Rückblick: Impfzentrum wird geschlossen nach turbulenten Wochen und Monaten

Kreis Herford. "Wir kommen leider zum Ende des Impfzentrums", sagt Kreisdirektor Markus Altenhöner, der dafür zuständig ist. Der Leiter des Krisenstabs im Kreis Herford klingt fast wehmütig im Gespräch mit nw.de. "Die Zusammenarbeit aller Beteiligten bleibt bei mir in Erinnerung." Trotz anstrengender Monate werde es Altenhöner schwerfallen, am 30. September den Schlüssel umzudrehen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass dann alle Impfzentren schließen. Ein Impfzentrum entsteht - doch der Impfstoff fehlt In der zweiten Jahreshälfte 2020 zeichnete sich langsam ab, dass es einen Impfstoff gegen das Coronavirus geben würde. Der Kreis wurde Ende November mit einem Erlass des Landesgesundheitsministeriums beauftragt, ein Impfzentrum zu errichten und mobile Impfteams zu organisieren - und das innerhalb weniger Wochen. Bis Mitte Dezember wurde das Impfzentrum "aus dem Boden gestampft", wie Altenhöner es ausdrückt. "Keiner wusste, wie man so etwas macht." Ein passender Ort wurde schnell gefunden: das ehemalige Gelände des Küchenherstellers Alno beziehungsweise dessen Tochter Wellmann in Enger. "Es war eine gute strategische Entscheidung, nicht in eine Veranstaltungshalle zu gehen. Wir können das Impfzentrum ohne Druck betreiben und müssen jetzt nicht auf Folgeveranstaltungen achten." In kürzester Zeit wurden der Standort besichtigt und das Personal eingearbeitet. "Die Abläufe sind mehrfach durchgespielt worden", sagt Altenhöner. Bei einem dieser Testläufe war die Neue Westfälische dabei. Start unter schwierigen Bedingungen geglückt Schließlich stand fest: Der Impfbetrieb sollte am 1. Februar 2021 starten. Doch der Beginn verzögerte sich um eine Woche, weil weniger Impfdosen ausgeliefert wurden als angenommen. Als es dann endlich am 8. Februar losgehen konnte, bereitete das Wetter Probleme: "Wir hatten es mit einem Riesen-Schneechaos zu tun", erinnert sich Altenhöner. Ganz Ostwestfalen-Lippe erlebte kaum gekannte Schnee-Massen. Die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Bundeswehr halfen dabei, dass die über 80-Jährigen das Impfzentrum erreichen und ihre Termine wahrnehmen konnten. Das sei gut bei der älteren Generation angekommen. Inzwischen ist genügend Impfstoff für alle vorhanden. Im Frühjahr sah die Lage anders aus. Es gab Priorisierungen, sodass Menschen, die als besonders gefährdet galten, zuerst eine Impfung erhalten konnten. Noch bevor das Impfzentrum in Betrieb ging, wurden im Januar die Menschen in Alten- und Pflegeheimen geimpft. Später waren dann die über 80-Jährigen dran. "Es ist etwas Besonderes, was da für eine Leistung erbracht wurde. Und wir haben das eine oder andere Menschenleben gerettet, indem wir den Impfstoff in dieser Reihenfolge priorisiert haben", sagt der Krisenstabsleiter. Der Kreis habe sich strikt an die Impfreihenfolge gehalten. Am Anfang habe das für Diskussionen gesorgt. Das sei besonders vorerkrankten Menschen, die erst später priorisiert wurden, schwierig zu vermitteln gewesen. "Aber so waren die Vorgaben." Keine Termine frei - viel Frust in der Bevölkerung Im Durchschnitt arbeiteten 120 Menschen pro Tag im Impfzentrum. Dazu gehörten durchschnittlich circa 50 Ärzte und Ärztinnen sowie medizinisches Personal, etwa 