Gegen die Einsamkeit: Alle Herforder Seniorinnen und Senioren bekommen Besuch

Herford. Die Menschen werden immer älter. Der demografische Wandel und die damit verbundene Überalterung der Bevölkerung rückt daher immer mehr in den Fokus. Auch in Herford nimmt die Verwaltung die Personengruppe der über 75-Jährigen verstärkt in den Blick. Mit einem Modellprojekt in den Stadtteilen Friedenstal und Stiftberg startete am 1. Mai 2018 der Präventive Hausbesuch. Der niederschwellige Kontakt hat sich bewährt und wird nun auf ganz Herford ausgeweitet. Die Zielgruppe ist da. 11,22 Prozent der Herforder Bevölkerung sind 75 Jahre oder älter (Stand 31. Dezember 2022). Das sind in absoluten Zahlen 7.459 Menschen - 2.885 davon sind männlich, 4.574 weiblich. Die Prognosen gehen zudem von einem weiteren Anstieg aus. Sozialdezernent Patrick Puls spricht von einer Steigerung von 25 Prozent bis ins Jahr 2035. Hier fließen allerdings alle Personen ab 65 Jahren mit ein. Diese Altersgruppe hat jüngst auch das Statistische Bundesamt betrachtet. In der Auswertung der Statistik heißt es: "Da jüngere Geburtsjahrgänge zugleich sinkende Personenzahlen aufweisen, stellen die ab 65-Jährigen im Zeitverlauf auch einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung. Er stieg von 15 Prozent im Jahr 1991 auf 22 Prozent im Jahr 2021." Dass mehrere Generationen zusammen leben, wird zur Ausnahme Gleichzeitig ändern sich auch die Familienstrukturen. Das Zusammenleben mehrerer Generationen in einem Haushalt ist immer seltener geworden. Familien verteilen sich mitunter auf verschiedene Städte, gar Länder. "Das merken wir überall und eben auch in Herford", sagt Puls. Die Nachbarschaft, das Vereinsleben oder der Freundeskreis werden dadurch immer wichtiger. Doch nicht jede Person verfügt über ein stabiles Netzwerk. Einsamkeit ist ein ganz großes Thema bei vielen Senioren, berichtet Elke Eisenburger. Sie ist als Lotsin unter anderem für die Innenstadt zuständig, wo mit 1.056 Personen die meisten älteren Menschen in Herford leben. Eisenburger ist immer wieder überrascht, was für Bedarfe die einzelnen Menschen haben. Aber auch in welchen "erschreckenden" Lebensituationen sich einge von ihnen befinden. Eisenburger: "Sie wollen gesehen werden. Wir sehen sie." Denn genau hier greift das Projekt an: Anders, als die diversen Beratungsstellen und Stadtteilzentren, die es in der Stadt bereits gibt, ist der Präventive Hausbesuch eine aktive Aktion. Die Stadt schreibt alle Menschen über 75 Jahre und älter in einem Brief an, informiert über den Hausbesuch und schlägt sofort einen Termin dafür vor. "So wollen wir alle erreichen, damit keiner durchs Raster fällt", sagt Sabine Hartmann-Rohlf von der Stadtverwaltung. Das Ergebnis gibt den Organisatoren recht: "Jeder Zweite nimmt das Angebot der Lotsen an", sagt Rohlf. Die Gespräche sind vertraulich Der Präventive Hausbesuch ist selbstverständlich freiwillig. "Einige lehnen auch erst ab, legen sich unseren Flyer in die Schublade und rufen Jahre später an", erzählt Eisenburger vom AWO-Begegnungszentrum Kastanienallee. Auch das sei möglich - schließlich können sich die Lebensverhältnisse im Alter schnell ändern - etwa, wenn der Partner stirbt oder die Kinder für einen beruflichen Neustart in eine andere Stadt ziehen. Fünf Lotsinnen und Lotsen übernehmen die Präventiven Hausbesuche. Sie hören sich Alterssorgen, Fragen zu Pflegethemen, organisatorische Probleme oder Existenzfragen an und helfen unproblematisch weiter. Stellen etwa Kontakte zu Hilfsangeboten her, informieren bei Gesundheitsthemen, hören auch einfach nur zu oder vermitteln Experten bei Fragen zum barrierefreien Umbau des Wohnraums. Die Lotsen für Senioren fungieren dabei für die Herforderinnen und Herforder als verlässliche Ansprechpartner. "Sie sind unser Gesicht nach draußen, das schafft Vertrauen", sagt Puls, dem es wichtig ist zu betonen, dass die Lotsen keinerlei Informationen über die Lebenssituation der Menschen weitergeben. Die Gespräche seien vertraulich. Puls: "Es geht uns um die Unterstützung." Das sind die fünf Lotsen Die Lotsen teilen sich die Stadt Herford in einzelne Gebiete auf. Für das Quartier Innenstadt, Stiftberg und Friedenstal ist Elke Eisenburger von der AWO zuständig. Klaus Lobe vom Diakonischen Werk ist Ansprechpartner für den Bereich Enger Straße, Im Kleinen Felde sowie Herringhausen. Nordstadt, Falkendiek und Schwarzenmoor betreut Andreas Winter vom Diakonischen Werk. Tanja Reinhold vom Deutschen Roten Kreuz ist für das Gebiet Eimter Straße und Im großen Vorwerk zuständig. Valentina Fuchs von der Caritas kümmert sich um Elverdissen, Diebrock, Sennenbusch, Stedfreund, Eickum, Laar sowie Kirschengarten. Das kostet das Projekt 120.000 Euro hat die Stadt Herford für das Jahr 2023 im Haushalt für das Lotsenprojekt eingestellt. Der Kreis Herford beteiligt sich seit dem vergangenen Jahr mit 25.000 Euro daran. Damit können nach Angaben von Puls die Personalkosten getragen werden. Der Hausbesuch ist kostenfrei.

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