Apotheken-Kollaps in Herford: Vom Streik zur bitteren Realität

Herford. Vor einem Jahr sind Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten gemeinsam auf die Straße gegangen. Waren laut, um auf die Missstände ihres Berufszweiges aufmerksam zu machen. Genützt hat es nicht. Im Gegenteil: &bdquo;Nichts ist besser, sondern schlimmer geworden“, resümiert Jens Kosmiky heute. Der Apotheker und Vorsitzende der Bezirksgruppe Herford im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) findet klare Worte – auch zur geplanten Apothekenreform: &bdquo;Das alles lässt sich nicht schönreden. Für uns ist der Referentenentwurf ein Schlag ins Gesicht. Nicht nur vom Inhalt, sondern auch, wie er präsentiert worden ist.“ Wertgeschätzt fühle er sich von der obersten politischen Ebene schon lange nicht mehr. &bdquo;Der Entwurf ist exklusiv an die ’FAZ’ gegangen. Wir haben es also aus der Presse erfahren, wie es für uns weitergehen soll.“ Ein Unding findet der Apotheker, der vier Filialen im Kreis Herford betreibt – eine davon in Herford an der Berliner Straße. Doch vor allem seien die Inhalte des Entwurfes bedenklich, sagt Kosmiky. &bdquo;Es wird ein Sterben der Apotheken geben und dementsprechend Mitarbeiterentlassungen.“ Lesen Sie auch: So arbeitet die Apotheke im Klinikum Herford Treffen werde es voraussichtlich vor allem die kleinen Apotheken. Die schon jetzt oftmals nur aus Liebe zum Beruf weitergeführt werden. &bdquo;Lauterbachs Rechnung funktioniert einfach nicht.“ Sollte es zu keiner Reform kommen, gehe eine realistische Prognose, so Kosmiky, davon aus, dass es innerhalb der nächsten drei Jahre noch 10.000 bis 13.000 Apotheken in Deutschland geben werde. Anfang 2023 gab es noch 17.571 Apotheken. &bdquo;Innerhalb des Jahres ist das Netz um weitere 500 geschrumpft“, rezitiert der 47-Jährige die Zahlen. &bdquo;Das sind so viele Apotheken, wie es sie beispielsweise in Thüringen gibt.“ Wie viele Schließungen womöglich durch die geplante Reform hinzukommen könnten, ist hier noch nicht mit einkalkuliert. 2024 werden voraussichtlich weitere vier Apotheken im Kreis schließen In Herford gibt es noch zwölf Apotheken. 2014 waren es noch 16. Fünf Schließungen steht hier eine Neueröffnung gegenüber. Zuletzt hatte Annett Kallweit die Mönch-Apotheke an der Bäckerstraße nach 44 Jahren geschlossen. Die meisten Apotheken liegen in der Innenstadt und im angrenzenden Bereich. Die Ortsteile Stedefreund, Laar, Eikum, Homberg und Falkendiek haben keine eigene Apotheke mehr. .responsive23-iOU6v73uJOAE1PGS-map-apotheken-kreis-herford-2023 { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-iOU6v73uJOAE1PGS-map-apotheken-kreis-herford-2023 { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-iOU6v73uJOAE1PGS-map-apotheken-kreis-herford-2023 { padding-top: 142.86%; } } Kreisweit gibt es noch 48 Pharmazien (Stand 22. Mai), zehn Jahre zuvor waren es noch 59. Innerhalb von zehn Jahren sind in allen Kreis-Kommunen Geschäfte geschlossen worden, außer in Enger, Rödinghausen und Vlotho. &bdquo;Das wird sich bald ändern. Eine Apotheke in Westerenger wird geschlossen. Zudem gilt es als wahrscheinlich, dass kreisweit bis Ende des Jahres drei weitere Apotheken dichtmachen werden“, weiß Kosmiky. Kosmiky selbst hat 2008 das Geschäft seines Vaters, die Mühlenapotheke in Enger, übernommen und nach und nach sein Filialnetz ausgeweitet. Heute beschäftigt der 47-Jährige 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine seiner Apotheken habe im vergangenen Jahr Verlust gemacht. &bdquo;Wir dürfen vier Filialen betreiben, dadurch kann ich Verluste ausgleichen“, sagt er. Fixpreis pro Medikamentenpackung müsse erhöht werden Als Apotheker und Vorsitzender der AVWL wünscht sich Kosmiky vor allem eins: &bdquo;Dass uns die Politik endlich richtig zuhört.“ Die Kommunikation beschreibt er mit dem Wort &bdquo;unterirdisch“. Generell gehe es um die Forderung nach mehr Geld. Er verdeutlicht die Problematik mit Blick auf das Ausgabesystem der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Daraus gehe hervor, so Kosmiky, dass die Kosten für Apotheken im Jahr 2022 zwei Prozent der Gesamtausgaben der GKV betragen hätten. Zum Vergleich: Für die eigenen Verwaltungsausgaben gaben die Kassen mit 4,3 Prozent doppelt so viel aus. Die Apothekerschaft wünsche sich eine Erhöhung des Fixpreises pro Medikamentenpackung, die derzeit bei 8,35 Euro liegt, und Inflationssicherheit. Kosmiky: &bdquo;Damit wir nicht mehr jährlich betteln müssen.“ Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Reform, die eine &bdquo;reine Umverteilung vorsieht, hätte negative Auswirkungen“, sagt Kosmiky und wird noch deutlicher: &bdquo;Es würde den Untergang des jetzigen Apothekenwesens bedeuten.“ Und hätte demnach Konsequenzen auf die Mitarbeiterzahl und die Bevölkerung. Schon jetzt seien zehn Kilometer Radius bis zur nächsten Notdienst-Apotheke im Kreis Herford Standard. 15 bis 18 Notdienste im Jahr übernehme jede Apotheke in Westfalen-Lippe. &bdquo;Auf dem Land können es bis zu 40 Kilometer sein. Wir sind heute schon nicht so versorgt wie zwei Drittel der europäischen Länder.“ Und das werde noch drastischer werden, prophezeit er.

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