Viele 16- bis 18-Jährige im Kreis Herford fahren nicht mehr Fahrrad - und haben auch keines

Kreis Herford. Das Fahrrad war für die meisten älteren Menschen im Kreis Herford vermutlich das Verkehrsmittel auf dem Weg zur Schule und zurück. Das scheint sich geändert zu haben. Nur rund 10 bis 20 Prozent der Jugendlichen kommen überhaupt mit dem Rad zur Schule, meint Peter Dobrindt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Seine Einschätzung hat er beim Verkehrssicherheitstag der drei Berufskollegs - Friedrich List, Anna Siemsen und Wilhelm Normann - an der Hermannstraße in Herford gewonnen. Rund 200 Schülerinnen und Schüler, vor allem die jüngeren zwischen 16 und 18 Jahre, erhielten dort sehr praktische Einblicke in Verkehrsmittel und -situationen, Unfallrisiken und -hilfen und eine Einschätzung des eigenen Reaktionsvermögens. Den Tag hatte Arne Birkner, Lehrer und Sicherheitsbeauftragter des Friedrich-List-Berufskollegs, mit den Sicherheitsbeauftragten der beiden anderen Berufsschulen organisiert. Es war der erste Verkehrssicherheitstag, den alle drei Schulen gemeinsam durchführten. Nach der Fertigstellung der neuen Mensa, die alle drei Schulen nutzen, sei das eine weitere Möglichkeit, den Schulhof als gemeinsamen Campus zu begreifen. Nach der Grundschule nie wieder aufs Rad gestiegen Die jungen Leute erlebten dabei Situationen, die - würden sie diese im Straßenverkehr austesten - zu fatalen Folgen führen könnten. &bdquo;Sehr viele der Schüler können gar nicht Rad fahren und haben auch kein Fahrrad“, hat Dobrindt beispielsweise festgestellt. Sie hätten das Radfahren mal zu Grundschulzeiten gelernt, seien dann aber nie wieder auf ein Rad gestiegen. Einige hätten auch geäußert, Angst zu haben, mit dem Rad auf der Straße unterwegs zu sein. Sie würden dann auf den Gehweg ausweichen. Der ADFC hatte mehrere Fahrräder mit unterschiedlichen Bremssystemen älterer und neuerer Räder zum Ausprobieren dabei. Die jungen Leute konnten so die Unterschiede selbst erleben. Christoph Maas, Dobrindts Mitstreiter beim ADFC, stellte fest, dass viele von ihnen dabei entdeckt haben, wie viel Spaß das Radfahren machen kann. &bdquo;Und Spaß ist ja ansteckend“, sagte Maas. Den erlebten auch die jungen Leute, die zum ersten Mal auf einem E-Bike saßen. Mit Spaß saßen die Schülerinnen und Schüler zudem am Verkehrssimulator der Polizei, einem Ablenkungssimulator, bei dem sie via Bildschirm durch eine Stadt fuhren, dabei selbst am Steuer saßen und auch das Fahrtempo bestimmten. Wenn am Steuer das Handy Aufmerksamkeit fordert In Reichweite forderte allerdings ein Handy ebenfalls ihre Aufmerksamkeit: Ein Navigationsgerät wollte den Zielort erfahren, die Oma rief an, und mit der richtigen Musik fährt es sich auch besser, oder? Das ging in vielen Fällen schief: Die Jugendlichen fuhren zu schnell durchs Wohngebiet, sie erkannten querende Fußgänger und vorfahrtsberechtigte Autofahrer zu spät. Das führte nicht selten zum Crash. Wie sehr das Mobiltelefon die Reaktionszeit einschränkt, war danach am Display ablesbar. Um die Reaktionszeit ging es auch am Stand des ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil-Club): Die jungen Leute gaben dort über eine Pedale Gas, sollten aber schnell auf die Bremse treten, sobald ein Rotlicht leuchtete. &bdquo;Die beste