Junges Herforder Start-up sichert mit App Firmenwissen für die Maschinenbau-Branche

Herford. Alles fing im Juni 2020 an - mitten in der Corona-Pandemie. Sina Kämmerling nahm an einem so genannten &bdquo;Makerthon“, einer dreitägigen Veranstaltung der &bdquo;Spitzencluster OWL“ teil. Die Aufgabe: Ideen entwickeln für die Herausforderungen der Corona-Pandemie, speziell für die Branchen Automatisierung, Automotive und Maschinenbau. Über ihren damaligen Arbeitgeber, die Unity AG in Paderborn, war Kämmerling auf den Makerthon aufmerksam geworden. &bdquo;Wir hatten 20 Themen zur Auswahl, bei denen wir die Industrie durch Ideenentwicklung unterstützen sollten“, erinnert sich die heute 29-Jährige. Sie entschied sich für den Bereich Maschinenbau. Die Branche hatte durch Corona das Problem, dass Servicetechniker nicht mehr zu den Kunden rausfahren, geschweige denn reisen durften. &bdquo;Wir waren sechs Personen in der Projektgruppe und stellten uns die Frage, wie geografische Distanzen überwunden werden können.“ Die Idee wurde auf Übertragbarkeit in die Praxis geprüft Die Sechs gewannen den Wettbewerb und damit 1 Millionen Euro Fördergeld. Mit dem Lösungsansatz, das Wissen von erfahrenen Mitarbeitern in einer Software zu bündeln, zu sichern und dann nutzbar zu machen für Maschinenwartung und Fehlerbehebung. Das Geld wurde genutzt, um die Idee weiter zu validieren, also ihre Relevanz, ihren Wert und ihre Übertragbarkeit in die Praxis zu prüfen. Sina Kämmerling, die an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bielefeld Betriebswirtschaftslehre (BWL) studiert und ihren Master später in Berlin gemacht hatte, übernahm die Projektleitung. Von Beginn an dabei war auch Patrick Deutschmann, Informatiker, Experte für Künstliche Intelligenz (KI) und Software-Entwickler. Und Deutschmann blieb auch dabei, als im Januar 2022 die Frage zu beantworten war, was nun mit den erarbeiteten Ergebnissen passieren sollte und die vier weiteren Projektteilnehmer wieder in feste Anstellungsverhältnisse zurück gingen &bdquo;Das war eine schwierige Zeit“, erinnert sich Kämmerling. &bdquo;In Deutschland gibt es einfach keine richtige Regelung, wie aus Förderprojekten und Forschungsergebnissen ein Unternehmen gegründet werden kann. Dass das nicht geregelt ist, bremst Innovation aus“, kritisiert die 29-Jährige. Corona ging, der Nutzen der Gründungs-Idee blieb Irgendwie klappte es trotzdem. Im April 2022 gründeten Kämmerling und Deutschmann das Start-up &bdquo;Findiq“. Corona war zwar fast kein Thema mehr, die Servicetechniker konnten wieder zu ihren Kunden rausfahren. &bdquo;Allerdings blieb der Nutzen unserer Idee gewaltig im Hinblick auf Themen wie demografischer Wandel und Fachkräftemangel“, so Sina Kämmerling. Zahlreiche Experten, also langjährige Mitarbeiter in der Maschinenbau-Branche stünden kurz vor dem Renteneintritt, und es sei ein großes Anliegen der Unternehmen, das Expertenwissen zu sichern. &bdquo;Da kommen wir ins Spiel“, so Kämmerling. &bdquo;Wir haben ein Workshop-Konzept entwickelt und befragen die Experten in den Unternehmen gezielt und strukturiert.“ Die Interviewpartner seien häufig Menschen, die vorher nie gefragt worden seien. &bdquo;Die persönliche Ebene, die Wertschätzung ist hier ganz wichtig“, erklärt Kämmerling. &bdquo;Wir nehmen - wenn möglich - einen erfahrenen Servicetechniker in den Workshop, den Experten, und dazu einen jüngeren Kollegen, den so genannten Profiteur. Und dann konzentrieren wir uns im Gespräch auf die Maschine im Betreib, die immer wieder Schwierigkeiten macht und greifen für die Fehlereinschätzung und -behebung auf den Erfahrungsschatz des Experten zurück“, erklärt die Gründerin. Die Ergebnisse werden digitalisiert in einer App. &bdquo;Und eine von Patrick entwickelte KI greift auf dieses Wissen zu und übersetzt es in Schritt-für-Schritt-Anleitungen.“ Findiq-Team ist mittlerweile auf acht Personen angewachsen Die Nachfrage nach der Lösung des jungen Startups ist groß, insbesondere seit dem vergangenen Jahr, hat Kämmerling beobachtet. &bdquo;Dem Thema Wissenssicherung kommt aktuell eine große Bedeutung zu. Jetzt werden bewusst Lösungen wie unsere gesucht.“ Mittlerweile gehören auch große Firmen wie Phoenix Contact, Siemens oder Sollich aus Bad Salzuflen zu den Kunden. 15 Kunden und einen wiederkehrenden - also fest kalkulierbaren - Jahresumsatz von 200.000 Euro kann das Start-up vorweisen. Die Leitungsebene ist - neben der 29-jährigen Sina Kämmerling und dem 30-jährigen Patrick Deutschmann - um Tommy Giesbrecht, 26 Jahre, ebenfalls Softwareentwickler, erweitert worden. Weitere fünf Vollzeit-Mitarbeiter gehören zum Team. &bdquo;In diesem Jahr planen wir, auch Werkstudenten einzustellen“, so Kämmerling. Welche Standort-Vorteile Herford hat Im April 2023 hat Findiq Büroräume im &bdquo;Kleinen Denkmal“, dem Anbau der einstigen Schokoladenfabrik Weinberg an der Werrestraße bezogen. Nicht ganz zufällig, denn Andreas Kämmerling, Vorstandssprecher der Volksbank Herford-Mindener Land - ihrerseits Besitzer des denkmalgeschützten Gebäudes -, ist der Vater der Gründerin. &bdquo;Die Möglichkeit hat sich ergeben, und für uns war das sehr praktisch“, so Sina Kämmerling. &bdquo;Wir zahlen hier als kleines Start-up viel weniger Miete als zum Beispiel in einer Großstadt wie Berlin oder Hamburg. Und wir sind hier in Ostwestfalen nah dran an unseren Kunden.“ Für das Jahr 2024 hat sich das Findiq-Team einiges vorgenommen: An der Wand von Sina Kämmerlings Büro hängen großformatige Papierbögen, die in Quartale aufgeteilt sind. In die Spalten werden neue Projekte und Zwischenziele eingetragen. Die Quartale 2024 sind noch leer. Aber am Ende steht das Ziel: Im Dezember soll der wiederkehrende Jahresumsatz auf 1,2 Millionen gestiegen sein.

Meistgelesen