Warum ein 21-Jähriger in den Bundestag möchte

Herford. Als Treffpunkt für das Foto schlägt Jan Lieberum von der Partei Die Linke den Linnenbauerplatz mit Blick auf das Spielschiff vor. Daran, dass das Schiff dort steht, hat seine Stimme einen kleinen Anteil. Geplant wurde der Platz mit Bürgerbeteiligung, und zusammen mit anderen Kindern in der Kita St. Josef wünschte er sich damals ein Piratenschiff. &bdquo;Dass die Erwachsenen auf uns hörten, ist ein gutes Gefühl", sagt er. Die Erfahrung hat Spuren hinterlassen: die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und mehr Bürgerbeteiligung bei kommunalen Projekten stehen weit oben auf der Liste seiner politischen Ziele. Lieberum gehörte 2019 zu den Mitinitiatoren der ersten Demos von Fridays for Future Herford und protestierte während des Europa-Wahlkampfes mit einem Pappschild mit der Aufschrift &bdquo;Hass ist keine Alternative" neben den Infoständen der AfD gegen diese Partei. &bdquo;Das habe ich zuerst allein gemacht", dann stellten sich einige Linke dazu: &bdquo;So kam der erste Kontakt zustande."Anfang März 2021 wurde er als Direktkandidat der Partei Die Linke für den Bundestag im Wahlkreis 133 (Kreis Herford und Bad Oeynhausen) gewählt. Beim virtuellen Listenparteitag der NRW-Linken am 10. April will sich der 21-Jährige um einen Platz auf der NRW-Landesliste bewerben. Trotz Studium in Münster arbeitet Lieberum in kommunalen Gremien mit Vor zwei Jahren war er angehender Abiturient, heute studiert er in Münster Politik. Da wegen Corona das Studium online stattfindet, kann er sich weiter im Behindertenbeirat des Kreises und im Sozialausschuss der Stadt Herford und in Partei und Linksjugend engagieren. Realistische Chancen auf ein Bundestagsmandat rechnet er sich nicht aus, dazu sei er auf den verschiedenen Parteiebenen zu unbekannt. Außerdem bedauert er, dass es der Partei während der Corona-Krise nicht gelungen sei, mit eigenen Themen zu punkten. &bdquo;Dabei hat die Krise deutlich gezeigt, wie dringend eine Rücknahme von Privatisierungen im Gesundheitssektor und eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte sind", sagt er: &bdquo;Beides sind seit langen unsere Themen, aber wir haben uns lieber mit internen Streitereien und Flügelkämpfen beschäftigt." Er fürchtet, dass sich das auf das Wahlergebnis negativ auswirken könnte. Das Thema der Regierungsbeteiligung stellt sich für ihn erst nach der Wahl. &bdquo;Es gibt politische Haltelinien, die wir nicht überschreiten dürfen", sagt er: &bdquo;Dazu gehört die Forderung nach einem Ende aller Auslandseinsätze des Bundeswehr." Er glaube ohnehin, dass sich Veränderungen eher durch das Engagement an der Basis durchsetzen lassen als im Parlament. Legitime Mittel sind für ihn neben Demos auch Blockaden, Besetzungen oder Kampagnen wie &bdquo;Deutsche Wohnen enteignen." So etwas bräuchte es seiner Meinung nach auch in Herford, um den Mietpreisanstieg zu stoppen, jedenfalls keinen Abriss des Schützenhofes, um Bauland mit Blick auf einen Park für ein einkommensstarkes Klientel zu schaffen. Dringender sei es, sich der Menschen ohne Obdach anzunehmen. Lieberum will die Innenstadt im Sinne der Menschen neu denken Der Abriss des Theaters ist für ihn keine Option, denn das Haus sei wegen seiner Architektur und der Doppelnutzung als Theater und Aula zu Recht als fast einzigartiges Gebäude in NRW denkmalgeschützt. &bdquo;Die Probleme beim Brandschutz dort sind seit vielen Jahren bekannt", sagt er: &bdquo;Sie wurden aber so lange unter der Decke gehalten, bis sie einem Politiker in die politische Agenda passten." Lieberum stand in Literaturkurs-Aufführungen des Ravensberger Gymnasiums auf der Bühne, spielte in den Kinder- und Jugendclubs am Theater und hängt daher auch aus persönlichen Gründen an dem Bau. Er bezweifelt aber generell, dass sich ein OWL-Forum in der Konkurrenz gegen andere Spielstätten in OWL wirtschaftlich behaupten könnte, egal an welchem Standort. Ebenso wichtig ist für ihn die Frage, wie sich die Innenstadt nach dem Rückzug von Ketten wie Saturn oder H&M und den von Corona forcierten Veränderungen neu denken lässt. &bdquo;Ich würde mir mehr Grün und mehr Orte der Begegnung für die Menschen in der Stadt wünschen, allerdings nicht nur für so ein Schicki-Micki-Klientel wie in der Markhalle", sagt er. Lieberum rechnet sich im ersten Anlauf wenig Chancen auf ein Bundestagsmandat aus, will sich aber trotzdem voll im Wahlkampf engagieren. Er hofft, dass trotz Corona ein Wahlkampf mit Begegnungen möglich ist, da für ihn eine Politik für die Menschen nur mit den Menschen gemacht werden kann. Da viele Rahmenbedingungen für die Kommunalpolitik auf Bundesebene gesetzt werden, kann er sich vorstellen, in vier Jahren erneut anzutreten. Wichtig bleiben für ihn der Kampf gegen den Klimawandel und für das Einhalten der Klimaziele, der Kampf gegen Rassismus und das menschenverachtende Grenzregime der EU oder der Einsatz für eine echte Gleichstellung von Männern und Frauen. Alle Themen führen für ihn zu einer grundsätzlichen Kapitalismuskritik. &bdquo;Der Kapitalismus geht von einem unendlichen Wachstum bei unbegrenzten Ressourcen aus", sagt er: &bdquo;Das kann auf einem begrenzten Planeten nicht funktionieren, was sich beim Klima und in vielen anderen Bereichen zeigt." Eine Umkehr sei nötig, und dafür werde er weiter auf die Straße gehen.

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