13- und 14-Jähriger überfallen Tankstelle: Der Tag danach

Herford. Montagmorgen an der Avia-Tankstelle an der Mindener Straße 179. Die Sonne scheint, es ist eine friedliche Alltagsszenerie in der Ferienzeit. Kunden kommen und gehen, tanken, bezahlen Benzin und kaufen Croissants oder Kaffee im Becher. Nur vereinzelt sprechen sie die Pächterin an der Kasse auf den brutalen Überfall an, der am Sonntagabend um kurz nach 18 Uhr hier stattgefunden hat. Manuela Train kann es noch gar nicht fassen: "Das kann doch nicht wahr sein. Das sind ja noch Kinder. Wie gewalttätig die schon sein können", sagt sie. Tatsächlich haben ein 13 und ein 14 Jahre alter Jugendlicher aus der nahe gelegenen Nordstadt am Vorabend um 18.17 Uhr ihren 53-Jahre alten Kassierer mit einer Schreckschusswaffe überfallen. Die Beute: 700 Euro Bargeld. Manuela Train konnte das auf dem Video der Überwachungskamera nachvollziehen. Ein 18-jährige Herforder, der den Überfall bemerkt hatte, verfolgte und stellte den jüngeren der flüchtenden Täter. Das hätte böse für ihn enden können, denn auch Schreckschusswaffen können aus der Nähe abgefeuert durch Luftdruck schwere Verletzungen verursachen. Täter waren maskiert und dunkel gekleidet Nach Darstellung der Polizei betraten die Jugendlichen maskiert und dunkel gekleidet das Tankstellengelände. Der Kassierer stand zu diesem Zeitpunkt im Freien und machte Zigarettenpause, weiß Manuela Train. Sie kennt ihn schon seit Kindesbeinen und beschäftigt ihn erst seit einem Monat in der Tankstelle, die sie vor sechseinhalb Jahren übernommen hat. Die Jugendlichen stürmen am Kassierer vorbei in den Tankstellenshop und finden ihn verwaist vor. Als sie erkannten, dass der rauchende Mann kein Kunde ist, zwangen sie ihn mit der Waffe im Nacken, die Kasse zu öffnen und die rund 700 Euro herauszugeben. Einer der Täter hatte nach Angaben von Manuela Train eine Art Metallstab in der Hand, den sie auf dem Video nicht näher erkennen konnte. Einer schnappt sich im Vorübergehen noch eine Packung Camel-Zigaretten und nach kaum einer halben Minute flüchten beide Jugendliche zu Fuß in Richtung der nahen Magdeburger Straße. Ein Täter kam nur wenige Hundert Meter weit Ein 18-jähriger Herforder, der mit zwei Freunden etwas in der alteingessenen Tankstelle kaufen wollte, erkannte die Situation und nahm mit seinem BMW die Verfolgung auf. Er fuhr nur kurz bis zur Straße Nagelskamp, die unweit der Mindener Straße von der Magdeburger Straße abzweigt. Dann verfolgte er die Täter zu Fuß weiter. Jetzt, so die Polizei, schoss der 13-Jährige auf seinen Verfolger. Der holte ihn aber ein, warf ihn zu Boden und fixierte ihn. Der 18-Jährige hielt dabei ein mitgeführtes, im Polizeibericht nicht näher beschriebenes Messer in der Hand. Später wird er zu Protokoll geben, dass er den 13-Jährigen damit nicht bedroht habe. Der 13-Jährige gab weitere Schüsse ab, traf seinen Verfolger am Arm und verletzte ihn leicht. Dennoch konnte der ihn festhalten, bis die Polizei eintraf. Polizei fasst 14-jährigen Täter an seiner Wohnung Die Beamten stellten vor Ort die Schreckschusswaffe sowie einen Teil des Bargeldes sicher und brachten den sich aggressiv verhaltenden 13-Jährigen zur Feststellung seiner Identität auf die Herforder Wache. Nachdem er entsprechende Angaben gemacht hatte, übergaben die Polizisten den strafunmündigen Jugendlichen in die Obhut seiner Erziehungsberechtigten. Der 14-Jährige war laut Polizeibericht weiter in Richtung Mühlentrift geflüchtet. Aufgrund genauer Beschreibungen von Zeugen fahndeten weitere Beamte im Bereich seiner Wohnanschrift nach ihm. Sie konnten ihn hier gegen 21 Uhr stellen und ebenfalls dem Gewahrsam zuführen. Die restliche Beute fand die Polizei bisher nicht. Auch der 14-jährige, strafmündige Jugendliche wurde am Montag aus dem Gewahrsam entlassen. Beide Täter werden sich wegen mehrerer Delikte verantworten müssen: Raub, Bedrohung, Verstoß gegen das Waffengesetz und gefährliche Körperverletzung. Was sie zu erwarten haben, darüber wird laut Polizeisprecherin Simone Lahr-Schnier eine Richterin oder ein Richter entscheiden. Für den Älteren wird es womöglich auf Jugendarrest, für den Jüngeren auf Sozialstunden hinauslaufen. 2020 hat es im Kreis Herford drei Überfälle auf Tankstellen gegeben, 2021 waren es bisher zwei. Dem Kassierer geht es nicht gut Manuela Train hat selbst noch keinen Überfall erlebt. Sie wohnt in der Nachbarschaft und ist abends sofort an den Tatort geeilt. Ihrem Mitarbeiter, der die Waffe im Nacken gespürt hatte, "geht es nicht so gut", sagt sie. Die erste Stunde sei er noch ganz locker gewesen. Dann habe man ihm den Schock angemerkt und er habe vorzeitig Feierabend gemacht. Der Vlothoer will psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Die Tochter der Pächterin sprang kurzfristig ein. Jeder verarbeitet so ein Erlebnis anders. Der letzte Überfall auf die Avia-Tankstelle ereignete sich vor dreieinhalb Jahren. Am Tag vor Heiligabend morgens um 6.50 Uhr überfiel ein nie gefasster Täter die 20-jährige Verkäuferin. Er erbeutete nur das Wechselgeld, denn Einnahmen hatte es noch nicht gegeben. Die Mitarbeiterin habe den Überfall damals gut überstanden, erinnert sich Manuela Train. Sie habe sich gedacht, dass der Täter das Geld womöglich für Geschenke gebraucht habe und habe ihm noch "Frohe Weihnachten" gewünscht.

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