Von Entenhausen bis EU-Recht: So diskutieren Donaldisten im Marta

Herford. Orangene FFP2-Masken, die wie Schnäbel im Gesicht sitzen, die wohl berühmteste Ente auf T-Shirts und Jute-Beuteln und augenzwinkernde Wissenschaft: Das Marta in Herford wurde am Samstag, 26. April, für einen Tag zur Zentrale des Donaldismus, der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Kosmos Entenhausen. Meinen die das Ernst? Nein - aber irgendwie doch. Es ist ein besonderer Kongress, der im Marta tagte: die Forscher der D.O.N.A.L.D. (Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus) kamen zusammen. Zum 43. Mal präsentierten Donaldisten ihre Forschungsergebnisse. Seit 1977 gehen sie den wichtigen Fragen nach: Wo liegt Entenhausen - und wann? Warum gibt es nur Onkel in Entenhausen, aber keine Eltern? Und warum haben die Ducks nur Zähne, wenn sie wütend werden? Sechs Stunden lauschten rund 130 Donald-Fans den aktuellsten Vorträgen rund um die Familie Duck - immer im Hinterkopf: Die Grundannahme, Entenhausen existiere. Zwischen Wissenschaft und Augenzwinkern Dieser Annahme folgend wird streng wissenschaftlich gearbeitet. So streng, wie es Themen rund um die Schnabeltiere eben erlauben. So spricht hier auch kaum jemand das C-Wort aus: Es handelt sich nicht um Comics, sondern um Berichte. Tatsachenberichte genauer gesagt. Aber glauben Donaldisten das wirklich? Und wie wissenschaftlich kann eine solche Auseinandersetzung überhaupt sein? "Theologie ist auch eine ernsthafte Wissenschaft", sagt Präsid"ente" Susanne Luber mit Verweis auf die Prämisse des Donaldismus. "Das ist etwas sehr untypisches für Deutschland: Spaß und Ernst zugleich." Natürlich sei es ein Spaß, ein Spiel mit der Wissenschaft. Um einen Fanclub handele es sich aber ausdrücklich nicht. Das Vorgetragene muss in sich logisch sein, darf nur auf den Zeichnungen von Carl Barks und den Übersetzungen von Erika Fuchs basieren und muss nach wissenschaftlichen Vorgehensweisen untersucht worden sein. Den Auftakt machte am Samstag Christian Schulz zum Produkthaftungsrecht in Entenhausen im Vergleich zu Deutschland. Schulz zieht Querverweise zur EU, zum zweiten Artikel des deutschen Grundgesetzes. Wortwitze kann sich kaum ein Donaldist verkneifen, also geht es &bdquo;Deducktion“ und &bdquo;Enteitäten“. Die Zuschauer lachen, aber eigentlich geht es hier ja um Wissenschaft. Also zurück zur Ernsthaftigkeit.Entenhausens Rechtssystem sei freiheitlich, eigenverantwortlich und weniger sozialstaatlich geprägt. Das Deutsche System könnte durchaus vom Entenhausener Recht lernen: Entschlackung täte gut, folgert Schulz. Immer wieder ruft das Publikum &bdquo;klatsch, klatsch, klatsch“ - Applaus ganz nach Zeichentrick-Manier. Dass es wegen des Stimmgewirrs wie aufgeregtes Quaken klingt, ist eine andere Sache. Donaldisten der jüngeren Generation Die Familie Duck hat tendenziell ältere Fans, die mit den Geschichten aufgewachsen sind. Aber es gibt auch Nachwuchs. Thorsten Jörgens etwa, der seine zehn Monate alte Patentochter in den Verein holte – pünktlich zum Kongress und ausgestattet mit Quietscheentchen. &bdquo;Das passt zur Veronkelung, dass ausgerechnet ich eine Patenschaft für ihre Mitgliedschaft übernehme“, sagt Jörgens. Da ist schon die nächste Beobachtung, die wohl nur wahre Donaldisten machen: In den Geschichten werden auffällig viele Onkel aufgeführt. Wo sind eigentlich die Eltern? Die Eltern von Jörgens Patentochter jedenfalls sind in Herford dabei, selbst ihre Großeltern sind Donaldisten. Worin aber liegt der Reiz, der über Generationen hinauszugehen scheint? "Die Berichte bilden einen relativ konsistenten Kosmos, in dem man einiges entdecken kann", sagt Jörgens. Der promovierte Mathematiker etwa schrieb über Kuller: Wesen, die unter der Erdkruste leben und Erdbeben auslösen. Allgemein seien viele Akademiker hier. Das liege in der Natur der Sache, sagt Susanne Luber. Viele der rund 1.100 Mitglieder hätten eine akademische Laufbahn. Voraussetzung sei das nicht: So wurde auch über Elektrizität diskutiert - und warum in Entenhausen Blitze in Holz einschlagen. Wer etwas von seiner Forschung hält, bezieht sich auf Carl Barks – die Lustigen Taschenbücher gelten bei vielen Donaldisten als nicht stichhaltig. &bdquo;Das ist alles erfunden“, sagt Rembert Satow. LTB sei nicht kanonisch. Der 69-Jährige ist seit frühester Kindheit Donald-Fan. Etwa 1966 muss das gewesen sein. Seitdem liest er die Geschichten - aber nur die Originale. &bdquo;Nur einer kann ihn richtig zeichnen“, sagt Satow. &bdquo;Man erkennt Barks.“Wer sind die Donaldisten? "Der Verein ist ein großes Augenzwinkern", sagt Johanna Thon. Die 35-Jährige ist Teil des Stammtisches, der den Kongress in Herford organisierte. Sie ist großer Comic-Fan, liest das Lustige Taschenbuch, seit sie 8 Jahre alt ist. Der Verein bedeutet für sie vor allem Gemeinschaft und Gleichgesinnte. Irene Roth und Jan Landmann etwa sind aus Köln angereist. Nicht alle der vorgetragenen Erkenntnisse werden verschriftlicht. Aber es geht um mehr: In vielem erkenne sie sich wieder, sagt Roth, die mit Mickey Maus Lesen lernte. "Donald ist ein Stehauf-Männchen. Mit seinen Schicksalen kann sich jeder identifizieren", ergänzt Landmann. "Als Erwachsener sieht man in den Geschichten andere Dinge als als Kind. Jeder versteht etwas anderes, wie bei jedem Kunstwerk", so Landmann. Rund 4.600 Comics sind in seiner Sammlung, von Mickey Maus bis zu Grafic Novels von Art Spiegelman und Werken des Comic-Journalisten Joe Sacco. Wer in die Wissenschaft rund um die Ducks eintauchen möchte – oder sich zumindest über die Leidenschaft zu den Lieblingsgeschichten aus Kindertagen austauschen will – findet auch in OWL einen Stammtisch. Alle sechs Wochen kommen Donald-Fans aus der Region zusammen. Diskutiert werden darf hier alles. Gesetzt ist nur eines: Entenhausen existiert.

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