Was die ersten Examensschwestern vom Herforder Klinikum über die Pflege von heute denken

Herford. Cornelia Löhr steht vor dem Eingang zum Restaurant am Waldesrand und schaut auf die Uhr. Es ist Viertel vor Zwölf an diesem Freitagmittag, und elf ehemalige Kolleginnen aus dem gesamten Bundesgebiet haben sich zum heutigen Treffen angemeldet. Es gibt schließlich etwas zu feiern: Die erste Ausbildungsklasse von Examensschwestern im Kreiskrankenhaus Herford begeht in diesem Jahr ihr fünfzigstes Jubiläum nach der Ausbildung. Lange warten muss die Organisatorin des heutigen Treffens, die abzüglich von vier Jahren Elternzeit insgesamt 45 Jahre im Beruf war, nicht. Nach und nach treffen ihre ehemaligen Kolleginnen ein, die seit der Ausbildung im Jahr 1973 längst zu Freundinnen geworden sind. Herzlich fällt die Begrüßung jeder einzelnen Examensschwester aus, obwohl sich die Frauen teils zehn Jahre nicht mehr gesehen haben. Zuletzt trafen sie sich zum 40-Jährigen. Doch einige von Ihnen treffen sich auch häufiger mal so zwischendurch, wenn es die Zeit zulässt. Als Christiane Ehbrecht pünktlich auf die Minute auf den Eingang des Restaurants zusteuert, wird sie besonders herzlich von den damaligen Examensschwestern begrüßt. Immerhin ist die 81-Jährige ihre ehemalige Lehrerin, auf die sie bis heute nichts kommen lassen. "Hallo ihr Lieben! Schön, dass ihr alle da seid, und vielen Dank für die Einladung", freut sie sich. "Ich würde euch gerne auf ein Glas Sekt einladen." Auch die Lehrerin von 1973 ist dabei "Es war eine schöne Zeit damals", sagt Cornelia Löhr und erinnert sich gerne zurück. Es sei herzlicher gewesen, nicht so schnelllebig wie heute. Man habe sich noch mehr Zeit für seine Patienten nehmen können. Nicht zuletzt, weil auch die Verweildauer im Krankenhaus oftmals länger waren. Das habe natürlich auch dazu geführt, dass sich Patient und Krankenschwester besser kennenlernen konnten. Auch sei das Verhältnis zu den Angehörigen ein anderes gewesen. Durch den Zeit- und Kostendruck bleibe die Herzlichkeit heute häufig ein wenig auf der Strecke, und der Beruf der Krankenschwester werde zunehmend weniger wertgeschätzt, bedauert Löhr. Wenn sie jedoch an ihre Ausbildung zurück denkt, hellt sich die Stimmung schlagartig auf. Im Schwesternwohnheim hätten zwar klare Regeln geherrscht, auf deren Einhaltung die Hausmutter streng geachtet habe, doch seien die sogenannten "Flurpartys" fast schon legendär gewesen. "Wenn wir ein bisschen feiern wollten, dann verabredeten wir uns einfach im Wohnheim vor den Zimmertüren", berichtet sie. Jeder hat sich dann etwas zu essen und trinken mitgenommen - und irgendwer hatte auch immer etwas Musik dabei. "Pünktlich um 22 Uhr war aber Schluss, die Hausmutter hat dann das Wohnheim abgeschlossen". Auch Besuch musste dann verschwunden sein - oder aber an der Hausmutter vorbeigeschmuggelt werden. An Geschichten und Geschichtchen wie diese erinnern sich die Damen, die damals zwischen 18 und 24 Jahre alt waren, nun im Minutentakt. Es wird viel gelacht. "Brauchen wieder mehr Wertschätzung für die Pflegeberufe" Auch darüber, dass eine Examensschwester einmal die penible Sitzordnung durcheinander gebracht hat. "Wir saßen streng nach dem Alphabet sortiert", berichtet Löhr mit einem Schmunzeln. "Ich habe in dem Schuljahr aber geheiratet und den Namen meines Mannes angenommen." Um der Sitzordnungsregel Genüge zu tun, habe sie sich also tatsächlich umsetzen müssen. "Wir brauchen wieder mehr Wertschätzung für die Pflegeberufe", resümiert Cornelia Löhr, um im gleichen Atemzug aber auch klarzumachen, dass sie - stände sie aus heutiger Sicht noch einmal vor der Berufswahl - sich auch heute wieder für den Beruf der Krankenschwester entscheiden würde. Die gute und ausgelassene Stimmung auf diesem Klassentreffen dürfte die besondere Verbundenheit der Examensschwestern einmal mehr bestätigt haben.

Meistgelesen