Tempo 30 fast überall: Das hält der ADAC von den Bürgermeister-Plänen

Herford. Die Stadt will ihre Klimaziele verschärfen. Das Ziel ist, bis 2045 klimaneutral zu werden.Um das zu erreichen, soll unter anderem flächendeckend Tempo 30 eingeführt werden. Davon profitiere nicht nur das Klima, so Bürgermeister Tim Kähler. Der Radverkehr werde gestärkt, die Sicherheit für Kinder erhöht und die Lärmbelästigung in Wohngebieten für Anwohner gesenkt. Der Verkehrsclub ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobilclub) sieht das anders. Ralf Collatz, Pressesprecher und Leiter der Abteilung Technik und Verkehr in Bielefeld, erläutert die Gründe, warum der ADAC für solch eine ausgeweitete Tempoänderung "keine Veranlassung sieht". Die Haltung des ADAC zum IST-Zustand "Es gibt doch jetzt schon massenhaft Tempo-30-Zonen", sagt Collatz zur Idee derStadt Herford. Tendenziell sei auf etwa 80 bis 85 Prozent der Straßen innerhalb von Städten schon jetzt die Geschwindigkeit runter geregelt. Das müsse reichen. Schließlich solle der Verkehrsfluss aufrecht erhalten bleiben. Wie Tempo 30 vor Schulen und Kitas ankommt Nicht nur innerhalb von Wohngebieten gebe es Tempo-30-Zonen, auch auf Hauptverkehrsstraßen sei die Geschwindigkeit mancherorts gedrosselt. Hintergrund ist eine Änderung in der Straßenverkehrsordnung, die bereits im Dezember 2016 erfolgt ist, so Collatz. Demnach dürfen die Kommunen entscheiden, ob sie vor Schulen, Kindergärten und Seniorenheimen Tempo 30 einführen. Das gelte allerdings nur für wenige hundert Meter vor der jeweiligen Einrichtung. "Diese Tempo-30-Zonen werden akzeptiert", sagt Collatz. Dort würden Autofahrer den Sinn verstehen und gern auf die Bremse treten. Umfragen unter den Mitgliedern des ADAC zufolge, spreche sich aber eine Mehrheit gegen eine flächendeckende Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Kilometer in der Stunde aus. Für ein generelles Tempolimit gebe es laut dem Verkehrsclub "keine große Akzeptanz". Unterschiedlicher Blick auf Sicherheit und Umwelt Für Bürgermeister Tim Kähler spielt die Temporeduzierung auch bei der Sicherheit eine Rolle. Der Bremsweg sei bei 30 Kilometer in der Stunde schließlich deutlich kürzer als bei Tempo 50. Und auch das Zusammenspiel von Auto- und Radverkehr werde durch die reduzierte Geschwindigkeit gestärkt. Große Hauptverkehrsachsen wie die Berliner oder Bielefelder Straße sollen bei der Umsetzung ausgeklammert sein. Auch, weil die Stadt bei vielen größeren Straßen keine Eigentümerin ist. Lösungen müsste sie dort gemeinsam mit dem Kreis und dem Land finden. Beim ADAC ziehen die aufgeführten Sicherheits- und Umweltgründe nicht. "Wir sehen das kritisch", sagt Collatz und gibt ein Beispiel. Wenn es keine Zeitersparnis mehr über größere Straßen gebe, suche sich der Verkehr den kürzeren Weg. Und der führe oftmals durch Wohngebiete. Collatz: "Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein." Die Einschätzungen zu den Pkw-Emission Senkt Tempo 30 die Schadstoffemission? So einfach lässt sich diese Frage nicht beantworten. Es gibt nur wenige aussagekräftige Studien dazu, die sich laut derWDR-Sendung Quarks auch nur schlecht vergleichen lassen. So wird zum Beispiel mal nur Feinstaub bemessen, mal nur Stickstoffdioxid. Zudem variieren die Zeiträume und der Ort der Untersuchungen stark. Untersuchungen des ADAC zeigen, dass Autofahrer bei geringerem Tempo oft auch in niedrigen Gängen fahren. "Das verursacht Schadstoffe sowie Lärm mindestens wie bei Tempo 50", sagt Collatz. Eine Temporeduzierung ist also kein wirksames Mittel für die Schadstoffreduzierung, findet der ADAC. "Wir sind aus Umweltgründen idealerweise für die grüne Welle." Der Berliner Senat hat ebenfalls messen lassen und kommt zu anderen Schlüssen: Dort sanken die NO2-Werte (Stickstoffdioxid) nach Einführung von Tempo 30 zwischen 5,7 und 12,8 Prozent. Der elementare Kohlenstoff nahm ebenfalls ab (zwischen 0,3 und 2,2 Prozent) sowie geringfügig auch der Feinstaub (1,8 Prozent). Diese Städte wollen auch Tempo 30 Über Landes- und Bundesstraßen in den Städten haben die Kommunen keine Entscheidungsgewalt. Nicht nur die Stadt Herford fordert für Bereiche in geschlossenen Ortschaften mehr Einfluss ein. Auch die Großstädte Münster, Aachen, Augsburg, Freiburg im Breisgau, Leipzig, Hannover und Ulm wollen großflächig Tempo 30 testen. Dafür müsste die Straßenverkehrsordnung geändert werden. Der Deutsche Städtetag unterstützt Modellversuche. Sein Präsident und Leipziger Oberbürgermeister, Burkhard Jung, erklärte Anfang Juli anlässlich der Präsentation der "Städteinitiative Tempo 30": "Wir wollen den Verkehr in den Städten effizienter, klimaschonender und sicherer machen. Dafür brauchen wir aber vor Ort mehr Entscheidungsspielräume." Jung meint: "Die Kommunen können am besten entscheiden, welche Geschwindigkeiten in welchen Straßen angemessen sind." Die Initiative setzt jetzt auf die neue Bundesregierung und das eine baldige Gesetzesänderung schnell durch den Bundestag kommt.

Meistgelesen