Gefängnis

Inhaftierte der JVA in Herford dürfen weiter musizieren

Es ist ein Projekt von Gefängnisseelsorge und Musikschule. Die Kooperation wurde jetzt verlängert. Wie Inhaftierte nach ihrer Entlassung davon profitieren.

Musizieren gemeinsam (v.l. hinten): Michael King, Adriana Riemann, Roland Reuter und Guido Kostmann. | © JVA Herford

17.07.2023 | 17.07.2023, 13:00

Kreis Herford. Seit 2014 besteht das Projekt „Musikband“ im Jugendvollzug der Justizvollzugsanstalt (JVA) Herford. Gefängnisseelsorger Michael King betreut es in Kooperation mit der Musikschule Herford. Jetzt wurde der Kooperationsvertrag zwischen den Partnern und dem Verband der deutschen Musikschulen verlängert.

Das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ ermöglicht jugendlichen Inhaftierten, ein Instrument zu erlernen und in der Gruppe zu musizieren. Das läuft nicht immer konfliktfrei ab: „Das Konzept beinhaltet, dass es nicht nur Einzelschulungen für ein Instrument gibt, die Gefangenen können sich auch in der Gruppe ausprobieren“, sagt King. „Da gilt es, aufeinander zu hören und einander in seiner Persönlichkeit und der Musikrichtung zu respektieren“, so der katholische Theologe in einer JVA-Mitteilung.

Mit dabei sind von Anfang an die beiden Musiklehrer Adriana Riemann und Roland Reuter. „Es macht mir Spaß hinter die Mauern zu kommen und mit den Jugendlichen Musikstücke zu entwickeln“, sagt Riemann. Sie ist Gesangslehrerin, spielt Klavier, Geige und Gitarre.

In die Zelle darf nur die klassische Gitarre mitgenommen werden

Der 21-jährige Alexander hat sich in seiner Zelle mit einem Buch selbst das Gitarrenspiel beigebracht. Dorthin darf er nur eine klassische Gitarre mitnehmen, „also ohne Stahlsaiten“. Die Gründe liegen auf der Hand. Alexander ist bereits zum zweiten Mal im Jugendvollzug.

Der Leiter der Musikschule, Guido Kostmann, ist hingegen zum „ersten Mal im Knast“, wie er sagt. „Das Projekt ist schon herausragend. Beim Treffen des Verbandes der Musikschulen nimmt es einen besonderen Platz ein“, erzählt er. Kostmann setzte sich für eine Weiterführung bei der Fördermittelvergabe ein.

„Seit einem Jahr bin ich dabei“, sagt Leon. Er wird in Kürze entlassen. Er will draußen weiter Schlagzeug spielen. Roland Reuter schaut ihm am elektronischen Schlagzeug über die Schulter. „Leon hat viel gelernt. Jetzt könnten wir weitermachen, aber er wird bald entlassen. Ich freue mich für ihn.“

Ein Freiraum, in dem sich die jungen Leute entfalten können

Percussion ist Reuters Schwerpunkt. Als freiberuflicher Musiker und Schlagzeuger hat er Erfahrung in Bands. Er gibt Leon den Tipp, sich an seinem neuen Wohnort nach Möglichkeiten umzusehen.

Insgesamt treffen sich acht bis zehn inhaftierte Jugendliche freitagnachmittags in der Kirche. „Das ist ein Freiraum hier“, meint Ali, „hier fühlt man sich nicht wie im Knast. Die Kirche der JVA wird von allen respektiert“. Ali hat die ersten Tastenschläge am Klavier eingeübt. Das zeigt er im Verbund mit den anderen. Da singt ein Jugendlicher in rumänischer Sprache, da spielt ein Syrer mit der türkischen SAZ, einer Langhalslaute, und der 18-jährige Niko zupft an der Bassgitarre. Das Geigenspiel der Musiklehrerin Riemann fügt sich problemlos ein.

„Der Alltag im Jugendvollzug ist nicht immer einfach“, erzählt Ionita. Er ist in Spanien groß geworden, spricht perfekt die Sprache. In der Musikband kann er entspannen. Neben Rap spielen die jungen Männer deutsche Songtexte von Naidoo oder englische von Bill Withers. „Schlager sind auch mal darunter“, sagt Alexander. Er ist ein Fan von Helene Fischer.

Nach der Probe geht es wieder in die Einzelzellen

Nach der Pause mit Kaffee und Cappuccino geht es zurück in die Zelle, „auf den Haftraum“, wie die Häftlinge hier sagen. „Die Musikband ist beendet. Bitte annehmen“, so tönt es durch die Lautsprecher. Gemeint ist, dass die Bediensteten die Teilnehmer der Musikband wieder in ihre Einzelzelle einschließen müssen.

Mit Handschlag verabschieden sich die Inhaftierten voneinander und von den beiden Musiklehrern. „Die Gefangenen gehen gelassener zurück, als sie gekommen sind“, meint ein Bediensteter, der das Musikprojekt ebenfalls unterstützt.

Schon hört man Alexander mit seiner Gitarre im Haftraum spielen. „Ich spiele, weil es mir Spaß macht und ich Freude daran habe“, sagt er selbstbestimmt. „Das lasse ich mir nicht nehmen.“

Der neu unterschriebene Kooperationsvertrag zwischen der Musikschule und der Justizvollzugsanstalt Herford sowie der Gefängnisseelsorge macht das möglich.