60 Mitarbeitende des DRK, die sich um Einlasskontrollen, Registrierung und die Nachbeobachtung kümmerten, und etwa acht Mitarbeitende aus dem Apothekenbetrieb, die den Impfstoff vorbereiteten. Das Zentrum wurde zeitweise von der Bundeswehr mit circa zehn bis 15 Mitarbeitenden unterstützt. Dazu kamen der Sicherheitsdienst, das Reinigungspersonal und hinter den Kulissen noch zahlreiche Menschen in der Verwaltung und es gab eine Terminvergabe-Einheit. Hier lag eine weitere Herausforderung für das Team, wie sich Markus Altenhöner erinnert. Als die Impfungen endlich losgehen konnten, sei die Euphorie groß gewesen. Bald stellte sich Frust ein: "Das Portal der Kassenärztlichen Vereinigung, über die die Terminvergabe lief, hat nicht funktioniert. Das musste der Kreis auffangen." Ein Todesfall erschüttert den Kreis Dann der Schock: Ende März starb eine 32-jährige Herforderin zehn Tage nach ihrer Impfung. Ein abschließender Bericht des Instituts für Rechtsmedizin Münster bestätigte, dass die Frau im Zusammenhang mit einer Astrazeneca-Impfung verstorben ist. "Alle Beteiligten waren sehr betroffen. Die Ärzte hatten danach mit viel Verunsicherung zu tun", sagt Altenhöner. In der folgenden Zeit entbrannte bundesweit eine Diskussion über den Vektorimpfstoff des Herstellers Astrazeneca. "Der Impfstoff war im Kreis Herford nicht mehr so nachgefragt." Der Kreisdirektor kritisiert hierbei die Aufklärungsarbeit des Landes NRW. Als der kurzzeitige Vergabestopp des Astrazeneca-Vakzins kam, sei das Team im Impfzentrum erst spät informiert worden. "Es saßen Menschen im Zentrum, die aus der Bild-Zeitung davon erfahren haben. Das gab ein ziemliches Chaos." Die Verärgerung aus der Bevölkerung haben dann die lokalen Mitarbeitenden abbekommen, so Altenhöner. Ein Abschied auf Zeit? Zukünftig wird bei den Haus-, Fach- und Betriebsärzten geimpft. Und obwohl noch nicht alle Menschen im Kreis Herford geimpft sind, wird bereits über Auffrischungsimpfungen diskutiert. Wäre eine verlängerte Laufzeit der Impfzentren angesichts dieser anstehenden Aufgabe sinnvoll gewesen? "Die Impfzahlen sind deutlich rückläufig. Aber vielleicht hätte man sich noch einen Monat gedulden sollen, um abzuwarten, was die Ständigen Impfkommission (Stiko) bezüglich der Auffrischungen empfiehlt. Das ist frühestens Ende September der Fall." Ein Kapitel der Corona-Pandemie neigt dem Ende entgegen. Das Land sieht keine Notwendigkeit, die Impfzentren in einem Stand-by-Betrieb zu halten. Eine solche Vorhaltung könne nicht bezahlt werden. Stattdessen soll ab 1. Oktober eine siebenköpfige "Koordinierende Covid-Impfeinheit" zunächst bis Ende April 2022 das Impfgeschehen im Kreis Herford monitoren. Die Einheit könne im Falle eines geänderten Infektionsgeschehens oder einer geänderten Stiko-Empfehlungslage zusätzliche Impfangebote organisieren und "die niedergelassene Ärzteschaft bei der Impfung größerer Personengruppen unterstützen". Der Vermieter der Immobilie am Bustedter Weg stelle hierfür die derzeitigen Räume bis zum 30. April kostenneutral zur Verfügung. "Das wir die Räumlichkeiten des Impfzentrums auch weiterhin im Bedarfsfall nutzen können, rechnen wir unserem Vermieter hoch an. Wenn es sein muss, sind wir vorbereitet", betont der Krisenstabsleiter.

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