen und die Markthalle erleben, sind sie richtig begeistert“, sagt Bielefeld. Und auch die Teilnehmer der jetzigen Führung kommen zwar aus dem Kreisgebiet, schätzen die Atmosphäre hier aber sehr. &bdquo;Hier ist wenigstens noch ein Markt und was los. Das ist toll“, sagt eine Besucherin. Die älteste Teilnehmerin dieses Rundgangs ist sogleich ein Glücksfall für die Tour. Denn sie hat selbst mehr als 50 Jahre hier auf dem Markt und in der Markthalle gearbeitet. &bdquo;Ich habe hier Obst und Gemüse verkauft“, sagt sie und erzählt die Geschichte, wie sich einst ihr Pferd losgerissen hat und über den Rathausplatz trabte. Vor Ort konnte Geflügel geschlachtet werden Eine weitere Teilnehmerin hat hier vom Markt ihr erstes Kaninchen bekommen. 1963 wurde hier Lebendvieh verkauft. &bdquo;Kaninchen und Federvieh konnte damals auch vor Ort an einem Stand geschlachtet werden“, weiß Bielefeld zu berichten. Doch das Haustier durfte überleben. &bdquo;Eigentlich nur bis in den Herbst, doch das Kaninchen lebte dann doch zehn weitere Jahre bei mir“, erzählt die Frau mit einem Schmunzeln. Lesen Sie auch: Die bewegende Geschichte der Herforder Markthalle Gebaut wurde die Markthalle aus Gründen des Platzmangels. Der Wochenmarkt habe seit 1838 regelmäßig auf dem Alten Markt stattgefunden. &bdquo;Mehr als 200 Pferdekutschen brachten hier die Ware hin“, erzählt Bielefeld. Christian Laue, einstiger Stadtarchivar Herfords, hat in einem Bericht für das HF-Magazin von den Anfängen geschrieben. Demnach habe sich nach Abriss des Altstädter Rathauses 1878 der Markt auf dem Alten Markt nicht mehr weiter ausdehnen können. Die Verkehrsverhältnisse wurden immer chaotischer und so entschloss sich die Stadtverwaltung in einem Teil, der von ihr erworbenen ehemaligen Schönfeld’schen Spinnerei auf dem alten Abteigelände am Münsterkirchplatz, eine Markthalle zur errichten, heißt es in Laues Ausführungen. Markthalle war zu Zeiten des Krieges eine Kriegsküche Wer in die Halle tritt, atmet Geschichte und läuft zum Teil auf historischen Fliesen. Wo sich heute die Tourist-Information befindet, war zu NS-Zeiten der Ausgangspunkt für Deportationen, berichtet Bielefeld über ein erschreckendes Kapitel der Markthalle. Ein Mahnmal an der Außenfassade erinnert daran. Noch früher, zu Zeiten des Ersten Weltkrieges, sind in der Kriegsküche bis zu 15.000 Mahlzeiten am Tag entstanden. Eigentlich war der Raum ursprünglich mal für die Pferde vorgesehen. Wo heute Veranstaltungen stattfinden, befand sich vor 100 Jahren eine Schlachterei. Ein Bild von 1925 zeigt den Stand von Philipp Stock, &bdquo;später gab es hier in der kleinen Markthalle, wie der Bereich hieß, auch Eier und Käse zu kaufen sowie Bäckereiprodukte“, erzählt die Stadtführerin. Heute kann hier zum Beispiel geheiratet werden. Bielefeld: &bdquo;Dann rollen wir auf Wunsch einen roten Teppich aus.“

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