Wie alte Energiefresser zu Passivhäusern werden sollen

Herford. Gebaut wurden sie Ende der 50er Jahre, als Energie billig, die Wohnungsnot groß und der Klimawandel unbekannt waren: die vier Mehrfamilienhäuser mit ihren 24 Wohnungen am Anfang der Ulmenstraße. Ihr Energieverbrauch ist immens. Rund 260 Kilowatt Heizenergie pro Quadratmeter und Jahr werden hier geschluckt. Jetzt sollen die steinernen Energiefresser bei einem Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Energie Agentur (DEA) mit einer speziellen Technik saniert und zu Null-Energie-Häusern werden. Sie sollen den Energie-Einspar-Standard KfW 55 erreichen und sogar mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. &bdquo;Wir reden nicht nur über Klimaschutz, wir werden auch aktiv", so Bürgermeister Tim Kähler (SPD), der das Projekt mit CDU-Fraktionschef Thomas Helmerking sowie den Geschäftsführern der städtischen Wohnbau-Tochter WWS, Magnus Kasner und Heinz-Dieter Klein, vorstellte. Ein neues Sanierungssystem soll den Null-Energie-Standard möglich machen. Allerdings auch zu einem stolzen Preis: rund 3,3 Millionen Euro werden veranschlagt, rund 2.700 Euro pro Quadratmeter. Allerdings gibt es – wenn der KfW-55-Standard erreicht wird – 40 Prozent der Investitionssumme von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Dazu kommen Fördermittel der DEA. Gleichzeitig will die WWS bei den Arbeiten ein rasantes Tempo vorlegen: Bis zur nächsten Heizperiode sollen die Gebäude fertig sein. Ganz neu ist das Herforder Projekt nicht: Ähnliche Verfahren werden schon erfolgreich in den Niederlanden umgesetzt. Zeitgleich mit Herford gibt es etwa Projekte in Hameln sowie Bochum. Warum die Ulmenstraße ausgewählt wurde Doch warum gerade die vier Häuser, die zeitweise sogar als Abrisskandidaten ins Auge gefasst waren? Gebäude wie die an der Ulmenstraße gibt es bundesweit viele und auch in Herford machen sie einen großen Teil der rund 300 Wohngebäude der WWS mit ihren 3.700 Wohnungen aus. Rund 75 Prozent wurden bis 1970 errichtet. Das ist ein statistischer Wert, der wohl auch für andere Städte gilt. Wenn es gelingt, solche Bauten fit für den Energie-Standard KfW 55 und damit für die Klimaziele des Jahres 2050 zu machen, dann muss es erst recht mit anderen Gebäuden klappen. Damit könnten mittelfristig ähnliche Sanierungsvorhaben auch an anderen Gebäuden der WWS umgesetzt werden. Darüber hinaus könnten derartige Systeme in der Zukunft auch helfen, ganz normale Einfamilienhäuser fit für die Herausforderungen des Klimawandels zu machen. Und so läuft der Umbau: Die Fassade wird zunächst mit einem Laser abgetastet und dann ein millimetergenaues Computermodell erzeugt. Anhand dieses Modells werden die Solar- und Dämmelemente samt Fenstern und Türen von einem Unternehmen passgenau gefertigt, zur Baustelle transportiert und per Kran angebracht. In diesen Schritten läuft die Sanierung ab Zunächst wird ein Holzrahmen an der Fassade befestigt, dann folgt eine Dämmschicht. Auf diese Dämmschicht werden wiederum spezielle Platten angebracht. Diese wabenartigen, von einer Art Glasscheibe abgedeckten Platten an der Fassade sind so gestaltet, dass sie sich im Winter bei tief stehender Sonne erwärmen. Im Sommer, wenn die Sonne höher steht und wenig Energie gebraucht wird, fallen die Strahlen nicht in die Wabenstruktur. Statt aus Ziegeln besteht das Dach komplett – aber auch ein Teil der Fassade – aus Photovoltaikpaneelen. Der Solar-Strom, den sie erzeugen, wird zum Betrieb von Infrarotheizelementen in den Wohnungen verwendet. Durch die Dämmung soll es, auch bei Temperaturen wie jüngst von minus 20 Grad, keine Probleme geben. Ein weiterer Vorteil des Systems soll die schnellere und einfachere Umsetzung sein, die damit die Beeinträchtigungen für die Bewohner reduziert. Derzeit betreten die Herforder, aber auch andere bundesdeutsche Wohnungsunternehmen, mit der Sanierung Neuland. Falls es möglich ist, die Datenerfassung und die Fertigung im großen industriellen Stil umzusetzen, rechnen die WWS-Geschäftsführer mit Einsparungen von rund 40 Prozent gegenüber dem bisherigen Preis. So viel Kohlendioxid wird künftig eingespart Ein weiteres Ziel: Die Sanierung nach dem neuen System soll für die Menschen bezahlbar bleiben, so Helmerking und Kähler weiter. Darüber hinaus werden durch die Modernisierung der vier Gebäude rund 170 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr eingespart. Die Vertreter der Großen Koalition aus SPD und CDU im Herforder Rat sehen in dem Projekt auch eine Investition, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Und das nicht nur mit Verkehrskonzepten. Denn ein Großteil des Kohlendioxid-Ausstoßes entfalle auf das Wohnen. &bdquo;CDU und SPD sehen erhebliche Herausforderungen bei der CO2-Reduzierung", so der Bürgermeister. Derzeit drängt bei der Umsetzung die Zeit: In einer Sondersitzung am kommenden Freitag, 26. Februar, will der Herforder Rat deshalb über die 3,3 Millionen-Investition der städtischen Wohnbau-Tochter WWS entscheiden.

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