Viel Trubel im Wald: Pflanzaktion "Tiny Forest" am Herforder Klinikum

Herford. "Wer weiß, was wir hier machen?" fragt Stefan Scharfe die Kinder. "Bäume pflanzen!" schallt es zurück. "Und warum?" - "Weil es Spaß macht!" Das spürt man auch, als Kinder, Eltern, Sponsoren, Fachleute, Klinikmitarbeiter und viele andere Aktive am Samstag Hand in Hand eine Brachfläche im Schatten des Klinikum-Parkhauses in den ersten Tiny-Forest Nordrhein-Westfalens verwandeln.Es ist über viele Stunden ein emsiges Treiben mit Spaten, Schubkarren und Gießkannen auf dem Gelände. Und die Freude an der Sache schmälert ja den ökologischen Wert der Aktion nicht. Das Wetter spielt mit: Die Sonne schielt um die Ecke auf das überwiegend schattige Gelände. Wenn es am Samstag auf den frischen Mutterboden geregnet hätte, wäre die Baumpflanzaktion schnell zur Schlammschlacht geworden.Los geht es schon morgens um 9 Uhr mit den ersten Gruppen der umliegenden Kitas. Der Waldpädagoge Stefan Scharfe entwickelt Entertainerqualitäten, als er die Gesellschaft mit gemeinsamem rhythmischen Klatschen und seinem Lied "Immer wenn der Tag anbricht, dann erwacht der Wolf in mir" in Schwung bringt. Stefan und seine beiden Mitstreiter Emmely Ebert und Matthias Scharfe kommen vom Miya-Fachverband und haben die Initiatoren des Herforder Tiny Forest beraten. Tiny Forest heißt so viel wie "winziger Wald".750 heimische Bäumchen und Sträucher gepflanzt "Was brauchen wir zum Pflanzen?" fragt Stefan Scharfe und gibt gleich die Antwort: "Ein Loch." Tatsächlich ist es mit einem Loch nicht getan: 750 heimische Bäumchen und Sträucher aus 23 Arten wie Rotbuche, Esche, Schlehe und Hainbuche sind für die rund 2.000 Quadratmeter große Fläche vorgesehen. Schwarze erklärt, dass die Erde die feinen Wurzeln, aber nicht den späteren Stamm umschließen soll. Ins Pflanzloch kommt noch eine Handvoll "Zaubererde" als nachhaltiger Dünger. Es ist sogenanntes "Terra Preta" - Schwarze-Erde-Substrat, das nach Indianerart aus Pflanzenkohle und Kompost hergestellt ist und schon Mikororganismen mitbringt. So wächst der Tiny Forest deutlich schneller heran als auf unbearbeitetem Boden. Die Bäume und Sträucher werden dichter gepflanzt als üblich. "Das sorgt für Konkurrenz und die Bäume wachsen schneller zum Licht", weiß Scharfe, der studierter Förster ist. Wenn es gut geht, wird die Hälfte der Pflanzen durchkommen und ein stabiles Mischwald-System bilden. "Eine gemeinsame Mission führt die Leute zusammen" "Tiny Forests sind eine megasinnvolle Methode für Flächen von geringem ökologischen Wert im städtischen Raum", meint der 27-Jährige aus Eberwalde bei Berlin. "Und eine gemeinsame Mission führt die Leute zusammen. Man sieht, was man gemacht hat, und später hat man ein grünes Klassenzimmer." Er weiß, dass Kinder und Eltern immer wieder kommen, um zu sehen, was aus ihren Bäumen geworden ist. Wenn die Kinder selber Eltern sind, können sie mit dem Nachwuchs zwischen den Bäumen Verstecken spielen. Ein Team bilden Max Drallmeier und sein Papa. "Wir finden das super und haben sofort zugesagt", berichtet Dennis Drallmeier. "Wir freuen uns sehr, bei schönem Wetter etwas für die Umwelt zu tun." - "Wir haben auch einen großen Garten mit viel Grün", verrät der Junior."Weniger Bäume heißt schlechtere Luft" Der Vorstandsprecher des Klinikums, Peter Hutmacher, ist im Arbeitsalltag meist im Anzug unterwegs. Nun ist er in Norwegerpullover und Stiefeln und mit dem Spaten in der Hand kaum wiederzuerkennen. "Das trage ich sogar lieber", verrät er. Er freut sich wie auch Mitinitiatorin und NW-Redakteurin Corina Lass, mit wieviel Eifer die Leute dabei sind. Hanna und Nele sind beide zehn Jahre alt. Sie arbeiten heute zusammen. "Es macht ziemlich doll Spaß und wir tun was Gutes für die Umwelt, weil die Bäume die Luft filtern. Weniger Bäume heißt schlechtere Luft", wissen sie aus dem Sachkundeunterricht der Grundschule Mindener Straße. Ronja (10) und Greta (5) wollen später schauen, wie die Bäume wachsen. Ronja hat sich in der Kinderklinik impfen lassen, Greta ist hier schon einmal stationär behandelt worden. Fremd war ihnen das Klinikum auch vorher nicht: Mama arbeitet hier."Der wilde Wald der Zukunft" "Ich bin begeistert vor allem über die Freude der Kinder", sagt Walter Koch. Er ist Chefarzt der Kinderklinik und Vorsitzender des Fördervereins, der Träger des Projekts ist. "Es gibt in dieser Zeit nichts Besseres, als einen Baum zu pflanzen. Das muss man sowieso einmal im Leben gemacht haben. Es ist erstaunlich, wie der Mensch mit dem Wald verbunden ist."Er findet vor allem die Idee des gemeinsamen Pflanzens "genial" und greift heute selbst auch zum Spaten. In der Finanzierung des Projekts ist schon eine langfristige waldpädagogische Begleitung berücksichtigt. Möglich gemacht haben das Ganze rund 120 Einzelspenden über die Crowfunding-Plattform der Volksbank sowie Geld- und Sachspenden von Unternehmen, Stiftungen und Vereinen. Wer gut arbeitet muss auch gut essen: Ein Team der Klinikumsküche stand bereit mit Gemüsesuppe und Kuchenteilchen.Den ganzen Tag hat auch ein Filmteam des ZDF das Werden des Mini-Waldes begleitet. Sie werden die Leute vom Miya-Verein auch noch zu einem Projekt in Polen begleiten, bevor die Folge von "Plan B" im Herbst ausgestrahlt wird. Der Arbeitstitel lautet: Der wilde Wald der Zukunft".

Meistgelesen