Reaktionszeit - und damit den kürzesten Bremsweg bei den verschiedenen Geschwindigkeiten - haben Menschen im Alter zwischen 21 und 25 Jahren“, sagte Mark Heidemann, der das Gerät bediente, an dem sich die Schülerinnen und Schüler einmal ausprobieren konnten. Mit zunehmendem Alter nehme die Reaktionszeit ab. Jüngeren fehle aber die Routine im Straßenverkehr, sagte er. Reanimation ist anstrengend, aber besser als nichts zu tun Zwei weitere Stationen hatte der ADAC: Ihre Sehfähigkeit konnten die jungen Leute bei Birgit Kastrup messen - und dabei ebenfalls außergewöhnliche Erfahrungen machen: Für einen jungen Mann reichte selbst die größte Einstellung auf dem Display nicht aus, mehr als verwaschene Punkte zu erkennen. Aber er habe am Nachmittag einen Termin beim Augenarzt, sagte er. Marko Schöppner, ebenfalls Mitglied beim ADAC, hatte Brillen dabei, die den Einfluss von Alkoholkonsum simulierten: Bei höherer Promille-Simulation war es auch für die Schülerinnen und Schüler nahezu unmöglich, noch einer auf dem Boden aufgeklebte weiße Linie korrekt zu folgen, geschweige denn, ein kleines Spielzeugauto aufzuheben und es Schöppner in die Hand zu geben. Am Stand der Verkehrswacht können die jungen Leute testen, ob sie Fragen aus der theoretischen Führerscheinprüfung bestehen würden. Arnd Schilack, der den Stand betreut, hat die Fragen einmal einer Gruppe Außendienstler vorgelegt, die sie ebenfalls als Gruppe beantworteten. Ergebnis: 53 Fehlerpunkte. Durchgefallen. &bdquo;In den vergangenen Jahren hat sich viel geändert“, sagt Schilack. &bdquo;Das würde keiner von uns Älteren noch ohne Übung fehlerfrei hinbekommen.“ Schüler gehen mit Wunden und Verbänden nach Hause Rund 10.000 Unfallopfer im Jahr könnten überleben, wenn Ersthelfer die richtigen Maßnahmen ergreifen würden. Das erfuhren die jungen Leute am Stand der Schulen für Pflegeberufe Herford-Lippe unter anderem von Yvonne Berthiot: Zuerst müssen Ersthelfer checken, ob das Unfallopfer wach ist und ob es auch atmet. Dann bewegen sie es in die stabile Seitenlage oder beginnen mit der Reanimation. Wie extrem anstrengend das ist, konnten Schüler anhand von halbierten und luftgefüllten Gymnastikbällen ausprobieren. Dazu hatten sie die Bälle im Rhythmus der Musik, die Berthiot einspielte, jeweils fünf bis sechs Zentimeter einzudrücken. &bdquo;Wir haben daraus eine Challenge gemacht“, sagte die Redakteurin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an den Pflegeschulen. &bdquo;Manche waren unfassbar gut, sie haben fünf Minuten durchgehalten.“ Schon nach kurzer Zeit schmerzten die Handballen, die Arme und - wegen der Haltung am Boden - auch der gesamte Körper, sagte Berthiot. Aber: &bdquo;Es ist wichtig, dass Ersthelfer am Unfallort etwas machen. Im schlimmsten Falle machen sie nichts.“ Fünf Minuten Reanimation reichen übrigens nicht: Rettungskräfte sind in der Regel erst nach acht bis zehn Minuten am Unfallort. Am Stand der Schulen für Pflegeberufe konnten sich die jungen Leute zudem Wunden schminken lassen und dann gegenseitig verarzten: Manche Eltern dürften am Nachmittag erschrocken gewesen sein, mit welchen Verletzungen ihre Sprösslinge von der Schule zurückkehrten. Der Verkehrssicherheitstag soll in Zukunft allle zwei Jahre stattfinden.

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