Migranten in der Pandemie: Wenn Sprache die Covid-Bekämpfung bremst

Herford. Alle Menschen sind von der Pandemie betroffen. Doch Corona trifft nicht alle Menschen gleichermaßen. Der soziale Status und die Lebenssituation spielen eine Rolle dabei, wie hoch die Ansteckungsgefahr ist. Auch der Zugang zu Informationen, wie diese aufbereitet sind und die Sprachkenntnisse sind nicht zu vernachlässigen. Das mache sich bei ständigen Wechsel der Regeln bemerkbar, sagen Nataa Stancic und Keywan Berenjian vom Fachdienst Migration und Integration der Arbeiterwohlfahrt (AWO). &bdquo;Beim Thema Corona muss man viel selbst recherchieren. Das ist leicht, wenn man gebildet ist und die Sprache spricht." Und nicht leicht für alle anderen. In OWL beobachten Mediziner, dass immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund auf den Intensivstationen behandelt werden müssen. Die Patienten sind jünger als in der ersten und zweiten Welle. Im Bielefelder Klinikum seien es mehr als 50 Prozent. In diese Details geht Marco Kauling, Arzt im Krisenstab im Klinikum Herford, auf NW-Anfrage nicht: &bdquo;Wir wollen die Menschen nicht aufgrund ihres Namens stigmatisieren. Wir fokussieren uns auf den medizinischen Sachverstand und fragen keine Wohnsituation ab." Allerdings, so auch Kauling, wenn mehr Generationen auf engem Raum zusammenleben, beschleunige das die Infektionen im Familienumfeld. Mehr als die Hälfte steckt sich im privaten Umfeld an Das sieht auch Krisenstabsleiter Markus Altenhöner so. Knapp 50 Prozent der Menschen, die zwischen Januar und April an Corona erkrankt waren, gaben an, sich im familiären Umfeld angesteckt zu haben. Weitere 35 Prozent gaben dazu keinerlei Informationen. Die Dunkelziffer könnte also durchaus höher sein. Und da sei es nicht von der Hand zu weisen, dass in beengteren Wohnverhältnissen das Virus schneller überspringen kann. &bdquo;Dass Corona aber nur gewisse Nationalitäten befällt, das gibt es nicht", sagt Altenhöner. &bdquo;In solch eine Diskussion dürfen wir nicht verfallen." Dennoch dürften bestimmte Wohnverhältnisse nicht aus dem Blick genommen werden. Keywan Berenjian denkt dabei an etliche Wohngemeinschaften, in denen Flüchtlinge und anerkannte Geflüchtete zusammenleben. &bdquo;Da teilen sich zehn Personen eine Küche und zwei Bäder. Da kann man der Gefahr nicht aus dem Weg gehen", sagt der Berater und warnt davor, dass in solchen Fällen bei einer Ansteckung ein schiefes Bild entsteht. &bdquo;Ohne konkrete Zahlen zu haben, ist es schwierig, nach Lösungen zu suchen." Das wichtigste Ziel muss sein, alle ausreichend zu informieren, sagt Kollegin Nataa Stancic: &bdquo;Je mehr Informationen, desto besser." Die Fachdienste können aufgrund der Pandemie nur eingeschränkt beraten. Vor Corona gab es zweimal wöchentlich offene Sprechstunden, heute läuft das meiste übers Telefon. Nachfragen zu Corona-Regeln gibt es immer mal wieder, sagen sie. Die Berater hören auch viele Gerüchte über Corona So werden auch Gerüchte, dass etwa eine Corona-Impfung lebensgefährlich sei, entdeckt und von den Beratern direkt aus dem Weg geräumt. Meist gehe es bei der AWO-Beratungsstelle um Anfragen zum Aufenthalt, arbeitsrechtliche und auch gesundheitliche Fragen kommen auf. In der Regel, weil dargebotene Informationen nicht verstanden werden. Das sei beim Thema Corona nicht anders, sagt Stancic und gibt ein Beispiel. Auf der Seite des Kreises Herford gebe es zwar viele Informationen, auch in verschiedenen Sprachen, doch die seien so bürokratisch verklausuliert, dass sie nicht verstanden werden, kritisiert sie. &bdquo;Es ist nicht leicht, wenn man nicht internetaffin ist, nicht die Sprache spricht, kein Radio hört oder Zeitung liest." Da landen viele schnell in den Sozialen Medien und damit möglicherweise bei Falschinformationen. Stancic wünscht sich einen Infobrief, der von den Kommunen regelmäßig an alle verteilt wird, kann sich aber auch Infopoints an zentralen Stellen in der Stadt vorstellen oder dass über Impfmobile direkt vor Ort aufgeklärt wird. Impfen auch in Schulen und Kitas Die Sprachbarrieren sind ein Hindernis, aber auch die Art und Weise, was den Impfwilligen beim Ausfüllen der Unterlagen zugemutet wird. Marco Kauling: &bdquo;Fünf Seiten sind auszufüllen, das ist eine große Hürde." Zudem hätten manche Menschen keinen Hausarzt, der sie aufklären kann. &bdquo;Wir würden es als Krankenhaus begrüßen, wenn es mehr Impfangebote gäbe", sagt Kauling. Er denkt dabei unabhängig von Impfzentren und Hausarztpraxen vor allem an niederschwellige Angebote, wie mobile Lösungen oder daran, für das Impfen Kitas und Schulen zu nutzen. Der Weg zur Impfung müsse einfach sein. Denn, so der Arzt im Krisenstab: &bdquo;Die Faktoren sprechen dafür, sich impfen zu lassen." An den Menschen über 70 Jahren lasse sich der Impferfolg bereits ablesen. Auch einen schweren Verlauf gelte es zu verhindern. Kauling: &bdquo;Wir schauen dabei nicht nur auf unsere Bettenzahlen, wir alle wollen ja auch wieder in den Biergarten." NW+ | Krisenstabsleiter zur aktuellen Corona-Lage: Wo sich die meisten Menschen anstecken

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