Pflegende Angehörige finden Impfreihenfolge ungerecht

Herford. Wer zuerst gegen das Coronavirus geimpft wird, das hat das Bundesgesundheitsministerium auf Basis der Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (RKI) am 15. Dezember 2020 festgelegt. Doch die Impfreihenfolge finden Michael und Christina Meier (Namen von der Redaktion geändert) aus Herford ungerecht: Er und seine Ehefrau pflegen seine Eltern. Die Senioren werden aufgrund ihres Alters bald geimpft, doch er und seine Frau müssen aufgrund der Prioritätenliste noch länger auf den Impfstoff warten. Das sorgt bei dem Ehepaar für Unverständnis, denn: "Personen, die in stationären Einrichtungen oder in ambulanten Pflegediensten Menschen pflegen, haben bei der Impfreihenfolge die höchste Prioritätsstufe. Aber wir, die das privat leisten, werden davon ausgeschlossen", beschreibt Michael Meier. Doch das will er nicht protestlos hinnehmen. 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt Im November 2020 ermittelte das Statistische Landesamt, dass 965.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes als pflegebedürftig galten. Mehr als 80 Prozent von ihnen werden zu Hause versorgt, etwa ein Drittel von ihnen durch ambulante Pflegedienste, aber mehr als 60 Prozent durch selbst organisierte Pflege. Wie bei Familie Meier machen das häufig die Angehörigen. "Wir sind doch froh, dass wir sie nicht in einem Altenheim unterbringen müssen, sondern das eigenständig leisten können", betont Michael Meier. Doch wenn er und seine Frau sich infizieren würden oder auch nur in Quarantäne müssten, gebe es für sie keinen Ersatz, die Eltern seien dann ohne Betreuung. Fehlende Impfung ist Belastung Bis er und seine Frau nach der aktuellen Prioritätenliste geimpft würden, das dauere noch. Denn durch den derzeitigen Impfstopp seien noch nicht einmal alle Personen versorgt, die der Gruppe "Höchste Priorität" angehören würden. Sie selbst seien wahrscheinlich Teil der Gruppe "Hohe Priorität", da sie eine enge Kontaktperson von pflegebedürftigen Personen, die über 70 Jahre alt sind, seien. Die Zeit bis zum Impftermin sei jedoch eine dauerhafte Belastung. "Meine Eltern sehen mich nur noch mit Maske und Handschuhen. Wir berühren sie kaum noch", so Meier. Zudem habe er sein Privat- und Berufsleben über das normale Maß hinaus einschränken müssen, um keine Ansteckung zu riskieren. Eine Impfung würde ihm etwas Luft und mehr Sicherheit verschaffen. Impfreihenfolge: Frage nach Sinnhaftigeit Neben der Angst vor einer Ansteckung, treibt ihn noch ein anderes Thema um: "Als pflegende Angehörige müssen wir meine Eltern wahrscheinlich in ein Impfzentrum bringen. Dann stehe ich daneben, aber nur mein Vater und meine Mutter werden geimpft. Das kann es doch nicht sein", betont Michael Meier. Für weitere Verunsicherung sorge zudem die Äußerung, dass möglicherweise Personen mit Pflegestufe drei durch ein mobiles Team geimpft würden, alle anderen jedoch in ein Impfzentrum kommen müssten. "Mein Vater hat Stufe drei, meine Mutter zwei. Bin ich dann gezwungen, mit meiner Mutter noch extra ins Impfzentrum zu fahren, obwohl sie im gleichen Wohnzimmer sitzt?" Brief an die Ministerien Um auf diesen Missstand hinzuweisen, habe er sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, als auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann eine Stellungnahme geschrieben. Das NRW-Gesundheitsministerium reagierte darauf, verwies jedoch lediglich auf die veröffentlichte Impfreihenfolge, die die Ständige Impfkommission empfohlen hatte. Jedoch fand sich folgende Formulierung ergänzend in dem Schreiben: "Wenn im Laufe des Frühjahrs und Sommers genügend Impfstoffdosen zur Verfügung stehen, wird dies dazu führen, dass die in der Impfverordnung genannten Personenkreise nicht nur nacheinander, sondern auch parallel geimpft werden können." Ein kleiner Lichtblick Ob dieser Zustand tatsächlich eintreten wird und sie vielleicht doch schneller an der Reihe sind, das lasse sich nicht vorhersehen, so das Herforder Ehepaar. Dennoch habe sie etwas Hoffnung geschöpft, als Michael Meier die Telefonnummer 116 117 angerufen habe, um sich zu informieren. "Die haben mir gesagt, dass sie auch den Personen einen Termin geben wollen, die einen Nachweis darüber haben, dass sie pflegende Angehörige sind", sagt Michael Meier. Ob das aber auch klappe, hänge von den Mengen an Impfstoff ab, die das Impfzentrum zur Verfügung habe.

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